# taz.de -- Ausstellung „So ist das bei uns“: Lauter Individuen | |
> Nihad Nino Pušija und seine „Bilder vernachlässigter Europäer“ in der | |
> Galerie am Körnerpark zeigen Pendler zwischen den Kulturen. | |
Bild: Aus der Serie „Parno Gras“ (Das weiße Pferd), Berlin, 1996 | |
Marzahn, warum Marzahn? In einer Ausstellung mit dem Titel „So ist das bei | |
uns – Bilder vernachlässigter Europäer“ erwartet man erst mal keine Fotos | |
aus diesem Stadtteil. Auf den zweiten Blick aber wird klar, dass die sieben | |
Farbbilder aus der Serie „#WeRemember“ hier unbedingt hingehören. | |
[1][Nihad Nino Pušija] hat dafür über ein paar Jahre hinweg immer wieder | |
Fotos zum Thema Erinnerung an den Völkermord an den Sinti und Roma gemacht. | |
Er zeigt in der [2][Galerie im Körnerpark] unter anderem die Gedenkstätte | |
für das [3][ehemalige Zwangslager für Sinti und Roma, das in Marzahn] – | |
damals noch ein Dorf, ringsum von Rieselfeldern umgeben – errichtet wurde, | |
bevor die Olympischen Spiele 1936 begannen: die erste Aktion ethnischer | |
Säuberung durch die Nazis. Zwei weitere Fotos der Serie zeigen Porträts von | |
Fatima und Nadir Dedić, zwei Überlebenden des Konzentrationslagers | |
Jasenovac (Kroatien). | |
„Bilder vernachlässigter Europäer“ – ein treffender Ausstellungstitel: | |
Nihad Nino Pušija lenkt mit seinen Fotografien seit über 20 Jahren den | |
Blick auf die Lebensrealitäten der über ganz Europa verstreuten Roma. In | |
der Ausstellung liegt der Fokus auf kreativen Menschen, die zwischen den | |
unterschiedlichen Kulturen des Kontinents pendeln. Der Fotograf zeigt hier | |
nicht „die Geflüchteten“ oder „die Migranten“, er zeigt Individuen jen… | |
der üblichen Stereotype. „Es sind in sich abgeschlossene Porträtserien von | |
Menschen und ihren persönlichen Geschichten entstanden, die über | |
verschiedenartige Definitionen zu einer Gruppe werden“, sagt Pušija über | |
seine Arbeiten. | |
Da sind die Bilder der Kinder, dank digitaler Projektion sind es wahnsinnig | |
viele, die mit wachen Augen stolz in die Kamera schauen, dass es eine | |
Freude ist. Da grüßt ein alter Flamencotänzer, der in Sevilla ein leer | |
stehendes Kulturhaus belebt. Da sind ein mehrfach von Abschiebung bedrohter | |
Rapper und Aktivisten aus Essen oder Bilder von einem Fußballtraining in | |
Barcelona zu sehen, ein Projekt, bei dem Roma und Nichtroma, Mädchen wie | |
Jungen, zusammen Fußball spielen. | |
Und da sind die Männer in der dunkelblauen Uniform, die im tschechischen | |
Brünn Kaffee trinken, eigentlich Musik in einer Band machen – oder sich in | |
Pose werfen: Sie tragen Dienstkleidung und arbeiten im sogenannten Getto | |
Brünns in der Asistenz Prevence Kriminality (AKP), die auf Streife geht und | |
versucht, präventiv zu wirken. | |
Nihad Nino Pušija wurde 1965 in Sarajevo, damals Jugoslawien, heute Bosnien | |
und Herzegowina, geboren. Er hat politische Wissenschaften und Journalismus | |
studiert, hat also gelernt, genau hinzuschauen. Seit 1988 arbeitet er als | |
freier Fotograf, realisierte Fotoprojekte in den USA, Italien, Belgien und | |
England. | |
Seit 1992 in Berlin lebend, hat er unter anderem für das Museum | |
Europäischer Kulturen und die Allianz Kulturstiftung gearbeitet und 1994 | |
die Fotogruppe „Zyklop Foto Fabrik“ gegründet, ein Projekt exjugoslawischer | |
und deutscher junger Künstler. Pušija zieht es also immer wieder in die | |
weite Welt hinaus und immer wieder in seine alte Heimat. So kommen solche | |
wichtigen Ausstellungen zustande. | |
28 Oct 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://fotofabrika.de/ | |
[2] http://www.xn--krnerpark-07a.de/ausstellungen/ | |
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Zwangslager_Berlin-Marzahn | |
## AUTOREN | |
Andreas Hergeth | |
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