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# taz.de -- Kommentar Todesfall Hambacher Wald: Kommt jetzt mal runter
> Der Unfall im Hambacher Wald muss eine Pause bewirken. Und zwar bei allen
> Beteiligten: Aktivisten, Polizisten, Politikern – und bei RWE.
Bild: Aktivisten bei einer Schweigeminute im Hambacher Forst
„Selbst Schuld!“, schreibt jemand im Internet. Wieso sei der Mann auch da
oben herumgeklettert? „RWE“, schreibt jemand anderes, habe diesen „Mord�…
verantworten. Viele Menschen, viele Trolle, viele Bots schreiben gerade bei
Twitter und Facebook ungehöriges Zeug – wenn es um den Unfalltod eines
Mannes geht, der am Mittwoch von einem Baumhaus [1][hinabgestürzt ist in
den Tod]. Es ist ja auch immer wieder so einfach: von Schuld zu sprechen
und davon, dass die anderen sie tragen.
Schuld, das ist ein Wort, mit dem man alles erschlagen kann. Aber man
sollte damit nicht auf die Würde eines Menschen zielen.
Dies ist gerade nicht die Zeit für Parolen. Und vor allem ist der tragische
Unfall vom Mittwoch kein Anlass, daraus politisch Kapital schlagen zu
wollen. Der Tod im Hambacher Wald ist Anlass für Demut und Respekt vor dem
Leben.
Als vor einigen Wochen Aktivisten, Politiker und Journalisten auf die
[2][bevorstehende Räumung im Hambacher Wald blickten], fürchteten viele,
dort könne „ein zweites Wackersdorf“ entstehen. Dort war einst durch
Protest eine atomare Wiederaufbereitungsanlage verhindert worden. Auch im
Rahmen dieser Proteste kamen vor über 30 Jahren Menschen ums Leben. Eine
Frau erlitt einen Herzinfarkt, ein Mann starb an den Folgen eines
Asthmaanfalls, nachdem die Polizei CS-Gas eingesetzt hatte.
Es ist nicht richtig, dass Menschenleben zur Währung für politische Erfolge
werden.
## Eine Pause muss her
Und ebenso wie es falsch ist, dass Opfer von Messerangriffen von Wutbürgern
und Rechtsextremen instrumentalisiert werden, ebenso falsch und verwerflich
ist es, den Tod des Mannes aus dem Hambacher Wald zu instrumentalisieren.
Nicht nur weil seine Freunde sagen, er hätte das nicht gewollt.
Der Unfall im Hambacher Wald muss eine Pause bewirken. In einem verfahrenen
politischen Konflikt, in dem der Frontverlauf klar und das Territorium
strittig ist, muss es nun Raum geben, verbal und materiell abzurüsten. Der
Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, hat damit in
einer bewegenden Stellungnahme begonnen und die Räumung [3][bis auf
Weiteres ausgesetzt]. Besetzer im Wald misstrauen ihm aber, auch weil sie
sehen, dass Räumpanzer weiterhin Barrikaden abräumen. Derzeit, sagt die
Polizei, räume sie nur Rettungswege.
Sicher, es widerspricht der Logik der Auseinandersetzung, freiwillig die
selbst gebauten Barrikaden abzubauen. Aber es entspricht dem Gebot der
Vernunft, es jetzt zu tun. Jeder konnte sehen, wie schwierig die Räumung im
Hambacher Wald sich darstellt und dass Menschen bereit sind – ob Baum- oder
Tunnelbesetzer –, sich dafür in Lebensgefahr zu begeben. Der Preis also ist
nun bekannt.
Dies darf nicht der Preis von Politik sein. Daher sollten jetzt die
Menschen herunterkommen von den Bäumen, die Polizei abziehen und die
nordrhein-westfälische Landesregierung sollte RWE erklären, dass es derzeit
nichts zu wünschen gibt. Es ist ansonsten nicht ausgeschlossen, dass der
politische Preis dieses Konflikts in weiteren Menschenleben bemessen wird.
21 Sep 2018
## LINKS
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[3] /Nach-Unfall-im-Hambacher-Forst/!5537059
## AUTOREN
Martin Kaul
## TAGS
Schwerpunkt Hambacher Forst
RWE
Todesfall
Herbert Reul
Umweltschutz
Baumhäuser
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