# taz.de -- Verhaftete Geflüchtete auf Lesbos: Nicht ohne Sarah | |
> Sarah Mardini wurde berühmt, als sie auf ihrer Flucht ein Boot rettete. | |
> Nun wurde sie wegen Schmuggels verhaftet. Ihre Freundin kämpft für ihre | |
> Freilassung. | |
Bild: Jede freie Minute verbrachten Sarah Mardini (rechts) und Claudia Drost au… | |
LESBOS taz | Es ist sechs Uhr morgens, am Flughafen in Lesbos hält Sarah | |
Mardini ihr Ticket schon in der Hand. Gleich soll ihr Flug nach Berlin | |
gehen. Nach neun Monaten als ehrenamtliche Flüchtlingshelferin auf Lesbos | |
will sie ihr Studium dort wieder aufnehmen, sie will in ihr Leben in | |
Deutschland zurückkehren. Doch Mardini verpasst ihren Flug. | |
Drei Polizisten in Zivil treten auf sie zu, fordern sie auf, mitzukommen. | |
Mardini drückt ihrer Freundin, die sie zum Flughafen gebracht hat, die | |
Transportbox mit ihrer Straßenkatze Rosa in die Hand. Eigentlich wollte sie | |
die Katze, frisch geimpft, mit nach Deutschland nehmen. „Dreimal am Tag | |
füttern“, sagt sie nun, als wäre es das Einzige, was gerade ihre Gedanken | |
ordnen kann. Dann wird sie von den Polizisten abgeführt. In einem Auto mit | |
verdunkelten Scheiben wird sie zur örtlichen Polizeistation gebracht. Der | |
Vorwurf: Menschenschmuggel. | |
Claudia Drost bleibt an diesem Morgen allein am Flughafen zurück. Mit | |
Mardinis Gepäck, der Katze und deren Impfpass. Sie spürt noch den Schatten | |
der letzten Nacht um die Augen – Mardinis Abschiedsparty dauerte lang. Nun | |
ruft Drost gemeinsame Freunde an, um ihnen zu erzählen, was passiert ist. | |
„Die Polizisten sagten, Sarah könne am nächsten Morgen auf Kosten der | |
griechischen Regierung weiterfliegen, falls alles in Ordnung sei“, erzählt | |
sie später. | |
Doch Mardini kommt an diesem 21. August nicht frei und auch nicht in den | |
folgenden Tagen. Ihre Verhaftung sorgt für internationale Schlagzeilen. | |
## Schwimmend das eigene Schlauchboot gezogen | |
Mardini, 23 Jahre alt, wurde mit ihrer eigenen Fluchtgeschichte 2015 | |
berühmt. Ihre Schwester Yusra und sie waren beide professionelle | |
Schwimmerinnen und trainierten vor ihrer Flucht mit dem syrischen | |
Nationalteam. Als bei der Überfahrt zwischen der türkischen Küste und | |
Lesbos der Motor des Schlauchboots ausfiel, ließen sich die beiden | |
Schwestern ins Wasser gleiten und zogen das Boot mit 18 Menschen schwimmend | |
hinter sich her, bis sie die Lichter der Insel sahen. | |
Als die Schwestern Mardini über die Balkanroute im Herbst 2015 schließlich | |
nach Berlin gelangen, werden sie von den deutschen Medien für ihre | |
Rettungsaktion gefeiert. Yusra Mardini darf als Schwimmerin mit einem | |
Flüchtlingsteam an den Olympischen Spielen 2016 in Rio teilnehmen, und | |
beide Schwestern werden im November 2016 mit einem Bambi als „Stille | |
Helden“ geehrt. | |
Bereits ein halbes Jahr nach ihrer eigenen Flucht entscheidet sich Sarah | |
Mardini, das erste Mal nach Lesbos zurückzukehren, um denen zu helfen, die | |
noch immer auf der Insel festsitzen. Seitdem verlässt sie ihr neues Leben | |
in Berlin immer wieder für mehrere Monate, um auf Lesbos als Freiwillige | |
mitanzupacken. | |
Bei ihrer ersten Rückkehr auf die Insel lernt sie Claudia Drost in einer | |
Dönerbude vor dem Flüchtlingsauffanglager Moria kennen. Drost ist dauerhaft | |
auf Lesbos. Sie arbeitet für eine niederländische NGO in dem Lager, ist | |
fest angestellt. Mardini und sie verstehen sich auf Anhieb. Die beiden | |
werden sich später die „hellere“ und „dunklere“ Version voneinander ne… | |
Jetzt sitzt Claudia Drost mit ihrem Computer in einem kleinen Café am Hafen | |
