| # taz.de -- Protest gegen Umweltzerstörung: Paddler, die den Prypjat retten | |
| > E40 heißt das Projekt einer Wasserstraße vom Schwarzen Meer bis zur | |
| > Ostsee. In Weißrussland sehen Ökologen den Fluss Prypjat bedroht. | |
| Bild: Ein einzigartiges Rückzugsgebiet für Vögel: der Prypjat in Weißrussla… | |
| Minsk/Kiew taz | Über den flachen Ufern des Prypjat in Weißrussland hängen | |
| schwere dunkelviolette Sturmwolken. Moskitoschwärme und dicke, glänzende | |
| Mücken steigen aus dem Gebüsch auf, als ein paar Protestler – ein Bündnis | |
| von Umweltaktivisten, Fischern und Anwohnern – ihre Kanus aus dem Wasser | |
| ans Ufer ziehen. Sie sind die Windungen des Prypjat entlanggepaddelt, um | |
| ein Projekt zu stoppen, das in ihren Augen einen der letzten natürlichen | |
| Wasserläufe Europas zerstören würde – der außerhalb dieses Winkels des | |
| Kontinents kaum jemandem ein Begriff ist. | |
| Das Projekt nennt sich „Wasserstraße E40“, und es verfolgt ein altes Ziel: | |
| eine Verbindung vom Schwarzen Meer zur Ostsee und damit eine schiffbare | |
| Wasserstraße durch Osteuropa zu schaffen. Von der Hafenstadt Kherson in der | |
| Ukraine durch Weißrussland bis nach Danzig an der Ostsee sind es 2.000 | |
| Kilometer auf Flüssen. Auf einer modernen Route könnten bis zu sechs | |
| Millionen Tonnen Güter pro Jahr transportiert werden. Doch Umweltschützer | |
| sind überzeugt, dass das Projekt zu einer ökologischen Katastrophe führen | |
| würde. | |
| „Die E40 würde elf Naturschutzgebiete in Weißrussland durchschneiden“, | |
| erläutert Olga Kaskevich am Lagerfeuer, auf dem das Essen für 50 hungrige | |
| Protestler zubereitet wird. Sie ist die Leiterin der | |
| Nichtregierungsorganisation Bahna. Die Gruppe hat den Kanu-Protest | |
| organisiert und ist ein wichtiger Partner der „Stoppt die E40!“-Kampagne. | |
| ## Einzigartige Heimat seltener Vögel | |
| „Vögel konnten früher an vielen europäischen Flüssen nisten, aber die sind | |
| für die Schifffahrt umgestaltet worden“, sagt Roman Chlebin, der rothaarige | |
| Leiter der regionalen Abteilung Gomel von Birdlife Weißrussland. Der | |
| Prypjat ist Heimat für seltene Volgelarten wie den Schelladler, den | |
| Bartkauz oder den Seggenrohrsänger. Letztere Art ist durch das E40-Projekt | |
| besonders gefährdet, Birdlife schätzt, dass drei Viertel des weltweiten | |
| Bestandes dieser seltenen Vogelart durch die Bauarbeiten direkt bedroht | |
| wären. „Der Prypjat ist als Durchzugsgebiet äußerst bedeutend“, fährt | |
| Chlebin fort. „Falls dieses Gebiet geschädigt wird, müssen die Vögel neue | |
| Gebiete finden, aber davon gibt es nicht mehr allzu viele.“ | |
| Weißrussland ist ein Binnenland, für das ein Zugang zum Meer wichtig wäre. | |
| 2007 wurde eine Kommission eingesetzt und von der EU mit 900.000 Euro | |
| ausgestattet, um eine Route vom Schwarzen Meer zur Ostsee zu suchen. Ihr | |
| Sekretär ist Andrej Rekesch, ein umgänglicher Mann mit kräftigen Schultern. | |
| „Sie dürfen nicht glauben, dass wir eine Art Panama-Kanal quer durch | |
| Weißrussland bauen wollen“, sagt er mit einem Lächeln in seinem | |
| holzgetäfelten Büro in der kleinen Stadt Pinsk, von dem aus er auf den | |
| Prypjat schaut. Hinter ihm hängt ein großes Foto des weißrussischen | |
| Präsidenten Aleksander Lukaschenko. „Ich bin völlig überzeugt, dass man den | |
| Fluss schiffbar machen kann, ohne dabei die Natur zu beeinträchtigen“, sagt | |
| er und fügt hinzu, dass die Emissionen auf Wasserwegen geringer seien als | |
| auf Straßen oder Schienen. Außerdem sei es Ziel der EU, die | |
| Binnenschifffahrt stärker zu nutzen. | |
