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# taz.de -- Demo gegen Labour-Antisemitismus: Englische Ironie
> In der Labour-Partei gibt es einen Antisemitismus-Skandal nach dem
> anderen. Nun protestierten hunderte Juden und Unterstützer dagegen.
Bild: Labour soll sich entschuldigen und auf den richtigen Weg zurückkehren, v…
Manchester taz | Mitten im Regen unter den rund 1.500 jüdischen
Demonstranten, die in Manchesters Memorial Park gegen Antisemitismus
demonstrieren, steht ein kräftiger Mann mit roten Haaren und Bomberjacke.
Der 38-Jährige aus Manchester heißt Dave Ewans. „Ich bin hier mit meinen
Kumpels, nicht weil ich Jude bin, sondern weil ich schon ewig der
antirassistischen Bewegung angehöre. Wir haben beschlossen, heute aus
Solidarität zu kommen.“
Für Sonntag, eine Woche vor dem Parteitag der britischen Labour-Partei,
hatten zwei britisch-jüdische Organisationen, der jüdische Dachverband
Board of Deputies und die Vereinigung jüdischer Gemeinschaftsführer Jewish
Leadership Council, zum Protest gerufen. Die beiden gelten mehr oder
weniger als offizielle Stimme der britischen Juden.
Schon im April hatten die beiden Gruppen zu einer Protestveranstaltung vor
dem Parlament in London aufgerufen. Die Demonstration führte zu einem
monatelangem Streit um Antisemitismus in der Labour-Partei. In der Folge
jagte ein [1][Skandal nach den nächsten]. Auch jetzt, zwei Wochen nach der
[2][Verabschiedung einer Definition von Antisemitismus] gemäß der
International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) durch die
Parteiführung, scheint die Krise keineswegs beendet.
Liz Arif-Fear, Muslimin aus Süd-London, ist extra nach Manchester gereist,
um sich solidarisch mit jüdischen Menschen zu zeigen. Es sei jedoch keine
vollkommen positive Erfahrung gewesen, gesteht sie. Ein jüdischer
Sicherheitsbeamter habe ihre Tasche durchsucht. Sie glaubt, dass er sie aus
der Menge zog, weil sie als einzige in der Menge ein Kopftuch trug: „Ich
verstehe das zwar irgendwie, aber es schmerzt.“ Dennoch ist sie sich im
Klaren, warum sie kommen wollte: „Ich spüre und erlebe eine antisemitische
Unterströmung in der britischen Gesellschaft und wollte mich dagegen
äußern.“
## Patriotismus und englische Ironie
Arif-Fear, 30, [3][die unter „Voice of Salam“ bloggt], glaubt, dass der
steigende Antisemitismus Teil der gesellschaftlichen Polarisierung ist, in
der auch der Islam als Problem erscheint. Auf der Veranstaltung im Memorial
Park war sie jedoch nur eine von wenigen nicht-jüdischen Personen. Das ist
schlecht, bedauert sie, „denn gemeinsam könnten wir gegen diese
rassistischen, islamophoben und antisemitischen Störtendenzen besser
ankommen.“
Ewans erzählt, dass auch er persönlich Antisemitismus gegen Juden
beobachten konnte, vor allem in den sozialen Medien: „Viel davon liegt im
Bereich der Verschwörungstheorien.“ Auch Labourchef Jeremy Corbyn habe
Aussagen gemacht, die in diese Richtung gingen, beispielsweise als er nach
einem Bombenanschlag in Ägypten mutmaßte, Israel stünde dahinter. „Von
Labour, anders als von anderen Parteien, erwarte ich Besseres“, sagte er.
Auch ein Repräsentant der Kommunistischen Liga, die auf der Demo einen
Stand aufgebaut hat, kritisiert Labour.
Die Rednerbühne selbst wird von zwei riesigen Union Jacks geschmückt. Um
den britischen Charakter zu untermalen, wurden kleine Fahnen auch unter den
Anwesenden verteilt, die sich mit Plakaten mit Davidsternen und einigen
Israelflaggen vermischen.
