Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- DGB-Vizechefin über Paragraf 219a: „Nur die Abschaffung wäre ei…
> Elke Hannack, DGB-Vizechefin und Mitglied im Bundesvorstand der CDU,
> fordert von ihrer Partei, ihre Position zum Paragrafen 219a zu
> überdenken.
Bild: Verantwortungslos? Die sogenannten „Lebenschützer“ haben ein problem…
taz: Frau Hannack, Sie sind im Bundesvorstand der CDU, die am
[1][Paragrafen 219a] festhält. Nun sprechen Sie beim Bündnis für sexuelle
Selbstbestimmung, das für dessen Abschaffung kämpft. Wie passt das
zusammen?
Elke Hannack: Gar nicht. Aber ich werde das Thema in die
Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) tragen, der ich angehöre.
Und darüber versuche ich, das Thema auch in der Union zu setzen.
Gewerkschaftspositionen in die Union zu tragen, ist schwierig. Aber es
gelingt uns immer wieder, zum Beispiel beim Thema Mindestlohn.
Grüne und Linke wollen [2][den Paragrafen abschaffen], auch die SPD hatte
ursprünglich einen Entwurf dazu vorbereitet. Sind Sie in der falschen
Partei?
Nein. Die Union macht es sich nicht leicht. Ich habe mit Delegierten auf
Bundesparteitagen intensive Diskussionen erlebt, die das erweiterte Thema
betreffen. Wie weit darf Wissenschaft gehen, um in Leben einzugreifen? Ab
wann ist Leben schützenswert? Viele Abstimmungen gingen am Ende knapp aus.
Es gibt nicht die eine glasklare Position in der CDU, sondern viele
differenzierte Meinungen. Es lohnt sich, zu diskutieren. Und Einfluss
nehmen kann man nur, wenn man selbst in der Partei ist. Von außen wird man
sie nicht verändern.
Sie versuchen, die Union zu revolutionieren?
Ich versuche erst einmal, das Thema in der CDA stärker zu setzen. Ich weiß,
dass die CDA-Frauen bei der Abschaffung des 219a durchaus mitgehen. Jetzt
müssen wir sehen, wie es in der Frauen-Union aussieht. Da hat es an der
Spitze Wechsel gegeben. Vielleicht ändert das etwas. Jüngere Frauen haben
häufig einen anderen Blick.
Auch beim Thema Lebensschutz steht die Position des Bündnisses für sexuelle
Selbstbestimmung der Haltung vieler in der Union diametral gegenüber.
Volker Kauder und Wolfgang Bosbach haben in den vergangenen Jahren
Grußworte für den „Marsch für das Leben“ gesendet, die „Christdemokrat…
für das Leben“ rufen auch dieses Jahr wieder dazu auf.
Am sogenannten Marsch für das Leben nehmen ausgesprochen bedenkliche
Gruppen und Personen teil. Die sogenannte Lebensschutz-Bewegung hat viele
Anknüpfungspunkte zu Rechtspopulisten, zur AfD – da müssen wir wirklich
sagen: Kontaktsperre. Mit denen wollen wir nichts zu tun haben.
Wie wollen Sie Ihre Partei bei diesen kontroversen Themen auf Ihre Seite
bringen?
Mit dem CDA-Vorsitzenden Karl-Josef Laumann habe ich zum Beispiel über das
Thema gesprochen. Er hat sich deutlich gegen eine Abschaffung des 219a
positioniert. Es macht aber Sinn, das Thema bei der nächsten Sitzung des
gesamten CDA-Bundesvorstands zu diskutieren und gegebenenfalls eine
Abstimmung herbeizuführen.
Was wäre für Sie ein Erfolg innerhalb der Union?
Für mich wäre nur die Abschaffung des 219a ein Erfolg. Denn es geht dabei
ja nicht um Lebensschutz, sondern um ein bestimmtes Frauenbild, wonach
Frauen so verantwortungslos sind, dass sie sich durch Werbung zu einer
Abtreibung verleiten lassen. Ein Kompromiss würde nichts an dieser
hanebüchenen Haltung ändern, die dahinter steht. Dieser Paragraf
bevormundet Frauen und das müssen wir ändern. Wir müssen die nötigen
Informationen über die Möglichkeit von Abbrüchen zur Verfügung stellen, und
ÄrztInnen dürfen wegen dieser Informationen nicht kriminalisiert werden. Es
ist die Verpflichtung des Staates, Rechtssicherheit herzustellen. Insofern
finde ich es auch richtig, wenn sich die SPD ihre Bündnispartner notfalls
woanders sucht.
Sie meinen, wenn im Bundestag [3][ohne Fraktionszwang] abgestimmt wird?
Ja. Die Ehe für alle war auch keine Position der Union, aber auch die haben
wir bekommen. Und wenn es nicht mit der CDU geht, muss es eben auch mal
ohne sie gehen.
Da spricht die DGB-Vizechefin, die einen DGB-Beschluss im Rücken hat, den
Paragrafen 219a abschaffen zu wollen. Den gibt es seit Mai. Warum waren die
Gewerkschaften lange so verhalten, was das Thema Lebensschutz angeht?