von Mytilini, dem Verwaltungssitz von Lesbos. Die Verhaftung ihrer Freundin | |
hat auch ihr Leben auf den Kopf gestellt. Jeden Tag wartet sie auf einen | |
Anruf von Mardini aus dem Gefängnis, sie leitet Presseanfragen an Mardinis | |
Schwimmtrainer und Vertrauten Sven Spannekrebs in Berlin weiter, versucht | |
möglichst viel öffentliche Aufmerksamkeit zu schaffen. Die ersten Tage nach | |
der Verhaftung ihrer Freundin seien ein Schock gewesen, mittlerweile könne | |
sie wieder schlafen, sagt sie. „Hilft ja nichts, jetzt den Kopf zu | |
verlieren.“ | |
## Die einzige Besucherin | |
Drost ist die Einzige, die es schafft, Mardini während der ersten Tage | |
ihrer Untersuchungshaft auf der Polizeiwache von Lesbos zu sehen. Sie | |
scherzt mit den Wächtern, raucht ein paar Zigaretten mit dem Polizeichef | |
und hält bei der Begrüßung eine Flasche Wasser, frische Unterwäsche und | |
Toilettenpapier in die Luft. Die Polizisten verstehen, dass Mardini keine | |
anderen Angehörigen auf der Insel hat. Drost darf sich vor die Gitterstäbe | |
von Mardinis Zelle setzen. In der kurzen Besuchszeit reden sie über all die | |
Dinge, die sie sonst in den Mittagspausen im Camp besprochen hätten. | |
Mardini teilt sich die Zelle mit zwei anderen Frauen, denen sie ein paar | |
Brocken Englisch beibringt, um die Zeit totzuschlagen. Die Frauen klagen | |
über zu wenig Wasser, zu wenig Essen. Duschen? Nur alle zwei Tage. Am | |
dritten Tag fragt Drost, die mittlerweile einen eigenen Aschenbecher bei | |
den Polizisten auf der Station bekommen hat, was sie denn mit der Katze | |
machen soll. Rosa würde ihr die ganze Wohnung verwüsten, brauche dringend | |
Auslauf. „Ein bisschen wie du“, sagt Drost zu ihrer Freundin. Die beiden | |
müssen lachen. | |
Mardini gibt ihrer Freundin die Adresse einer Frau, die sich um Katzen | |
kümmert. Dann schneidet sie noch ein paar Grimassen hinter dem | |
Gitterfenster, als ihre Freundin gehen muss. Es ist das letzte Mal, dass | |
Drost sie auf der Polizeistation sieht. Einen Tag später wird Mardini in | |
ein Athener Hochsicherheitsgefängnis verlegt. | |
## Schwere Vorwürfe der Staatsanwaltschaft | |
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: Menschenschmuggel, | |
individuelle Bereicherung durch Spenden, Geldwäsche, Spionage und die | |
Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Hat Sarah Mardini damit | |
überhaupt etwas zu tun? Eine 23-jährige geflüchtete Syrerin, die sich | |
ehrenamtlich bei einer NGO engagiert? Oder geht es um einen Schauprozess | |
zur Kriminalisierung von freiwilligen Helfern, wie sie in den letzten | |
Monaten auch in Italien oder Malta geführt wurden? | |
Vor neun Monaten kehrte Mardini zum fünften Mal von Berlin aus nach Lesbos | |
zurück, um ehrenamtlich für die Flüchtlingshilfsorganisation ECRI zu | |
arbeiten. Mardini hätte das Leben einer Studentin in Berlin führen können, | |
mit Freunden ausgehen, die Sicherheit genießen, doch sie konnte Lesbos | |
nicht vergessen. Hunderte freiwillige Helfer versuchen seit Jahren die | |
riesigen Lücken im Versorgungssystem der Auffanglager zu füllen. | |
Viele sind aber keine professionell ausgebildeten Helfer. Sie kommen auf | |
der Insel oft an ihre physischen und psychischen Grenzen. Zurück in ihrer | |
Heimat fühlen sich viele weiter mitverantwortlich für die Menschen in Not, | |
und so pendeln sie zwischen der Sicherheit eines mitteleuropäischen Lebens | |
und den Flüchtlingslagern. | |
Nach Mardinis letzter Rückkehr nach Lesbos im Dezember 2017 verbringen sie | |
und Drost fast jede freie Minute zusammen. Sie teilen den gleichen | |
