# taz.de -- Thriller mit großer Starbesetzung: Hommage an die Sechziger | |
> In Drew Goddards „Bad Times at the El Royale“ passieren krumme Dinger | |
> zwischen zwei US-Staaten. Beim Gucken wünscht man sich, dass alles gut | |
> wird. | |
Bild: Die Soulsängerin (Cynthia Erivo) bedroht in „Bad Times at the El Royal… | |
Ein schäbiges Hotelzimmer, die Einrichtung stammt aus der Mitte des 20. | |
Jahrhunderts. Ein Mann im Regenmantel betritt den Raum, legt seine Taschen | |
ab, verriegelt die Tür, zieht die Vorhänge zu, legt eine Waffe aufs Bett. | |
Dann beginnt er die Möbel im Raum herumzuschieben, rollt den Teppich auf, | |
löst Bodenplanken aus ihrer Befestigung. Er will was verstecken. Nach | |
getaner Arbeit erscheint ein anderer Mann in der Tür und schießt den ersten | |
tot. | |
Mit dieser im Schnelldurchlauf und in ruckartigen Schnitten erzählten | |
Exposition beginnt „Bad Times at the El Royale“, die zweite Regiearbeit des | |
US-amerikanischen Filmemachers Drew Goddard. Ein so trockener wie | |
mysteriöser Auftakt. Der Film, der danach um zehn Jahre in die Zukunft | |
springt, wird seinen Handlungsort, das Hotel El Royale, nur für kurze | |
Momente verlassen. Von einigen Rückblenden abgesehen, spielt er fast | |
ausschließlich an einem Tag im Jahr 1969. | |
Auf dem Parkplatz des Hotels treffen ein alter Pastor (Jeff Bridges) und | |
eine mit reichlich Gepäck beladene jüngere Frau (Cynthia Erivo) | |
aufeinander, begrüßen sich. Er stellt sich vor als Father Daniel Flynn, sie | |
heißt Darlene Sweet. Zwischen ihnen verläuft auf der Erde eine Grenze, wie | |
man der Schrift auf den Pflastersteinen entnehmen kann. Er steht in Nevada, | |
sie in Kalifornien. Was Anlass zu Scherzen gibt: „Wie ist denn das Wetter | |
so in Kalifornien?“ | |
Auch im Inneren des Hotels verläuft die Grenze, das El Royale wirbt | |
ausdrücklich mit seiner Eigenheit, ein Zwei-Staaten-Hotel zu sein. Noch | |
schöner als dieser Gimmick ist aber die Lobby. In liebevoll hergerichteter | |
Sechziger-Jahre-Ausstattung mit blauem Teppich, futuristisch geformten | |
Plastiklampen an der Decke und ausladenden Feuerschalen, die von Ketten | |
hängen, dazu eine Jukebox in einem bogenförmigen Erker, zu dem kreisförmige | |
Treppenstufen hinaufführen. Zu sehen gibt es da reichlich Erfreuliches. | |
## Ausgiebiger Gebrauch der Jukebox | |
Zu hören ebenso. Der Film macht ausgiebig Gebrauch vom Angebot der Jukebox, | |
lässt eine Soul-Platte nach der anderen abspielen. Irgendwann wird auch | |
Deep Purples früher Hit „Hush“ von 1968 die Auswahl abrunden. Wie überhau… | |
die Sechziger in allen möglichen Anspielungen im Film auftauchen. Im | |
Fernsehen spricht Richard Nixon über den Vietnamkrieg. Irgendwann taucht | |
sogar ein Guru-Typ auf, der maskulin-grausame Sektenführer Billy Lee (Chris | |
Hemsworth), in dessen Figur die große Negativ-Pop-Figur der Dekade, Charles | |
Manson, überdeutlich zu erkennen ist. | |
Viele gute Ansätze mithin, wenn man so möchte. Auch das Hotel bietet einige | |
Überraschungen. Die werden von einem weiteren Gast, dem | |
Staubsaugervertreter Seymour „Laramie“ Sullivan entdeckt. Der entfernt, in | |
seiner Suite angekommen, erst einmal eine Reihe von Wanzen, die hinter den | |
Schaltern versteckt sind. | |
Jon Hamm, dessen Erscheinungsbild in dieser Rolle ein wenig an seine | |
ikonische Figur des Don Draper aus der Serie „Mad Men“ denken lässt, gibt | |
diesen typischen US-amerikanischen „Saubermann“ mit schwatzhaftem Schneid | |
und einigen unsympathischen Eigenschaften: Der Afroamerikanerin Darlene | |
Sweet gegenüber etwa bemerkt er, sie kenne ja wohl Frauen, die mit seinem | |
Warensortiment etwas anzufangen wüssten, womit er suggeriert, die würden | |
als Reinigungskräfte arbeiten. | |
Einige der Figuren werden sich im Verlauf der Geschichte, wie es sich für | |
einen Thriller gehört, als etwas anderes herausstellen, als ihre | |
