| # taz.de -- Die Wahrheit: Gassi an der Kette gehen | |
| > Die lustige Tierwelt und ihre gar ernste Erforschung (65): Hyänen als | |
| > Haustiere liegen charakterlich so in etwa zwischen Hund und Katze. | |
| Bild: Die Hyäne: Sie ist um Längen besser als ihr weltweit allzu ramponierter… | |
| Die Weimarer Kulturwissenschaftler Markus Krajewski und Harun Maye gaben | |
| 2010 ein Buch über „Die Hyäne: Lesarten eines politischen Tiers“ heraus. … | |
| findet sich darin ein Beitrag des TV-Entertainers Harald Schmidt über „Die | |
| Klitoris der Hyäne“. Diese ist so lang wie der Penis der Männchen und hat | |
| über die wenigen Hyänenforscher hinaus schon viele Menschen fasziniert. | |
| Nicht zuletzt wegen der Forschungsberichte des Zoologen Hans Kruuk über | |
| seine langjährigen Beobachtungen der Tüpfelhyänen in der Serengeti. | |
| Die Aufsätze, 1972 publiziert, gelten inzwischen als Klassiker. Auf der | |
| Internetseite des Berliner Instituts für Zoo- und Wildtierforschung stieß | |
| ich auf eine aktuelle Forschung: Das Langzeitprojekt erforscht Hyänen in | |
| der Serengeti. „Dort werden seit 1987 die Lebensgeschichten mehrerer | |
| hundert individuell bekannter Tüpfelhyänen verfolgt.“ | |
| Krajewski und Maye wiederum haben in ihrem Hyänenbuch Fotos von „Hyena Men“ | |
| veröffentlicht. Dabei handelt es sich um junge Männer in Nigeria, die mit | |
| einer Hyäne an der Kette Gassi gingen – und wohl viel fotografiert wurden. | |
| Es war eine Mode, das Halten einer Hyäne ist auf Dauer anstrengend. Anders | |
| in einigen mittelalterlichen Städten Äthiopiens: Dort haben frei lebende | |
| Hyänen bereits seit etlichen Generationen nächtens die Straßenreinigung | |
| übernommen. Touristen können sie vor den Toren der Stadtmauer mit | |
| Fleischstücken füttern. | |
| Den Hauptteil des Hyänenbuchs macht der Artikel „Hyänen“ (1870) von Alfred | |
| Brehm aus – mit vier literaturhistorischen Lesarten dieses Textes. Dazu | |
| heißt es in einer FAZ-Rezension: „Dass man diesen vor anthropomorpher | |
| Beschreibungskraft strotzenden Klassiker hier nun noch mit einer Exegese | |
| des vierfachen Schriftsinns [einer mittelalterlichen Schriftauslegung] | |
| toppen möchte, ehrt Alfred Brehm in jedem Fall.“ | |
| ## Hyänen sind nicht nur feige | |
| Sein Hyänenartikel gehört zudem zu seinen besten: Er beschreibt die Tiere, | |
| fasst die bisherige Forschung zusammen und erwähnt Beobachtungen von | |
| Einheimischen. Darüber hinaus widerlegt Brehm den schlechten Ruf, den die | |
| Hyänen als hässliche und gefährliche, aber feige Aasfresser haben. Er | |
| erwirbt im Sudan zwei Streifenhyänen. | |
| „Wenige Tage nach unserer Ankunft in Khartum kauften wir zwei junge Hyänen | |
| für eine Mark unseres Geldes. Wir sperrten sie in einen Stall, und hier | |
| besuchte ich sie täglich. Der Stall war dunkel; ich sah deshalb beim | |
| Hineintreten gewöhnlich nur vier grünliche Punkte in irgendeiner Ecke | |
| leuchten. Sobald ich mich nahte, begann ein eigentümliches Fauchen und | |
| Kreischen, und wenn ich unvorsichtig nach einem der Tierchen griff, wurde | |
| ich regelmäßig tüchtig in die Hand gebissen. Schläge fruchteten im Anfange | |
| wenig; jedoch bekamen die jungen Hyänen mit zunehmendem Alter mehr und mehr | |
| Begriffe von der Oberherrschaft, die ich über sie erstrebte, bis ich ihnen | |
| eines Tages ihre und meine Stellung vollkommen klarzumachen suchte.“ | |
| Brehms Diener hatte sie gefüttert, mit ihnen gespielt und war heftig von | |
| ihnen in die Hände gebissen worden. „Die Hyänen hatten inzwischen das | |
| Doppelte ihrer früheren Größe erreicht und konnten deshalb auch eine derbe | |
| Lehre vertragen. Ich beschloß, ihnen diese zu geben, und indem ich | |
| bedachte, daß es weit besser sei, eines dieser Tiere totzuschlagen, als | |
| sich der Gefahr auszusetzen, von ihnen erheblich verletzt zu werden, | |
| prügelte ich sie beide so lange, bis keine mehr fauchte oder knurrte, wenn | |
| ich mich ihnen wieder näherte.“ Wurden sie rückfällig, bekamen sie erneut | |