sarkastischen Humor, abends manchmal ein Bett zum Schlafen und in der | |
Mittagspause | |
Zigaretten vor den Containern, des Lagers, in denen sich die Hitze staut. | |
Sie quatschen über Jungs, die Liebe und ihren Traum, nach dem Studium | |
selbst einmal eine Hilfsorganisation zu gründen. | |
## Nur ein kleines Pflaster auf einer großen Wunde | |
Die Freundinnen fühlen sich, als würden sie mit ihrer Arbeit nur ein | |
kleines Pflaster auf eine sehr große Wunde kleben. „Verrückte Welt“, sagt | |
Drost dann zu Mardini. Und die antwortet: „Hey, immerhin sind wir auch Teil | |
dieser Welt.“ | |
Claudia Drost kommt aus Friesland, sie arbeitet seit zwei Jahren auf der | |
Insel für eine kleine niederländische Organisation. Sie gibt Yogakurse für | |
alleinstehende Frauen, begleitet Neuankömmlinge zur medizinischen | |
Erstversorgung und tanzt mit geflüchteten Frauen gegen die Langeweile im | |
Camp. Mardini, einen halben Kopf kleiner als Drost, sagt zu ihrer Freundin, | |
sie sei dafür zuständig, die Herzen zu retten. Und sie, Sarah, sei für die | |
Boote zuständig. | |
Mardini arbeitet tagsüber als Übersetzerin für die Patienten, die in die | |
Tagesklinik der Flüchtlingshilfsorganisation ECRI kommen, abends hilft sie | |
am Strand bei der Erstversorgung der ankommenden Schlauchboote. Zusammen | |
mit ihren Kollegen von ECRI, von denen viele Rettungsschwimmer sind, | |
wickelt Mardini die Ankommenden in Decken, leistet medizinische | |
Erstversorgung und übergibt sie anschließend an das Auffanglager. | |
Nach ihrer Schicht kommt sie oft noch mitten in der Nacht in nassen | |
Klamotten bei Drost vorbei. Doch auch an diesen Abenden, nachdem sie viel | |
Not gesehen hat, reißt sie noch Witze vor dem Schlafengehen. „Richtig | |
niedergeschmettert habe ich sie eigentlich nie gesehen“, sagt Drost. | |
## Tausende leben unter prekären Verhältnissen | |
Seit dem EU-Türkei-Deal im März 2016 leben über 8.000 Menschen unter | |
prekären Verhältnissen im Auffanglager Moria auf Lesbos. Vor dem Abkommen | |
noch als Registrierungslager für 2.300 Menschen geplant, wurden die | |
Ankommenden hier zunächst nur registriert und weitergeschickt. Das sollte | |
höchstens fünf Tage dauern. Heute warten die meisten viele Monate auf ihre | |
Bescheide. | |
Die Vereinten Nationen führen in dem Aufnahmelager schon lange keine | |
Reporter mehr an aufgeräumten Essensausgaben vorbei, wie sie das 2015 noch | |
machten. Europa scheint hier kein Schaufenster der Menschlichkeit mehr zu | |
brauchen. Achtzig Menschen teilen sich in dem Lager eine Dusche, Müllberge | |
breiten sich wie ein riesiger Teppich auf den Hügeln um das Camp herum aus, | |
überall ragen verrostete Rohre aus dem Boden und lassen das Abwasser ins | |
Camp und die umliegenden Felder sickern. Stundenlang stehen die Menschen in | |
engen Korridoren bei der Essensausgabe an. | |
Christiana Kalogirou, Regionalpräfektin der nördlichen Ägäis, stellte | |
der griechischen Zentralregierung nun ein Ultimatum. Bis Anfang Oktober | |
müssten die sanitären Zustände im Camp besser sein, sonst soll Moria | |
geschlossen werden. Die Gesundheitsinspektoren befanden den Zustand als | |
„gefährlich für die öffentliche Gesundheit und die Umwelt“. Doch was bei | |
einer Schließung mit den Menschen vor Ort passieren würde, weiß keiner. | |
## Täglich kommen neue Menschen an | |
Tag für Tag kommen weiter zwischen 150 und 200 Menschen aus der Türkei mit | |
ihren Booten an der Küste an. Froh, dass sie überlebt haben, wissen sie | |
noch nicht, was vor ihnen liegt. Die griechische Hilfsorganisation ECRI | |