| In der Machbarkeitsstudie zu dem Projekt heißt es, dass Schiffe nur dann | |
| auf dem Prypjat verkehren könnten, wenn der Wasserspiegel erhöht und das | |
| Flussbett vertieft würde. Schleusen und Staubecken würden dafür das Wasser | |
| in den Sommermonaten zurückhalten. Rekesch betont, dass man sich bei den | |
| Bauarbeiten an „europäische Praktiken“ halten würde und dass man die | |
| Erfahrungen der Deutschen und Niederländer mit solchen Projekten beachten | |
| müsse. | |
| ## Staustufen ersaufen die Natur oder trocknen sie aus | |
| Aber die deutschen Erfahrungen mit der Regulierung von Flüssen seien nicht | |
| nur positiv, erklärt Zoltan Kuhn von der Zoologischen Gesellschaft | |
| Frankfurt. „Wenn man sich andere Flüsse anschaut, die für die Schifffahrt | |
| reguliert wurden, den Rhein etwa oder die Donau, dann hat man die | |
| Fließgeschwindigkeit erhöht und das Bett vertieft, mit Folgen für die | |
| Vegetation, die umliegenden Lebensräume, das Klima und das Grundwasser“, | |
| sagt Kuhn. | |
| Die E40-Kommission argumentiert, dass durch die Staubecken ja mehr Wasser | |
| zurückgehalten würde. Aber Experten halten die Realität für komplexer. | |
| Oberhalb der Staustufen würde die Umgebung des Flusses feuchter, sagt | |
| Nikolai Scheschko, ein Hydrologe an der Universität von Brest im Südwesten | |
| von Weißrussland. Flussabwärts werde das Wasser hingegen knapper und die | |
| Umgebung trockener werden. | |
| Dramatischer noch wären die Auswirkungen in Polen. Um eine Reihe von | |
| Schutzgebieten am Fluss Bug zu verschonen, soll ein Umgehungskanal gebaut | |
| werden – das teuerste Einzelprojekt des Vorhabens. Birdlife warnt, dass | |
| dies die Wassermenge in den von Inseln durchzogenen Schleifen des Bug zu | |
| einem Rinnsal verringern würde. | |
| Den größten Teil des Winters ist der Prypjat in Eis gefangen. Mit der | |
| Schneeschmelze steigt der Wasserspiegel und der Fluss, der sich in barocken | |
| Schleifen von West nach Ost schlängelt, bevor er in der Ukraine in den | |
| Dnjepr fließt, steigt über seine Ufer. Weißrussland ist eben wie ein | |
| Topfboden, der höchste Punkt liegt gerade 345 Meter über dem Meeresspiegel, | |
| aber der flachste Teil auf dem Weg des Prypjat ist Polesien. Es ist eine | |
| Landschaft mit weitem Himmel und endlosem Horizont, in der kaum etwas den | |
| Wasserfluten Einhalt gebietet. | |
| „Das überflutete Gebiet ist im Frühjahr bis zu 30 Kilometer breit“, erkl�… | |
| Bahna-Aktivistin Kaskevich, während am zweiten Morgen des Protests der | |
| Kasha genannte Haferbrei in zwei Kesseln über dem Lagerfeuer blubbert. (Dem | |
| einen wurde Dosenfleisch hinzugefügt, dem anderen Haribos.) Kaskevich weist | |
| auf die umliegenden Wiesen, aus denen Eichen aufragen, und sagt, dass man | |
| im Frühling mit dem Kanu zwischen ihnen entlangpaddeln kann. „Es sieht | |
| wirklich aus wie am Amazonas“, erzählt sie. | |
| Diese Wasserwildnis ließ raue, unabhängige Dorfgemeinschaften entstehen, | |
| die daran gewohnt waren, von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Die Leute | |
| in Polesien hatten eine eigene Sprache, ein strenger lokaler Dialekt ist | |
| davon geblieben. Auch die Architektur ist ungewöhnlich, mit leuchtend | |
| bemalten Holzkirchen und Häusern, deren Giebel mit sorgfältigen | |
| Holzschnitzereien verziert sind. Oft sieht man das Motiv der Sonne – ein | |
| Hinweis auf eine heidnische Vergangenheit. | |
| ## Zwei Drittel der Feuchtgebiete sind verschwunden | |
| Wir laden unser Gepäck in die aus Sowjetzeiten stammenden Kanus mit ihren | |
| lederbespannten Rahmen und lassen sie in den torfigen, whiskybraunen Fluss | |
