# taz.de -- Kolumne Der Zuckerberg | Teil 22: Grüße aus dem Glashaus | |
> Ulrich Tukur ist nicht auf Facebook. Das Internet und Smartphones findet | |
> er nicht gut. Damit ist er nicht allein. Über den Trend, etwas doof zu | |
> finden. | |
Bild: Ulrich Tukur hasst nicht nur Facebook, sondern gleich das ganze Internet | |
Facebook. Ein alter Hut, doch mit vielen bunten Federn. Angesichts der | |
versammelten Pracht von Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie | |
praktisch sämtlichen Kauzarten soll diese Serie für den nötigen Durchblick | |
sorgen. | |
„Ulrich ist jetzt auf Facebook. Hilf ihm Freunde zu finden.“ Wen würde ich | |
vorschlagen? Vielleicht Bismarck, Kant, Galilei sowie Moritz Bleibtreu, | |
Ulrich Tukurs Bruder im Geiste, der das Internet abschaffen will, „die | |
größte Büchse der Pandora, die die Menschheit je geöffnet hat“. | |
Der dürfte auf keinen Fall fehlen, doch die Freundessuche ist nur | |
hypothetisch. Denn natürlich ist der Tukur nicht auf Facebook. Im | |
Tagesspiegel-Interview ledert er los gegen die Zersetzung der Jugend: das | |
Internet. [1][Soziale Netzwerke. Digitaldings. Netflix. Smartphones]. Und | |
sogar elektrischen Strom. Gäbe es ein Gegenteil von Facebook, sagen wir | |
Arsebook, wäre er garantiert dort. | |
Ein asoziales Netzwerk. Selbstredend analog, am besten mechanisch. Man | |
trifft sich in einer Garage, sitzt auf Klappstühlen, wählt Schriftführer | |
und Schatzmeister, nennt sich Kameraden statt Friends und draußen am | |
Garagentor steht in Fraktur: „Außerordentliche Arschbuch-Versammlung zum | |
Behufe der Beklagung des Zustands der Welt.“ Oder so. | |
Dort können sie dann wettern: „Ich versteh dieses Genderzeug nicht. Ich | |
weiß nicht, [2][was die mit dem #MeToo haben]. Früher gab’s das nicht, da | |
war alles besser, Scheißstrom.“ Bei den meisten habe ich jedoch das Gefühl, | |
dass sie es einfach nur nicht wissen wollen. | |
## Eine angesagte Attitüde | |
Es liegt offenbar im Trend, darauf stolz zu sein, etwas nicht zu kennen, zu | |
verstehen oder zu tun. „Ich gucke nie Nachrichten.“ Toll! „Ich kann kein | |
Englisch.“ Toll! „Ich steh zu meiner Homophobie.“ Toll! „Ich esse jeden… | |
ein Kilo Fleisch!“ Toll! „Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 200 | |
Stundenkilometer ist ein guter Kompromiss!“ Toll! „Mit Computer kenne ich | |
mich überhaupt nicht aus.“ Toll! | |
Dabei ist ja vieles weder eine Schande noch eigenes Verschulden. Grüße aus | |
dem Glashaus. Es ist oft schwer, über den Schatten der eigenen Umstände zu | |
springen. Kein Vorwurf also, aber eben auch kein Ruhmesblatt. Doch es wirkt | |
wie eine angesagte Attitüde: Leute, die keine Ahnung haben, sich gegen | |
jeglichen Ahnungserwerb sperren und das auch noch als Heldensaga | |
inszenieren. | |
Immer wenn ich so einen kulturpessimistischen Wutrentner höre, packt mich | |
kollektive Fremdscham für meinesgleichen, befeuert von dem Verdacht einer | |
befürchteten Nichtunähnlichkeit. Aber es hat auch etwas zwischen Pubertät | |
und Punk. Ich esse meine Suppe nicht, ich kämme meine Haare nicht, ich | |
mache meine Hausaufgaben nicht. Cool. Und so wählt Ulrich Tukur vermutlich | |
noch immer die Zentrumspartei, denn die vertritt seine Werte am besten. Sie | |
steht zwar nicht auf dem Wahlzettel, doch er malt sie einfach dazu. Die | |
können ihn mal alle, er lässt sich nichts erzählen mit seinen einundsechzig | |
Jahren. | |
1 Jan 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://www.tagesspiegel.de/medien/ulrich-tukur-im-gespraech-der-mensch-ist… | |
[2] /Ein-Jahr-MeToo/!5538032 | |
## AUTOREN | |
Uli Hannemann | |
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