| Prügel. | |
| ## Hyänen können echt lieb sein | |
| Etwa vierundzwanzig Stunden nach der Bestrafung ging Brehm in den Stall und | |
| beschäftigte sich längere Zeit mit ihnen: „Jetzt ließen sie sich alles | |
| gefallen und versuchten gar nicht mehr, nach meiner Hand zu schnappen. Von | |
| diesem Augenblicke an war Strenge bei ihnen nicht mehr notwendig; ihr | |
| trotziger Sinn war gebrochen, und sie beugten sich vollkommen unter meine | |
| Gewalt. Nach Verlauf eines Vierteljahres, vom Tage der Erwerbung an | |
| gerechnet, konnte ich mit ihnen spielen wie mit einem Hunde, ohne | |
| befürchten zu müssen, irgendwelche Mißhandlung von ihnen zu erleiden. Sie | |
| gewannen mich mit jedem Tage lieber und freuten sich ungemein, wenn ich zu | |
| ihnen kam.“ | |
| Seine Hyänen kamen auch regelmäßig in sein Zimmer: „Für Fremde war es ein | |
| ebenso überraschender als unheimlicher Anblick, uns beim Teetisch sitzen zu | |
| sehen. Jeder von uns hatte eine Hyäne zur Seite, und diese saß so | |
| verständig, ruhig auf ihrem Hintern, wie ein wohlerzogener Hund bei Tisch | |
| zu sitzen pflegt, wenn er um Nahrung bettelt. Letzteres taten die Hyänen | |
| auch.“ | |
| Seine beiden Hyänenweibchen hingen aneinander: „War eine von der andern | |
| längere Zeit entfernt gewesen, so entstand jedesmal großer Jubel, wenn sie | |
| wieder zusammenkamen; kurz, sie bewiesen deutlich genug, daß auch Hyänen | |
| heiß und innig lieben können.“ Auf der langen Reise von Khartum nach Kairo | |
| fütterte Brehm sie mit herrenlosen Hunden. „Später habe ich sie in Kairo an | |
| leichten Stricken durch die Straßen geführt zum Entsetzen aller gerechten | |
| Bewohner derselben.“ | |
| ## Hyänen polarisieren | |
| Einhundert Jahre später spaziert die Verhaltensforscherin und | |
| Hundezüchterin Myrna Shiboleth gelegentlich mit einer Hyäne an der Leine | |
| durch Jerusalem. In ihrem Buch „Shaar Hagai. Von Tieren und Menschen in | |
| Israel“ (2004) schreibt sie: „Einer der besorgtesten Kommentare, die ich je | |
| bekam, war von einem würdevollen älteren Herrn. Er sagte sehr höflich zu | |
| mir: ‚Madam, sie sollten nicht mit so einem Tier herumlaufen. Jeder sieht | |
| nur das Tier und niemand beachtet sie!‘ “ | |
| Es gibt wild lebende Hyänen in Israel, aber die Autorin erhielt ihre im Zoo | |
| von Haifa. Sie musste das Tier mit der Flasche aufziehen, es bekam den | |
| Namen Baba. Myrna Shiboleth war schon bald mit Hans Kruuk, der auch einmal | |
| eine Hyäne adoptiert hatte, einer Meinung: „Nach all dem Aberglauben | |
| überrascht es, dass Hyänen so nette Haustiere sein können.“ Vom „Charakt… | |
| her seien sie „irgendwie zwischen einem Hund und einer Katze“. | |
| Wie Letztere bevorzugte Baba „dunkle und enge Verstecke als Schlafplätze: | |
| hinter dem Sofa, hinter Schränken …“ Sie fraß kein Aas, nur frisches | |
| Fleisch und Obst sowie Süßigkeiten. Anfangs sträubte sie sich, in ein Auto | |
| zu steigen, aber dann genoss sie das Fahren. Myrna Shiboleth meint, anders | |
| als Hunde, die ihren Besitzern stets vertrauen, nahm Baba „Dinge, Orte, | |
| Menschen, Geräusche, Gerüche nie nebenbei hin“. Sie musste alles genau | |
| erkunden. Abgesehen davon hatte Baba aber durchaus „Vertrauen“ zu ihrer | |
| Herrin. „Ihre eindeutige Zuneigung zeigte mir – eine Beziehung, die an die | |
| Stelle der Beziehung trat, die sie gehabt hätte, wenn sie Teil eines | |
| Hyänen-Rudels gewesen wäre.“ | |
| Gelegentlich nahm die Autorin ihre Hyäne mit auf Hundezuchtveranstaltungen. | |
| Ansonsten spielte sie auf ihrer Farm mit Baba: „Doch zog ich es mehr und | |
| mehr vor, diese Spielkämpfe nur mit ihr zu veranstalten, wenn ich dicke | |
| Sachen trug.“ Die berühmt-berüchtigten US-Wissenschaftler haben unterdes | |
| herausgefunden, dass Hyänen in Gefangenschaft nicht dümmer werden, sondern | |
| gewitzter. | |
| 26 Nov 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Helmut Höge | |
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