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# taz.de -- Neue Fake-News-Talkshow in Russland: Nein, das ist keine Satire
> Ein Parlamentarier moderiert eine Talkshow im Ersten Kanal des russischen
> Fernsehens. Fakten verdreht er genauso wie Kollegen vom Zweiten Kanal.
Bild: Pjotr Tolstoi ist Politiker und Talkshow-Moderator in Russland
Konsumenten staatlicher russischer Fernsehprogramme sind ja einiges
gewohnt. Aber es geht offensichtlich immer noch etwas niveauloser und
unappetitlicher. Seit Mitte Oktober beglückt Pjotr Tolstoi, ein Nachkomme
des Schriftstellers Lew Tolstoi, mit seiner Talkshow „Tolstoi Sonntag“ auf
dem Ersten Kanal (Perwy Kanal) die Zuschauer.
Der Fernsehmann, der im Nebenberuf auch noch Vizepräsident der Staatsduma
(Unterhaus des Parlaments) und Leiter der russischen Delegation der
Parlamentarischen Versammlung des Europarats ist, kübelt in einer Art und
Weise, die ihresgleichen sucht. Dabei arbeitet sich das Mitglied der
Präsidenten-treuen Partei „Einiges Russland“, wie könnte es auch anders
sein, bevorzugt an der Ukraine ab.
Die Erkenntnisse von Tolstoi, dem bereits mehrfach Antisemitismus
vorgeworfen wurde, sind so neu nicht. Vor allem seit der
völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland sowie dem Ausbruch
des Krieges in der Ostukraine 2014 gehören sie zum festen Bestandteil
staatlicher Propaganda, der den RussInnen nonstop eingehämmert wird: Die
Ukraine sei ein Teil der russischen Welt, sie sei kein Land, sondern
lediglich ein Territorium.
Die Ukraine habe einen Krieg gegen die eigene Nation begonnen, sie sei ein
Nazistaat, ja eine Nazidiktatur und werde von einer profaschistischen
Elite regiert.
## Der Untergang Europas sei „herrlich“
Angesichts derartiger Anwürfe drängt sich unweigerlich der Eindruck auf,
dass der Erste Kanal sich anschickt, in Sachen faktenverdrehender
Berichterstattung dem zweiten Staatssender Rossija 1 Konkurrenz zu machen.
Doch bei Dmitri Kiselew („Nachrichten der Woche“) und Wladimir Solowjow
(„Sonntagabend“) dürfte das so einfach nicht werden. Denn auch diese beiden
Talkmaster nehmen die Ukraine mit ähnlich abstrusen Behauptungen regelmäßig
auseinander.
Zumindest Solowjow im maßgeschneiderten Anzug und mit hochpreisiger
Armbanduhr bemüht sich jedoch, ein etwas umfassenderes Portfolio
anzubieten. Es ist schon ganz großes Kino, wenn sich der Einpeitscher
Solowjow, in dessen Talkrunden sich hin und wieder auch einmal eine
kritische Stimme verirrt, über Europa hermacht.
So sei es doch herrlich, bekannte er im Frühjahr vergangenen Jahres in
einer seiner Sendungen, Europa dabei zuzusehen, wie es langsam, aber sicher
verfaule. Die Wahlen in den Niederlanden seien das Viertelfinale, die in
Frankreich das Halbfinale. Im Herbst werde das Finale in Deutschland
gespielt, sagte er mit Blick auf die Abstimmungen in den drei Ländern –
eine Botschaft, die keine Fragen offen ließ.
## Der Kreml braucht das Fernsehen
Seit einigen Monaten moderiert er eine neue Sendung mit dem Titel „Moskau –
Kreml – Putin“. Das wöchentliche Format ist eine einzige Lobhudelei auf den
großen „Lider“ der Nation, Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Wüsste …
nichts über die Realitäten im russischen Staatsfernsehen, könnte man das
Ganze glatt für eine Satire-Sendung halten.
Doch lustig ist hieran leider gar nichts. Auch Igor Jakowenko, ehemaliger
Generalsekretär des russischen Journalistenverbands und früher
Parlamentsabgeordneter, ist das Lachen schon lange vergangenen. Das Umfeld
der Hasskanäle sei in einer Krise, schreibt er auf seinem Blog zu der neuen
Talkshow „Tolstoi Sonntag“.
„Die Kanäle müssen den Grad des Hasses ständig erhöhen und sich immer neue
Provokationen ausdenken, um den Hass anzustacheln.Zur gleichen Zeit wird
die Kluft zwischen dem Geschehen im Fernsehen und dem, was die Mehrheit der
russischen Bevölkerung interessiert, immer fassbarer. Es scheint, dass die
Zeit, wo ein Land mithilfe des Fernsehens regiert werden konnte, ihrem Ende
entgegen geht. Aber andere Instrumente hat der Kreml nicht.“
Fragt sich nur, ob Jakowenko mit dieser Einschätzung richtig liegt. Denn
zumindest auf dem Land und an der Peripherie ist das Fernsehen immer noch
die wichtigste Informationsquelle. Und derzeit läuft es doch ganz gut.
Noch! Daher: Fortsetzung folgt!
24 Oct 2018
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Ukraine
Einiges Russland
Kreml
Krim
Zensur
Russland
Medien
Kreml-Kritiker
Ukraine
Schwerpunkt Russia Today
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