öffentliche „Rolle“ glauben machen soll. Auch bei der Hippiefrau Emily | |
Summerspring (herb: Dakota Johnson), die wortkarg ihr Zimmer einfordert und | |
wenig Kontakt mit den anderen Gästen sucht, gibt es eine erstaunliche | |
Wendung. Sie schleppt, als sie sich unbeobachtet wähnt, eine gefesselte | |
Frau in ihr Zimmer, verteilt ein mittelgroßes Waffenarsenal im Raum und | |
verweilt in Alarmbereitschaft. | |
## Der Zimmerspiegel ist ein „Venezianischer Spiegel“ | |
Ohne zu viel verraten zu wollen: Sie ahnt nicht, dass ihr Zimmerspiegel ein | |
„Venezianischer Spiegel“ ist wie in einem Polizeiverhörraum und sie von | |
einem versteckten Gang aus beobachtet wurde. Wer die entführte Frau ist, | |
erfährt man hingegen erst ein paar Schritte später. Nur so viel sei an | |
dieser Stelle preisgegeben: Die Entführung wird für einige Komplikationen | |
und eine Erweiterung des Personals in diesem ansonsten übersichtlich | |
besetzten Kammerspiel sorgen. | |
„Bad Times at the El Royale“ hat eine Menge Zutaten, die einen tollen Film | |
ergeben könnten. Neben der Ausstattung und der an Quentin Tarantinos „Pulp | |
Fiction“ gemahnenden Verweis- und Zitatenfreude liefern die Darsteller | |
überzeugende Leistungen. | |
Jeff Bridges gibt seinen von ersten Demenzerscheinungen geplagten Pfarrer | |
mitleiderregend gebrochen-abgeklärt, Cynthia Erivo verkörpert eine von den | |
Gepflogenheiten des Musikgeschäfts glaubhaft frustrierte Soulsängerin, und | |
Lewis Pullman in der Rolle des von Traumen geplagten jungen Rezeptionisten | |
Miles Miller liefert eine starke Nebenrolle. Ein paar Cameo-Auftritte hat | |
der Film noch als kleine Insider-Scherze im Angebot, darunter der | |
kanadische Regisseur und Schauspieler Xavier Dolan als sympathiefreier | |
britischer Musikproduzent. | |
Was dem Film fehlt, ist eine stringente Inszenierung und ein Drehbuch, dem | |
man sich gern anvertrauen möchte. Das überrascht insofern, als Goddard | |
bisher vor allem als Drehbuchautor in Erscheinung getreten ist. Hier jedoch | |
wird der Plot, der sich durch eine Abfolge von immer neuen Wendungen | |
schraubt, in so zähem Tempo entwickelt, dass die eingangs aufgebaute | |
Spannung sich zusehends verflüchtigt. | |
## Irgendwann wird das Geschehen ziemlich egal | |
Trotz der zunehmenden Dramatik des Geschehens. Was da auf der Leinwand | |
geschieht, wird irgendwann ein bisschen egal, gerät mehr und mehr zu | |
statischen Bestandteilen der Ausstattung. | |
Bei Filmen mit ähnlicher Konstruktion ist so ein klaustrophobisches | |
Hotelsetting schon mal effektiver in Szene gesetzt worden. James Mangolds | |
Thriller „Identity“ von 2003 mit John Cusack in der Hauptrolle zum Beispiel | |
konnte dieselben Grundelemente – ein entlegenes Hotel, eine Reihe zufällig | |
zusammengewürfelter Personen, eine Gewitternacht, die den Kontakt zur | |
Außenwelt erschwert – wesentlich spannender für seine Zwecke nutzen. | |
Dabei wünscht man sich beim Schauen von „Bad Times at the El Royale“ die | |
ganze Zeit, dass alles noch gut wird, nicht, was den Verlauf der Handlung | |
angeht, aber das Schicksal des Films selbst. Denn allein aus dem Hotel mit | |
den Überwachungsspiegeln hätte sich noch so viel mehr machen lassen. | |
Wobei selbst viele der guten Ideen – Cynthia Erivo singt irgendwann den | |
Supremes-Klassiker „You Can’t Hurry Love“ und wird ihr Klatschen dabei zum | |
Überdecken eines anderen Geräuschs nutzen, das für Dritte unerkannt bleiben | |
muss – seltsam unausgeführt und spröde bleiben. Bei fast zweieinhalb | |
Stunden Spielzeit wäre großzügig Gelegenheit gewesen, vieles langsam und | |
dennoch zugleich zwingend zu entwickeln. So bleibt am Ende der Eindruck, | |
der Stilwille habe über alles andere triumphiert und einen Pyrrhussieg | |
errungen. | |
11 Oct 2018 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
Thriller | |
Superhelden | |
Marvel Comics | |
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