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# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Dystopia für Sexarbeiter*innen
> So wie Sonnencreme nicht die Sonne schützt, schützt das
> Prostituiertenschutzgesetz nicht die Prostituierten. Wann endlich
> begreifen das alle?
Bild: Einen Hurenausweis gab es das letzte Mal im Nationalsozialismus
Was wäre, wenn die Bundesregierung morgen entscheidet, dass Journalismus
ein ganz gefährlicher Beruf ist und Journalist*innen sich registrieren
lassen müssen. Um zu verhindern, dass Menschen dazu gezwungen werden, in
Nachrichtenagenturen zu schwitzen, gibt es zusätzlich Zwangsberatungen.
Besteht dort Verdacht, sie würden nicht freiwillig tippen, bekommen sie
keinen J-Ausweis, den sie bei sich tragen müssen, wann immer sie sich einem
Computer nähern, sonst machen sie sich strafbar – auch wenn sie nur einmal
im Jahr etwas veröffentlichen, und auch wenn sie noch nie etwas
veröffentlicht haben und das ihr erster Artikel ist.
Doch Mist. Das ist keine Dystopie. Sondern seit einem Jahr Realität für
Sexarbeiter*innen in Deutschland. Ich komme gerade vom Hurenkongress in
Berlin und kann gar nicht so viel trinken, wie ich heulen möchte.
Einen Hurenausweis gab es das letzte Mal im Nationalsozialismus. Das ist
peinlich, bloß nicht den Politiker*innen, die die Überwachung einer ganzen
Berufsgruppe fröhlich in Kauf nehmen und nach noch mehr Kontrollen – sprich
Razzien – rufen, wenn sie dafür „nur eine einzige Frau vor der
Zwangsprostitution retten“. Tun sie aber nicht, wie die Forschung bereits
[1][vor dem ProstSchutzG] nachgewiesen hat: In den letzten 10 Jahren ist
kein einziger Fall von Menschenhandel durch Kontrollen aufgeflogen. Der
Verein Doña Carmen kommentiert: So wie Sonnencreme nicht die Sonne schützt,
schützt das Prostituiertenschutzgesetz nicht die Prostituierten.
## Bitte Redakteurin durch Prostituierte*r ersetzen
Doch zurück zur Anmeldung. Beamter: So, so, Sie sind also Redakteurin der
taz? Wie viele Leute arbeiten denn für sie? Redakteurin: Wir haben einen
Pool an Autor*innen. Beamter notiert „ist Arbeitgeberin von 50 bis 100
Angestellten“ und leitet das an die Steuerbehörde weiter, die daraufhin das
Jahreseinkommen schätzt.
Bitte Redakteurin durch Prostituierte*r ersetzen. Kein Scherz.
Sexarbeiter*innen werden bei der Anmeldung nicht selten gefragt, wie viele
Kunden sie haben (kein *, da Behörden sich keine Kundinnen vorstellen
können), und dann kommt der Brief vom Finanzamt. Solche Fragen sind nicht
legal, aber sie werden gestellt. Ebenso wie Jobcenter gerne den
Hurenausweis sehen wollen oder ihn direkt beim Gesundheitsamt anfordern.
Dabei sind die Beratungen anonym, und Daten dürfen nur weitergeleitet
werden, wenn Gefahr im Verzug ist, und damit ist nicht die Gefahr gemeint,
Hartz IV auszahlen zu müssen.
Deshalb fordere ich: Wenn eine Berufsgruppe plötzlich durch ein Minenfeld
von legalen Fallstricken navigieren muss, muss sie auch Anspruch auf legale
Unterstützung haben. Und zwar von Jurist*innen, denen sie vertrauen. Und
auf Kosten des Staates, der diese Anmeldung obligatorisch gemacht hat.
Schließlich geht es hier um Schutz von und nicht vor Prostituierten.
1 Oct 2018
## LINKS
[1] /BVerfG-zu-Prostituiertenschutzgesetz/!5525185
## AUTOREN
Mithu Sanyal
## TAGS
Prostitution
Sexarbeit
Zwangsprostitution
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Prostituiertenschutzgesetz
Duden
Schwerpunkt Rassismus
Mithulogie
Mithulogie
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