Im Mittelpunkt der Arbeit von Gewerkschaften stehen Fragen der Arbeitswelt.
Wir haben viele wichtige Themen auf der Agenda wie das Schließen der
Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, die partnerschaftliche Vereinbarkeit
von Beruf und Familie sowie faire Aufstiegschancen für Frauen. Aber in der
aktuellen politischen Situation sind wir bewusst auch bei anderen
frauenpolitischen Themen solidarisch. Die Verfahren gegen Ärztinnen, die
auf Anzeigen der sogenannten Lebensschützer zurückgehen, häufen sich. Sie
sind der Anlass für die aktuelle Debatte über den Paragrafen 219a. Über
unsere Haltung dazu konnten wir innerhalb der Gewerkschaften schnell eine
große Einigkeit herstellen.
Weil die männlichen Gewerkschafter alle Feministen geworden sind?
Leider nein. Es gibt noch immer viele, die gleichstellungspolitische Fragen
hintanstellen. In den Gewerkschaften üben Kollegen bei solchen Themen
entweder große Zurückhaltung – damit ist es schwierig, Solidarität zu
organisieren. Oder sie mischen sich extrem ein. Bei Minijobs zum Beispiel
wissen Männer immer ganz genau, dass Frauen die wirklich wollen.
Müssen Frauen stärker für sich selbst sprechen?
Ich bin auf unserem Bundeskongress zu fast jedem frauenpolitischen Thema in
die Bütt gegangen. Ich hänge diese Themen auf Vorstandsebene hoch, um
klarzumachen, wie wichtig sie sind. Unser Vorsitzender Reiner Hoffmann
transportiert sie ebenfalls. Auch in den Gewerkschaften selbst ist dort, wo
der Frauenanteil wie bei Verdi hoch ist oder wo Frauen selbst an der Spitze
stehen, das Thema gesetzt – zum Beispiel bei der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft Marlis Tepe oder bei der Gewerkschaft
Nahrung–Genuss–Gaststätten Michaela Rosenberger. In den
Industriegewerkschaften sind gleichstellungspolitische Themen aber immer
noch nicht selbstverständlich, weder in der Breite noch an der Spitze. Da
müssen wir was tun: sie häufig ansprechen, konkrete Unterstützung
einfordern.
Es gibt etwas mehr als zwei Millionen Frauen in den Gewerkschaften, ein
enormes Potenzial. Bräuchte es da nicht viel mehr Bündnisse oder
strategische Partnerschaften mit FeministInnen auch außerhalb des DGB?
Richtig, und deswegen sind wir einer von 60 höchst aktiven Verbänden im
Deutschen Frauenrat. Wir solidarisieren uns mit dem Bündnis für sexuelle
Selbstbestimmung und sind bei den Prozessen der angeklagten Ärztinnen
dabei. Und wir sind im Gespräch mit Justizministerin Katarina Barley. Die
SPD hat ja dieselbe Beschlusslage wie wir.
Sie hat ihren Gesetzentwurf aber nicht eingebracht.
Katarina Barley hat in der Öffentlichkeit aber deutlich gemacht, dass sie
optimistisch ist, bis Herbst eine Einigung mit der Union zustande zu
bringen.
Also ein Kompromiss, keine Abschaffung.
Der DGB will mehr als einen Kompromiss. Wir fordern das
Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper – mit allen
Informationen, die dazugehören. Wenn Männer Kinder bekommen würden, gäbe es
weder den Paragrafen 218 noch den 219a, da bin ich mir sicher.
20 Sep 2018
## LINKS
[1] /!t5465364/
[2] /Anhoerung-zu-Paragraf-219a-im-Bundestag/!5516826
[3] /Debatte-Abgeordnete-im-Bundestag/!5531762
## AUTOREN
Patricia Hecht
## TAGS
Schwerpunkt Paragraf 219a
Schwerpunkt Abtreibung
CDU
40 Jahre taz
Studiengang Medizin
Kristina Hänel
Kristina Hänel
## ARTIKEL ZUM THEMA
40 Jahre taz: Frauenjournalismus: Die Anfänge von Herstory
Die Geschichte des Frauenjournalismus in der taz ist eine Geschichte von
Widersprüchen, großen Hoffnungen und tiefen Enttäuschungen.
Thema Abtreibungen im Studium: Lernen, wie man Abbrüche durchführt
Der Assistenzarzt Nathan Klee kritisiert, dass im Medizin-Studium
Schwangerschaftsabbrüche kaum vorkommen. Er hospitiert jetzt bei Kristina
Hänel.
Verhandlung zum Paragraf 219a: Befangenheitsantrag gegen Richter
Im Prozess gegen zwei Frauenärztinnen in Kassel hat es noch kein Urteil
gegeben. Sie werfen dem vorsitzenden Richter Befangenheit vor.
Verhandlungen zum Paragraf 219a: Steiniger Weg zu straffreien Infos
Zwei Ärztinnen stehen wegen Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen vor
Gericht. Von der GroKo ist zu Paragraf 219a noch nichts zu hören.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.