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# taz.de -- Opposition in der Ukraine: Aktivistin verliert letzten Kampf
> Katja Gandzjuk erliegt den Spätfolgen eines Säure-Anschlags im Juli.
> Generell nimmt die Gewalt gegen Kritiker zu.
Bild: Fordert rückhaltlose Aufklärung: der ukrainische Staatspräsident Petro…
Kiew taz | Die ukrainische Journalistin, Anti-Korruptions-Aktivistin und
Geschäftsführerin des Stadtrates der ostukrainischen Stadt Herson, Katja
Gandzjuk, ist am Sonntag in einem Kiewer Krankenhaus den Verletzungen eines
Überfalls mit Schwefelsäure am 31. Juli dieses Jahres erlegen. 35 Prozent
ihrer Haut waren durch die Verbrennungen in Mitleidenschaft gezogen worden.
Sechs Personen, die der Mittäterschaft verdächtigt werden, sind in Haft.
Doch es ist fraglich, ob es sich bei ihnen um die Täter handelt. Präsident
Petro Poroschenko forderte nach Bekanntwerden des Todes von Gandzjuk die
Strafverfolgungsbehörden auf, alles zu tun, um der Mörder habhaft zu
werden.
Seit 2003 war die Aktivistin Mitglied in der von der ehemaligene
Regierungschefin Julia Timoschenko geführten „Vaterlandspartei“. 2012 hatte
sie die Internetplattform „Most“ gegründet, die sich auf Korruption im
Gebiet Herson spezialisierte und sehr genau Einkünfte und Ausgaben der
Kommune Herson beobachtet hatte. Die 33-Jährige war bei der „Orangenen
Revolution“ 2004 genauso dabei wie bei dem „Maidan“ 2013 und 2014.
Sie unterstützte Flüchtlinge aus dem Donbass und wurde im Mai 2014 auf der
Liste von „Vaterland“ in den Stadtrat von Herson gewählt. Gleichzeitig
fungierte sie als Beraterin des Bürgermeisters. Immer wieder legte sie sich
mit Organisationen und Personen an, die sie als „prorussisch“ wahrnahm.
## Immer brutaler
Von ihrem Krankenbett aus berichtet sie der Ukrainska Pravwda von Drohungen
aus Kreisen der Sicherheitskräfte. Diese hätten ihr immer wieder
„Ratschläge und Drohungen“ zukommen lassen. Noch könne sie vor dem
Hintergrund der laufenden Ermittlungen darüber nicht öffentlich sprechen,
erklärte sie. Sie beobachte in den Regionen eine Zusammenarbeit von
Unterwelt, Rechtsschutzorganen und Politikern, die Tätern Straflosigkeit
und Immunität gewähre.
„Das ist nur der Anfang. Die Gewalt wird brutaler, die Menschen immer mehr
eingeschüchtert werden“, so die Aktivistin gegenüber der Ukrainska Prawda.
Schon jetzt sei niemand mehr in Sicherheit. „Besonders gefährdet sind
aktive Menschen, die andere mobilisieren können, etwas gesellschaftlich
Nützliches zu tun“, zitiert sie die Ukrainska Prawda am 16. August diesen
Jahres.
Der tödliche Überfall auf Katja Gandzyuk ist kein Einzelfall.
NGO-Aktivisten und Journalisten sind einer zunehmenden Welle von
Übergriffen ausgesetzt. Am 1. Januar war die Rechtsanwältin und
Menschenrechtlerin Irina Nosdrowka ermordet worden. Am 31. Juli war der
Aktivist Vitalij Oleschko von zwei Unbekannten erschossen worden. In
Pawlohrad war Ende Oktober Juri Malimonow, lokaler Aktivist, von einem
Unbekannten verletzt worden. Grund dürfte dessen aktiver Kampf gegen
Drogenhandel in der Stadt gewesen sein.
Alle politischen Lager sind von dieser Gewalt betroffen. Matthew Schaaf,
Sprecher der Medienorganisation „Freedom House“, berichtet von einer
weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage ukrainischer Journalisten.
Dass dies so sei, so Schaaf, sei auch ein Versagen der staatlichen Organe.
Mehrfach seien in der Ukraine Redaktionen Opfer von Übergriffen durch
staatliche Behörden geworden.
## Stärkere Kontrolle des Netzes
„Eindeutig eine negative Entwicklung ist, dass vonseiten der staatlichen
Strukturen auf eine Reihe von Medien aus politischen Gründen Druck ausgeübt
wird. Viele werden verdächtigt, die nationale Sicherheit der Ukraine zu
gefährden, weil sie angeblich mit der Russischen Föderation
zusammenarbeiten,“ zitiert das Portal „Ukranews“ den Medienexperten.
Besonders gefährlich, so Schaaf, sei der Gesetzentwurf Nummer 6688, durch
den das Internet stärker kontrolliert werden soll. Sollte dieser eine
parlamentarische Mehrheit finden, dürfen Ermittler in Zukunft auch ohne
Gerichtsbeschluss Internetportale vom Netz nehmen.
4 Nov 2018
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Ukraine
Petro Poroschenko
Opposition
Ukraine
Lesestück Recherche und Reportage
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