| gleiten. Weißflügelseeschwalben und Rotschenkel kreischen über unseren | |
| Köpfen, und die Luft ist erfüllt mit den unheimlichen Schreien von | |
| Kiebitzen. „Weißrussland ist ein Land der Feuchtgebiete“, sagt Kaskevich | |
| und blinzelt in die Morgensonne, „aber wir haben seit den fünfziger Jahren | |
| zwei Drittel der Marschen verloren.“ Die Flächen, die die | |
| Entwässerungsprogramme der Sowjetzeit überlebt haben, sind lebenswichtig | |
| für die Vogelwelt. Die Turau-Wiesen, 100 Kilometer stromaufwärts, gelten | |
| als eines der wichtigsten Rastgebiete für Watvögel. Anderthalb Millionen | |
| von ihnen machen dort im Frühling auf ihrem Weg in die Arktis Halt. | |
| Bahna, die von Kaskevich geleitete Umweltorganisation, kümmert sich vor | |
| allem um die Bewahrung der Feuchtgebiete. Sie gründete die | |
| Umweltschutzgruppe im Jahr 2013 und ist heute eine der bekanntesten | |
| Fürsprecherinnen des Naturschutzes landesweit. In einem Land, in dem | |
| abweichende Meinungen unterdrückt werden, kann das Organisieren von | |
| Protesten gefährlich werden: Mehrere Personen sind nach dem Kanu-Protest | |
| des vergangenen Jahres vom KGB – in Belarus hat der Geheimdienst seinen | |
| Namen behalten – verhört worden. | |
| Aber die „Stoppt die E40!“-Kampagne gewinnt an Fahrt. 26.000 Menschen haben | |
| eine Online-Petition unterzeichnet. Im April schickte der | |
| Unternehmerverband der Regierung einen offenen Brief mit seinen Bedenken | |
| gegen das Projekt. Er betonte, dass sich nur schwere und sperrige Güter | |
| sinnvoll auf dem Wasser transportieren lassen, die Mehrheit der Betriebe in | |
| Weißrussland habe davon keinen Nutzen. | |
| ## Vom Prypjat zum Dnjepr | |
| Das leuchtend orange Schnellboot pflügt durch endloses Schilf. Inseln und | |
| Kanäle reichen bis zum Horizont. Kuhreiher erheben sich in die Luft, und | |
| durch das Dröhnen des Außenborders kann man das metallische Zirpen von | |
| Seggenrohrsängern vernehmen. Wir sind am oberen Lauf des Dnjepr in der | |
| Ukraine, 100 Kilometer nördlich von Kiew und auf dem Weg in die Sperrzone | |
| von Tschernobyl. | |
| Schiffe auf der E40-Route würden hier vom Prypjat in den Dnjepr gelangen. | |
| Früher war die Region ein beliebtes Tagesausflugsziel für Menschen aus | |
| Kiew, aber die Katastrophe von Tschernobyl hat diesen Landstrich voller | |
| Wälder und Marschen in ein unfreiwilliges Versuchsfeld für Rückverwilderung | |
| verwandelt. „Es ist ein einzigartiger Ort auf diesem Planeten“, sagt Denis | |
| Wischnewskij, ein energiegeladener Ökologe im neuen Biosphärenreservat | |
| Tschernobyl. Wir treffen ihn im Außenbüro des Schutzgebiets in Kiew. | |
| „Forscher haben hier einzigartige Möglichkeiten“, begeistert sich | |
| Wischnewskij, „aber unsere erste Priorität ist die Biodiversität. Nirgendwo | |
| sonst lässt sich jegliche menschliche Aktivität fernhalten. Überall sonst | |
| kommt es zu Konflikten mit Landbesitzern oder anderen Einzelinteressen.“ In | |
| Tschernobyl ist eine Fläche von 2.000 Quadratkilometern durch einen | |
| bewachten Zaun geschützt. | |
| Trotz der Radioaktivität hat sich der Wildtierbestand frei von menschlichen | |
| Störungen bestens entwickelt. Studien zeigen, dass es Säugetieren gut geht, | |
| Elche, Bären und besonders Wölfe haben sich vermehrt. „Von Tschernobyl bis | |
| zum Kiewer Meer und dem Rand der Sperrzone liegt ein für Zugvögel wichtiges | |
| Gebiet. Auch für die Reproduktion der Fische. Es ist ein einzigartiges | |
| Feuchtgebiet“, fährt Wischnewskij fort. Er ist überzeugt, dass die | |
| Verschmutzung und die Unruhe, die das E40-Projekt mit sich bringen würden, | |