operiert seit 2015 als Notfallteam auf der Insel. Sie richtete eine | |
Erstversorgungsklinik in Moria ein. Die meisten Mitarbeiter sind | |
freiwillige Helfer. Sie bekommen kein Geld, nur die Unterkunft wird | |
gestellt. | |
Mit Sarah Mardini sitzen noch zwei weitere Mitarbeiter von ECRI in | |
Untersuchungshaft: der Deutschire Sean Binder, 24, Rettungsschwimmer und | |
Ersthelfer bei Such- und Rettungsaktionen der Organisation, und der Grieche | |
Nassos Karakitsos, Field Director und Leiter des Such- und | |
Rettungsdienstes. Panos Moraitis, Gründer von ECRI, war nach der Verhaftung | |
der drei Mitarbeiter am 21. August nur schwer zu erreichen. Er wollte sich | |
erst einmal mit seinem Anwalt besprechen, sagt er der taz am wochenende am | |
Telefon, als er schließlich zurückruft. | |
Er könne sich nicht erklären, wie die griechische Regierung auf derart | |
schwerwiegende Vorwürfe wie Menschenschmuggel, individuelle Bereicherung | |
durch Spenden, Geldwäsche, Spionage und Mitgliedschaft in einer kriminellen | |
Vereinigung kommen konnte. | |
Moraitis, der die Organisation 2015 mit nur einem Rettungsboot und einem | |
Jeep als temporäre Hilfsorganisation ins Leben gerufen hatte, will sich in | |
den nächsten Tagen der griechischen Polizei stellen. Auch gegen ihn liegen | |
schwerwiegende Vorwürfe vor. Auf die Frage, warum er sich nicht früher bei | |
der Polizei gemeldet habe, sagt er: „Meine Anwälte und ich sind zu dem | |
Entschluss gekommen, erst eine angemessene Rechtsverteidigung | |
vorzubereiten, nachdem wir gesehen hatten was mit den Mitarbeitern der | |
Organisation passiert ist, die sich der Polizei stellten.“ | |
Die Vorwürfe seien „ungeheuerlich“. Die Polizei habe „zufällige Ereigni… | |
miteinander verknüpft und daraus „unhaltbare Schlüsse“ gezogen, sagt | |
Moraitis. | |
## Ein verhängnisvolles Autokennzeichen | |
Die Anklage fußt auf einer sechsmonatigen Ermittlung der griechischen | |
Polizei. Laut Polizei-Mitteilung soll ECRI zum ersten Mal im Februar 2018 | |
verdächtig geworden sein. Damals wurde bei einer Fahrzeugkontrolle am | |
Dienstwagen von Sean Binder und Sarah Mardini ein zweites, militärisches | |
Kennzeichen unter dem griechischen Nummernschild gefunden. | |
„Sarah und Sean hatten keine Ahnung davon“, sagt Claudia Drost dazu. „Die | |
Organisation hatte einen Vierrad-Antrieb-Truck von einem griechischen | |
Privatmann abgekauft, der das alte Nummernschild mit einem neuen überdeckt | |
haben muss.“ Die Polizisten beschlagnahmten daraufhin Handys und Laptops | |
der Helfer, und sie mussten mit auf die Polizeistation kommen. Nach 48 | |
Stunden werden sie aber wieder freigelassen. | |
In den folgenden Monaten hören weder die Führung von ECRI noch Mardini oder | |
Binder etwas von der Polizei. Erst nach der Verhaftung von Mardini und | |
Binder im August erklären die Ermittler in einem ungewöhnlich langen | |
Statement, dass sich die Verdächtigen mit verschlüsselten | |
WhatsApp-Nachrichten über die Migrationsrouten im Mittelmeer verständigt | |
und den Funkverkehr der Küstenwache abgehört hätten, um Menschen so illegal | |
über die nordöstlichen Ägäischen Inseln nach Griechenland zu bringen. | |
Auf diesen Vorwurf antwortet ECRI-Chef Panos Moraitis: „Von Anfang an haben | |
wir mit der Küstenwache und der Europäischen Grenzbehörde Frontex | |
zusammengearbeitet. Das haben wir immer transparent offengelegt.“ | |
## In Berlin, nicht auf Lesbos | |
Auch Sarah Mardini bestreitet alle Vorwürfe, die von der griechischen | |
Justiz gegen sie erhoben werden. An vielen der Tage, die von der Polizei | |