Wieso dieser Patriotismus? Im August kam an die Öffentlichkeit, dass Corbyn
im Jahr 2013 von „Zionisten, die wahrscheinlich ihr gesamtes Leben in
Großbritannien lebten“ sprach, und sie beschuldigte, weder Geschichte noch
englische Ironie zu verstehen. Nicht nur die Union Jacks sollten dem nun
widersprechen, viele der Redner begannen ihre Ansprachen absichtlich mit
ironischen Bemerkungen.
## Kurz vor Jom Kippur
Zu Beginn der Protestaktion erinnerte einer der Sprecher an eine Reihe von
antisemitischen Kommentaren und Aufdeckungen der letzten drei Monate. In
ihnen hieß es beispielsweise, dass Antisemitismus-Vorwürfe nur eine
Verleumdungskampagne seien oder von Israel gesteuert würden oder dass es
sich um böswillige Haltungen von fanatischen Juden und Blair-Unterstützern
handele. Es gab sogar Lob für Jeremy Corbyn von Seiten des ehemaligen Grand
Wizards des Ku Klux Klan, David Duke, und des ehemaligen Führers der
rechtsextremen Partei Nick Griffins für seine Worte über Juden.
Die Präsidentin des Dachvereins Board of Deputies, Marie van der Zyl, gab
sich in ihrer Ansprache frustriert über den gerade vergangenen Sommer und
verlangte, dass Corbyn sich entschuldigen solle und Verantwortung für seine
eigenen Taten übernehmen müsse. Die Partei solle endlich handeln.
Die Beifügung einer Präambel zur Adoptionserklärung der IHRA-Definition von
Antisemitismus wurde nicht nur von ihr kritisiert. Alle Sprecher waren sich
einig, es fehlten vor allem Taten hinter den Worten der Partei. Allen voran
viel hierbei Ephraim Mirvis auf. Mirvis ist Hauptrabbiner der
britisch-jüdischen Gemeinschaft.
Der Zeitpunkt seiner Ansprache, genau wie der der Veranstaltung konnte
dabei, rein jüdisch gesehen, nicht bedeutender gewesen sein. Der jüdische
Kalender steht nämlich kurz vor dem Feiertag Jom Kippur, der am
Dienstagabend beginnt. Hier wollen jüdische Menschen auf den richtigen Weg
zurückkehren.
Das sollten auch Labour und Jeremy Corbyn tun, verlangte Mirvis. „Wir sind
eine starke und resistente britisch-jüdische Gemeinschaft. Wir werden uns
nicht verängstigen lassen oder leise werden“, warnte Mirvis.
## Hoffnung, dass die Protestaktion wirkt
Die Veranstaltung, bei der neben konservativen Politikern auch die in den
letzten Monaten gemobbten und antisemitisch beschimpften
Labour-Abgeordneten Margarete Hodge und Louise Ellman sprachen, wurde mit
einem Gebet des Hauptrabbiners sowie mit der israelischen und britischen
Nationalhymne beendet.
Lara, 33, eine orthodoxe Mutter aus Sheffield mit rosa-farbenem Kopftuch,
hofft, dass die Protestaktion etwas bewirkt hat. Sie spricht offen von
ihrer Angst: „Ich wurde vor 14 Tagen gegenüber von meinem Haus und vor
meinen Kindern als Jüdin verbal angegriffen.“
Antisemitische Vorgänge in Großbritannien verbuchen momentan Rekordzahlen.
85 Prozent aller britisch-jüdischen Menschen halten sowohl Labour als auch
Parteichef Corbyn für antisemitisch. „Corbyn hat es geschafft die Juden zu
vereinen.“ Wenn das nur nicht ironisch gemeint war.
17 Sep 2018
## LINKS
[1] /Krise-in-Grossbritanniens-Arbeiterpartei/!5530014
[2] /Britische-Labour-Partei-in-der-Kritik/!5521085
[3] https://voiceofsalam.com/author/eafear/
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn
## TAGS
Labour
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Antisemitismus
Schwerpunkt Angela Merkel
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BDS-Movement
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Antisemitismus
Jeremy Corbyn
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