| den Frieden in der Region brechen würde. | |
| Überall entlang des Prypjat sind weite Sandstrände zu sehen, die man leicht | |
| für den Rand eines Meeres halten könnte. Dieser grobe Sand bedeckt fast den | |
| gesamten Grund des Flussbettes, aber es gibt auch feinere Lehmpartikel, die | |
| nach dem Reaktorunglück mit dem radioaktiven Isotop Cäsium-137 verseucht | |
| worden sind. Kaskjewitsch und andere aus der „Stoppt die E40!“-Kampagne | |
| warnen, dass ein Ausbaggern des Flussbettes diesen radioaktiven Schlick | |
| aufwühlen und ins Kiewer Meer befördern könnte – und damit ins | |
| Trinkwasserreservoir für die 2,8 Millionen Einwohner der ukrainischen | |
| Hauptstadt. | |
| Die Angst sei unbegründet, sagt Wischnewskij vom ukrainischen Schutzgebiet. | |
| Oleg Woitsechowitsch, der Leiter der Abteilung für Strahlungsüberwachung | |
| beim Ukrainischen Hydrometeorologischen Institut, stimmt ihm zu. Quarzsände | |
| „sind nicht fähig, Radionukleide oder andere Schadstoffe zu absorbieren und | |
| festzuhalten“, legt Woitsechowitsch dar. „Mit anderen Worten: Sie sind | |
| sauber. Die Sände am Boden des Flussbetts waren sogar in den ersten Jahren | |
| nach dem Unglück sauber, denn Cäsium-137 steckt vor allem in den Schlick- | |
| und Lehmpartikeln, die sich gar nicht im Flussbett angesammelt haben.“ | |
| Das Institut hat herausgefunden, dass diese belasteten Partikel schon vor | |
| langer Zeit in das Kiewer Meer gespült wurden und von unverseuchten | |
| Ablagerungen als schützender Schicht zugedeckt worden sind. Zudem haben | |
| sich die am stärksten belasteten Schlickteilchen im tiefsten Teil des | |
| Flussbettes angesammelt, wo nach Woitsechowitsch gar keine Ausbaggerungen | |
| geplant sind. | |
| Aber Jan Haverkamp, ein Nuklearexperte von Greenpeace, der ausführlich in | |
| der Sperrzone von Tschernobyl geforscht hat, hält dies für eine unzulässige | |
| Vereinfachung. „Der Prypjat ist kein homogener Flusslauf mit Sandboden, und | |
| nicht aller Schlick landet im Kiewer Meer“, erklärt er mir über Skype. „In | |
| der Überschwemmungsperiode wird frischer Schlick in den Prypjat gespült, in | |
| die Mäander, in Nebenteiche und Flussauen. Vielleicht kann man das nicht im | |
| Trinkwasser von Kiew nachweisen, aber es kann zu höheren Konzentrationen | |
| radioaktiver Isotope in lokalen Nahrungsketten führen“, fügt er hinzu. | |
| ## Ukraine hofft auf Wirtschaftsaufschwung | |
| Die Regierung der Ukraine verfolgt das Ziel, den lange vernachlässigten | |
| Lastenschiffverkehr in Schwung zu bringen und den Dnjepr wie zu | |
| Sowjetzeiten wieder zum Transportweg zu machen. Ein Rahmenplan der | |
| weißrussischen und der ukrainischen Regierung mit dieser Absicht wurde im | |
| vergangenen Dezember unterzeichnet. Alexander Urbansky ist Mitglied des | |
| ukrainischen Parlaments, der Rada, und Leiter des staatlichen Instituts für | |
| Flüsse und Meere. Er erklärt die Bedeutung dieses Vorhabens: „Es liegt ja | |
| auf der Hand: mehr Handelsrouten, mehr Schiffe, mehr Geld.“ Urbansky wurde | |
| in Großbritannien ausgebildet und hat mit Kryptowährungen ein | |
| Millionenvermögen angehäuft. | |
| Die Kosten der Arbeiten am ukrainischen Teil der E40-Route werden auf 31 | |
| Millionen Euro geschätzt, während der Abschnitt in Polen knapp 11,9 | |
| Milliarden Euro kosten soll. In Weißrussland müssten zwischen 96 und 171 | |
| Millionen Euro aufgebracht werden. Bis jetzt ist niemand bereit, diese | |
| Summen bereitzustellen. Die Europäische Investitionsbank und die | |
| Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung erklären, dass sie das | |