genannt werden, um sie des Menschenschmuggels zu bezichtigen, sei sie nicht | |
einmal auf Lesbos gewesen, sondern in Deutschland. Professoren ihrer | |
Universität in Berlin bezeugen dies, das Bard College Berlin hat | |
Anwesenheitslisten an ihren griechischen Anwalt geschickt, um Mardinis | |
Aussage zu stützen. | |
Die Richter entscheiden jetzt, ob Mardini in U-Haft bleibt oder sie bis zum | |
Prozessbeginn freigelassen wird. Und ob sie dann das Land verlassen darf | |
oder unter Meldeauflagen in Griechenland bleiben muss. Bis zur Eröffnung | |
eines Hauptverfahrens können nach griechischem Recht bis zu 18 Monate | |
vergehen. | |
Am 11. September wurde der erste Einspruch von Mardinis Anwalt vor Gericht | |
abgelehnt, deshalb sitzt sie weiter im Gefängnis. | |
## ECRI ist zerschlagen | |
Ein Ergebnis hatte die Verhaftung der drei ECRI-Mitarbeiter aber schon: | |
Laut einer offiziellen Stellungnahme der Organisation wurden alle ihre | |
Aktivitäten am 17. September eingestellt, ECRI ist zerschlagen. Nur noch | |
ein paar Freiwillige sollen sich auf eigene Faust im Camp befinden. | |
Es ist Abend geworden in Mytilini, die Mädchen von den Bars ziehen sich den | |
Lippenstift nach. Ein älteres Ehepaar läuft Hand in Hand durch die kleinen | |
Gassen. Dicht gefolgt von ein paar Motorrollern, die durch die Straßen | |
knattern. Claudia Drost kommt gerade aus Moria zurück. Das Flüchtlingscamp, | |
drei Kilometer Luftlinie entfernt, scheint hier weit weg. Doch Drost hat | |
noch den Müll- und Abwassergeruch in der Nase. | |
Sie lässt sich in einen Plastikstuhl vor einer der Bars fallen und spielt | |
eine Audio-Nachricht von Sarah Mardini ab: „Mir geht es gut. Ich hab dich | |
lieb“, sagt die Freundin. Zu dem Zeitpunkt der Nachricht saß Mardini | |
bereits acht Tage in dem Athener Hochsicherheitsgefängnis in Haft. | |
Drost blickt auf, zündet sich eine Zigarette an. „Ich glaube, wenn sie | |
etwas anderes sagt, bricht sie zusammen.“ Nach einer Pause fügt sie hinzu: | |
„Aber eine andere Antwort kann ich mir von Sarah auch gar nicht | |
vorstellen.“ | |
24 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Franziska Grillmeier | |
## TAGS | |
Lesestück Recherche und Reportage | |
Schwerpunkt Flucht | |
Lesbos | |
Griechenland | |
Schwerpunkt Flucht | |
Italien | |
Griechenland | |
Syrische Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Prozess gegen Flüchtlingsaktivist:innen: Auf die Hilfe droht die Haft | |
In Griechenland stehen ab Donnerstag 24 Flüchtlingshelfer:innen vor | |
Gericht. Darunter sind der Ire Seán Binder sowie die Syrerin Sarah Mardini. | |
Flucht über griechischen Fluss Evros: Nur 50 Meter | |
Der Evros bildet die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Rund | |
13.000 Geflüchtete überquerten ihn auf ihrem Weg in die EU in diesem Jahr. | |
Flüchtlingshilfe in Süditalien: Engagierter Bürgermeister verhaftet | |
Domenico Lucano ist für seine Politik bekannt und mit Preisen geehrt | |
worden. Nun wird ihm „Begünstigung der illegalen Einwanderung“ vorgeworfen. | |
Flüchtlingslager in Griechenland: Sogar Sechsjährige erwägen Suizid | |
Zwar kommen weniger Flüchtlinge auf die griechischen Inseln. Im Lager auf | |
Lesbos herrschen dennoch katastrophale Bedingungen. | |
Schwimmende Flüchtlingshelferin: Sara Mardini festgenommen | |
Die Syrerin Sara Mardini rettete bei ihrer Flucht nach Deutschland über ein | |
Dutzend Menschen. Nun wurde sie in Griechenland inhaftiert. | |
Syrische Schwimmerin träumt von Rio: In ihrem Element | |
Yusra Mardini schwimmt im Team der Refugee Olympic Athletes. Ihre härteste | |
Prüfung hatte sie vor der griechischen Insel Lesbos. |