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# taz.de -- Berlin während des Erdoğan-Besuchs: Türkische Gitter
> Für den Staatsbesuch werden Teile der Stadt komplett gesperrt. Vom
> Protest soll der Autokrat nichts mitbekommen.
Bild: So sah es am Tiergarten beim Obamabesuch vor knapp zwei Jahren aus
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan kommt am Donnerstag
nach Berlin und erhält, wie zuletzt US-Präsident Barack Obama das ganz
große Sicherheitspaket: Scharfschützen, Sicherheitskonvoi und
Straßensperrungen.
Straßensperrungen?
Ja, und nicht zu knapp: Den Bereich um das Brandenburger Tor, inklusive
Unter den Linden ab Glinkastraße und entlang des Tiergartens vom
Holocaustmahnmal über die Reichstagswiese und den kompletten Spreebogen.
Wie lange wird gesperrt?
Von Donnerstag, 6 Uhr, bis Samstag, 15 Uhr.
Na gut, da müssen ja vielleicht nicht so viele Leute durch.
Na ja. Am Freitag sind auch noch Großer Stern und Teile des Tiergartens bis
Schloss Bellevue und ein größeres Karree am östlichen Ende von Unter den
Linden zwischen Bebelplatz und Dorotheenstraße nicht so ohne Weiteres
zugänglich.
„Nicht so ohne Weiteres“ bedeutet was genau?
Anrainer dürfen in den Bereich, aber nicht mit dem Auto. Die Durchfahrt ist
generell gesperrt. Demonstrationen und Kundgebungen sind untersagt.
Das geht einfach so – alles absperren und verbieten?
Ja, schon. Das kommt nicht so oft vor, da nur wenige Personen als derart
gefährdet angesehen werden, dass man um sie herum großräumig abriegeln
muss. Der im Versammlungsrecht tätige Berliner Rechtsanwalt Michael Lippa
hält die Dauer der Sperrungen schon für ungewöhnlich lang, findet die
Maßnahme aber im Prinzip verhältnismäßig. Kritisch sieht er allerdings,
dass kaum legaler Protest in Hör- und Sichtweite wird stattfinden kann.
Auch Hakan Taș, Mitglied des Abgeordnetenhauses für die Linkspartei,
kritisiert diesen Umstand: „Das ist nicht unbedingt ein Zeichen
demokratischen Umgangs und erinnert eher an die Verhältnisse in der Türkei,
wo unliebsame Demos auch einfach verboten werden.“
Wenn ich nun aber gar nicht demonstrieren will, sondern am Freitag zum
Beispiel Bücher in der Staatsbibliothek Unter den Linden abgeben möchte –
bin ich dann Anrainer?
Theoretisch ja. Es empfiehlt sich auf jeden Fall neben einem
Lichtbildausweis auch den Bibliotheksausweis mitzuführen. Muss so einer
erst neu beantragt werden, vielleicht bis Montag warten oder halt in die
Stabi-West gehen.
Allerdings nicht übers Brandenburger Tor.
Genau. Insgesamt gilt: Wer ein „berechtigtes Interesse“ hat, sich in dem
Bereich aufzuhalten, wird auch durchgelassen.
Wer entscheidet darüber, welches Interesse berechtigt ist?
Die Beamten vor Ort. Ohne Ausweisdokument mit einer Wohnadresse im
gesperrten Bereich wird es in deren Ermessen liegen, was berechtigt ist und
was nicht. Man darf aber davon ausgehen, dass die Handhabung auch ein
bisschen davon abhängen wird, wo sich Erdoğan gerade aufhält. Während er am
Freitag einen Kranz an der Neuen Wache niederlegt, dürfte dort wohl gar
nichts gehen.
Und die Busse? Was ist mit dem famosen Hunderter?
Die BVG meint ganz salomonisch, man müsse sich „auf Einschränkungen
einstellen“. Umleitungen werden relativ ad hoc eingerichtet. Es lohnt sich,
in der App oder auf bvg.de nach aktuellen Meldungen Ausschau zu halten,
wenn man unbedingt durch Mitte muss. Ob öffentlich unterwegs oder privat:
Der Bereich sollte weiträumig umfahren werden.
Hmm, Spandau soll ja auch ganz reizend sein zu dieser Jahreszeit … Wer
veranlasst denn so etwas?
Der Bund. Ist schließlich ein Staatsbesuch. Bundeskriminalamt und
Bundespresseamt entwickeln mit den Berliner Behörden ein
Sicherheitskonzept, und das wird dann umgesetzt.
Und was machen die Leute, die von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machen
und gegen Erdoğan protestieren wollen?
Die können nur hoffen, dass ihr knappes Dutzend Veranstaltungen – auch wenn
sie verlegt werden müssen – genug TeilnehmerInnen haben werden und der
Ministerpräsident sie sich dann in der Lobby vom Adlon im Fernsehen
anschaut.
25 Sep 2018
## AUTOREN
Daniél Kretschmar
## TAGS
Recep Tayyip Erdoğan
Polizei Berlin
Versammlungsrecht
Schwerpunkt Türkei
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