| # taz.de -- CO2-Emissionen mindern: Einfangen und wegsperren? | |
| > Es gilt als letzte Hoffnung gegen die Erwärmung: Das Einfangen des | |
| > Klimagases Kohlendioxid. Doch unter Klimaschützern ist die Methode | |
| > umstritten. | |
| Bild: Kohlendioxid einfach unter dem Boden speichern? So richtig weiß keiner, … | |
| Berlin taz | Es ist die letzte große Hoffnung vieler Klimaschützer: Die | |
| Überhitzung der Atmosphäre zu bremsen oder sogar umzukehren, indem ihr das | |
| Klimagas Kohlendioxid (CO2) entzogen wird. Diese „Carbon Dioxide Removal“ | |
| (CDR), also Kohlendioxidentfernung, genannten Techniken sollen Zeit kaufen | |
| für den Umstieg auf Energien und Produkte ohne Kohlenstoff, versprechen | |
| Techniker, Firmen und Regierungen. Das Problem dabei: Die Technik steckt | |
| noch in den Kinderschuhen. Und sie wirft ganz neue Fragen auf. | |
| Anders als mit futuristischen „Geoengineering“-Spielarten, bei denen etwa | |
| das Sonnenlicht von der Erde ferngehalten soll, haben sich die Forscher des | |
| Weltklimarates (IPCC) [1][in ihrem Bericht] ernsthaft mit „negativen | |
| Emissionen“ befasst. Ihr Urteil: Alle Pfade, die das 1,5-Grad-Ziel direkt | |
| erreichen, „nutzen CDR in der Größenordnung von 100 bis 1.000 Milliarden | |
| Tonnen CO2 über das 21. Jahrhundert.“ Das ist so viel wie die Welt heute in | |
| fünf bzw. 50 Jahren ausstößt. Sollten die 1,5 Grad überschritten werden, | |
| seien „negative Emissionen“ als Notbremse nicht mehr zu verhindern, wenn | |
| man wieder unter diese Schwelle zurückwolle, heißt es. Die verschiedenen | |
| Formen hätten „unterschiedliche Reife, Potenziale, Kosten und | |
| Nebeneffekte“, warnen die Forscher. | |
| Theoretisch geht es darum, CO2 einzufangen und möglichst effektiv | |
| wegzusperren. In Frage kommen vor allem zwei Techniken: Aufforstung ist die | |
| natürlichste Form der CO2-Speicherung. Solange die Bäume stehen, ist auch | |
| der Kohlenstoff gebunden. Das Problem: Wenn das Holz verbrannt wird oder | |
| sich zersetzt, wird das Gas wieder frei. Und Aufforstung gegen die | |
| Klimakrise bräuchte riesige Landgebiete, die damit nicht mehr als Felder | |
| oder Weiden zur Verfügung stünden. Das IPCC rechnet mit mehren Millionen | |
| Quadratkilometern, die so der Land- und Forstwirtschaft verloren gingen. | |
| Zum Vergleich: Ganz Deutschland hat etwa 350.000 Quadratkilometer. | |
| Kohlenstoff einfangen und speichern (CCS) wäre die technische Alternative. | |
| Was seit Jahrzehnten bei der Öl- und Gasgewinnung praktiziert wird (CO2 in | |
| die Erde pumpen, um damit Öl und Gas nach oben zu drücken) könnte auch als | |
| Speicher genutzt werden. Norwegen etwa bietet der EU an, seine leeren | |
| Gasfelder unter der Nordsee mit dem CO2 Europas aufzufüllen. Die Probleme: | |
| Das bräuchte neue Pipelines, viel Geld und Energie, um das CO2 in den Boden | |
| zu pressen. Und Akzeptanz in der Bevölkerung. | |
| Eine Kombination aus Aufforstung und CCS ist „BECCS“: Kraftwerke erzeugen | |
| Strom, indem sie Holz verfeuern, das vorher der Luft CO2 entzogen hat. | |
| Dieses Kohlendioxid wird dann aufgefangen und in einem CCS-System | |
| gespeichert. Die Probleme: Die gleichen wie bei CCS. Und: Bisher ist die | |
| Technik kaum erprobt. | |
| ## Hintertür für den Weiterbetrieb in der Kohleindustrie | |
| Andere CDR-Techniken werden bislang nur getestet: Forscher „düngen“ Ozeane | |
| mit Eisenspänen, um Algen wachsen zu lassen, die CO2 in der Tiefsee binden. | |
| Biokohle könnte Kohlenstoff im Boden binden und die Böden verbessern. Bei | |
| künstlicher Verwitterung wird CO2 unterirdisch im Gestein eingeschlossen | |
| und versteinert. Luftfilter entziehen der Atmosphäre CO2 und nutzen es etwa | |
| in der Industrie. Keine dieser Techniken steht derzeit in großem Maßstab zu | |
| bezahlbaren Preisen zur Verfügung. Niemand weiß, welche Ökoschäden sie | |
| anrichten könnten. | |
| Klimaschützer haben die Debatte um „negative Emissionen“ lange gescheut. | |
| Ihre Angst: Damit werde etwa der Kohleindustrie eine Hintertür für den | |
| Weiterbetrieb geöffnet. „Es gibt keine breite politische Debatte über | |
| dieses Thema“, kritisiert Oliver Geden, der für die Stiftung Wissenschaft | |
| und Politik zu dem Thema forscht. Zwar gebe es Pilotprojekte in den USA, | |
| Schweden, Norwegen und Großbritannien, aber eine Debatte über Chance und | |
| Risiken stehe noch aus. | |
| Die Klimaszene ist gespalten. Während manche fest davon ausgehen, ohne CDR | |
| sei das Klimaproblem nicht zu lösen, warnen andere davor, eine Technik zu | |
| fördern, ohne sich über die Folgen klar zu sein. | |
| Die Kritik ist noch breiter: In allen Modellen des Klimarats IPCC würde ein | |
| ewiges Wirtschaftswachstum angenommen, heißt es etwa in dem Papier | |
| „Wachstum – ein blinder Fleck“, das die Grünen-nahe Böll-Stiftung | |
| herausgibt. „Die Annahme von Wachstum bis 2100 ist aber unrealistisch, weil | |
| es die natürlichen Grundlagen zerstört“, heißt es. Negative Emissionen | |
| dagegen seien vielleicht gar nicht nötig, wenn man über Schrumpfung der | |
| Wirtschaft rede – und zwar in besonders CO2-intensiven Bereichen wie | |
| Rüstung, Fleisch, Auto- und Flugverkehr. | |
| 8 Oct 2018 | |
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| [1] /Neuer-Bericht-des-Weltklimarats/!5541911 | |
| ## AUTOREN | |
| Bernhard Pötter | |
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