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# taz.de -- Kolumne Der Zuckerberg Teil 20: Anfeindungen im Sekundentakt
> Jeder schreibt sich heute jeden Pups, der ihm quersteht, öffentlich von
> der Seele. Waren die Menschen vor dem Internet eigentlich auch schon so
> böse?
Bild: Virtuelle Stinkefinger fliegen uns im Netz sekündlich um die Ohren
„Hüte dich vor Leuten, die ihren Wikipedia-Eintrag selbst verfasst haben.“
So oder so ähnlich soll bereits Titus Vestricius Julius Cäsar gewarnt
haben. Damals waren sämtliche Comments noch in Stein gemeißelt, doch Cäsar
erinnerte sich fatalerweise trotzdem erst wieder an die Warnung, als ihm
die Trolle schon die Messer in den Rücken rammten.
Heute sind Botschaften schnelllebiger. Absurdeste Anfeindungen fliegen uns
im Sekundentakt um die Ohren. „Waren die Menschen vor dem Internet
eigentlich auch schon dermaßen dumm und böse?“, frage ich meine Freundin.
Sie meint, wahrscheinlich schon, man hätte es nur nicht so mitbekommen,
weil sie eher so wie in „Gefährliche Liebschaften“ Leserbriefe voller
Tintenkleckse an Redaktionen geschrieben oder Rattengift in Bonbons
injiziert hätten. Die meisten aber hätten einfach nur stumm mit den Zähnen
geknirscht.
Nun aber schreibt sich jeder Paranoiker jeden Pups, der ihm quersteht,
sofort, öffentlich und an alle von der Seele. Manchmal fühlt man sich zu
einer Antwort gezwungen, insbesondere, wenn man auf Facebook gerade
hinterrücks gestabbt wird. Blöd nur, wenn man im Urlaub ist und sich
erstens eigentlich erholen wollte von dem Scheiß zu Hause und zweitens nur
sein Mäusekino dabei hat.
Es macht echt keinen Spaß, mit den dicken Fingerchen auf dem Smartphone
herumzutapsen. Das ist auch typisch für Leute meines Alters – unsere Finger
und Gehirne sind genetisch noch nicht verändert. Die Hände sind noch
Werkzeuge, um Bäume zu fällen und Schützengräben auszuheben; der Kopf muss
halt den Helm tragen. „Du textest wie ein alter Mann“, hat mal eine jüngere
Kollegin festgestellt, und sie meinte nicht den Inhalt oder Stil. Sie hatte
mir nur dabei zugesehen, wie ich eine SMS tippte.
Ich dann so: „Hauptsache, ich ficke nicht wie ein alter Mann, du Maus“, wie
es unter Kollegen eben üblich war. Und sie dann so: „Das muss ich mir zum
Glück nur vorstellen, wenn ich unbedingt ein Brechmittel brauche.“
Frechheit. Einmal mehr war es bedrückend zu erleben, wie gründlich #MeToo
jedes spielerische Element aus dem Umgang zwischen Mann und Frau getilgt
hatte. Da haben sie schon völlig recht, die Wedels und Weinsteins,
Flaßpöhlers und Deneuves: Wer soll denn jetzt die Kinder machen? Übrigens
finde ich ja eher, dass ich texte wie ein Adler: kreisen und zustoßen.
Genau genommen, sagt meine Freundin dann noch, waren die Leute früher sogar
noch dümmer und böser. Und die hätten massenweise Menschen umgebracht, eben
weil sie nicht in der Lage waren, ihren Frust über Hasskommentare im Netz
abzulassen. Auch doof irgendwie.
29 Oct 2018
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Der Zuckerberg
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