| Projekt nur nach intensiver Überprüfung der ökologischen und sozialen | |
| Folgen finanzieren würden. Beide Institutionen haben aber in letzter Zeit | |
| geholfen, umstrittene Wasserkraftprojekte auf dem Balkan zu finanzieren. | |
| Nach Urbanskys Aussagen ist das E40-Projekt auch mit Vertretern Chinas | |
| besprochen worden und könnte Teil der von Peking geplanten „neuen | |
| Seidenstraße“ werden. China hat sich in den vergangenen Jahren sowohl in | |
| der Ukraine als auch in Weißrussland mit größeren Investitionen engagiert, | |
| darunter mit zwei Milliarden Dollar für eine neue U-Bahn-Strecke in Kiew. | |
| Derweil kommt ein entscheidendes Gesetz im Parlament nicht voran. Die | |
| Vorlage 2475a behandelt den Transport auf Binnengewässern in der Ukraine | |
| und ist nach den Worten von Urbansky ein entscheidender erster Schritt zum | |
| Bau von E40. Bei einer Abstimmung im Juni bekam der Entwurf keine Mehrheit, | |
| nun soll er im Herbst den Abgeordneten erneut vorgelegt werden. Zu den | |
| Unterstützern gehört Andrej Wadaturski, der Sohn des Direktors von Nibulon, | |
| einem der größten Getreideproduzenten der Ukraine. Nibulon führt im Jahr | |
| bis zu 4,65 Millionen Tonnen landwirtschaftliche Produkte aus und hat | |
| kürzlich zwei neue Verladeterminals am Ufer des Dnjepr für den Export von | |
| Getreide nach Übersee fertiggestellt. | |
| ## Beginn der Bauarbeiten nicht absehbar | |
| Die Protestfahrt mit den Kanus endet auf einem Strand vor der Stadt Masyr. | |
| Mit dem Zwiebelturm einer orthodoxen Kirche im Hintergrund werden die Kanus | |
| auseinandergebaut und tropfnasse Kleidung zum Trocknen in die Sonne | |
| gehängt. Dmitri Woitjuk, einer der Teilnehmer der Protestfahrt, arbeitet in | |
| einem landwirtschaftlichen Betrieb in Gomel. Ihm gefalle es, hier zu | |
| angeln, sagt er. Er wolle sein Möglichstes tun, um den Prypjat zu schützen. | |
| „Ich habe einige Flüsse in Polen gesehen, und für mich waren das eher | |
| Kanäle. Sie waren nicht wie der Prypjat.“ Damit verlassen wir den | |
| bernsteinfarbenen Fluss und seine sandigen Ufer und quetschen uns in einen | |
| muffigen Minibus für die Rückfahrt nach Minsk. | |
| Dort wartet Alexandre Wintschewski, der Direktor von Birdlife Weißrussland, | |
| in einem Café. Er ist schon für den Einsatz im Feld gekleidet, mit einer | |
| Ornithologenweste und khakifarbener Cargo-Hose. „Wir sind keine radikalen | |
| Umweltschützer“, sagt er lächelnd zwischen Bissen eines | |
| Buchweizenpfannkuchens. „Wir verstehen die Notwendigkeit von Entwicklung, | |
| und dass man neben der Natur auch die wirtschaftlichen Interessen | |
| berücksichtigen muss. Aber alles, was wir über das Projekt E40 wissen, | |
| zeigt, dass es sowohl für die Natur wie für die Wirtschaft schlecht ist“ | |
| Einen absehbaren Zeitpunkt für den Beginn der Baggerarbeiten am Ufer des | |
| Prypjat gebe es nicht, sagt Wintschewski. „Aber wir müssen dagegen kämpfen. | |
| Es ist sicherer, jetzt Kritik zu üben, bevor der Staat Geld ausgegeben hat. | |
| Der größte Teil der Arbeiten in Weißrussland würde von staatlichen | |
| Unternehmen ausgeführt. Es ist schwierig, sie zu kritisieren, denn das | |
| erscheint gleich als Angriff auf unsere Regierung.“ Und wenn das Projekt | |
| Realität wird? Wintschewski sinkt in seinen Plastikstuhl zurück, und sein | |
| Lächeln weicht aus dem Gesicht. „Weißt du, mit der E40, wenn das mal fertig | |
| ist, gibt es keinen Weg zurück. Das bleibt dann.“ | |
| Übersetzung aus dem Englischen von Stefan Schaaf | |
| 25 Sep 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Tom Allan | |
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