# taz.de -- Auftaktspiel der Nations League: Wiedergeburt des deutschen Fußbal… | |
> Deutschland stellt beim 0:0 gegen Frankreich einen Hochsicherheitsfußball | |
> auf den Platz. Am Ende werden sie auch noch dafür gefeiert. | |
Bild: In München wurde wieder der deutschen Tugendtradition gehuldigt | |
München taz | Der deutsche Fußball ist auf dem Weg, wieder deutsch zu | |
werden. Nach dem 0:0 zum Auftakt der europäischen Nations League gegen | |
Frankreich am Donnerstagabend in der Münchner Arena gegen Weltmeister | |
Frankreich waren die Beteiligten in dieser Hinsicht jedenfalls ganz | |
zufrieden. „Wir haben diese Tugenden gezeigt“, meinte Bundestrainer Joachim | |
Löw nach dem Spiel und Offensivkraft Thomas Müller war ganz zufrieden | |
damit, „dass der Einsatz gestimmt hat“. | |
Das schöne Spiel, das von Löw über die Jahre gepredigt wurde, ist | |
Vergangenheit. Das Rackern bestimmt wesentlich den deutschen Fußball. Der | |
Bundestrainer hatte Veränderungen angekündigt nach der Blamage bei der | |
Weltmeisterschaft in Russland. Seine Mannschaft hat geliefert. | |
Mit vier kantigen Verteidigern auf einer Linie war Löw in das Duell gegen | |
Frankreich gegangen. Dabei spielten mit Antonio Rüdiger, Jérôme Boateng, | |
Mats Hummels und Matthias Ginter vier kantige Typen auf einer Linie, die | |
allein schon von ihrer körperlichen Erscheinung her in der Lage sind, Angst | |
und Schrecken zu verbreiten. Sie bildeten das Herz des Spiels. Boateng war | |
mit seinen langen Pässen der Spielmacher der ersten Hälfte und Hummels war | |
mit knapp 100 Ballkontakten so ins Spiel eingebunden wie es ein | |
Innenverteidiger nicht allzu oft ist. | |
Davor spielte Joshua Kimmich, den Löw flugs zum Sechser umgeschult hatte | |
eine Rolle, die man zu Zeiten des schlechten, lauten Rumpelfußballs in | |
Deutschland Staubsauger genannt hat, eine Art Vorstopper. Soll bloß keiner | |
auf die Idee kommen, im deutschen Fußball habe sich nichts geändert seit | |
Vorrundengruppenplatz vier in Russland! | |
## Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt | |
Die Deutschen stellten einen Hochsicherheitsfußball auf den Platz und | |
wurden am Ende auch noch dafür gefeiert. Man hat dem Weltmeister ein | |
Unentschieden abgetrotzt und war besonders stolz darauf, den französischen | |
Offensivkönnern um Antoine Griezmann und dem phänomenalen Kylian Mbappé | |
nicht allzu viel Raum gelassen zu haben. Es war nur noch wenig da von | |
dieser Dominanzattitüde, mit der die deutsche Mannschaft über Jahre | |
versucht hat, den Gegnern ihr Spiel aufzudrängen. | |
Joachim Löw hat seiner Mannschaft im Eiltempo eine Art Underdogfußball | |
beigebracht. Ob das Publikum, dem in München vor allem die letzte halben | |
Stunde des Spiels gefallen hat, als die Deutschen endlich kapiert haben, | |
dass zum Reaktionsfußball vor allem schnelles Konterspiel gehört, auch dann | |
noch applaudieren wird, wenn die Spieler auch gegen Mannschaften, die nach | |
vorne nichts zu bieten haben, ein Fußballverhinderungsspiel aufziehen, ist | |
ungewiss. | |
Nach dem Spiel war jedenfalls viel von Variabilität die Rede. Löw erinnerte | |
daran, dass er auch in der WM-Qualifikation je nach Gegner mal mit Dreier-, | |
mal mit Viererabwehr hat spielen lassen. Es bleibt nach diesem ersten | |
Umschalten des deutschen Teams in einen Kampf- und Abwehrmodus also | |
abzuwarten, ob die Fußballwelt – so wie es ja lange war – schaut, wie die | |
Deutschen spielen können, oder ob die Deutschen schauen, wie die Gegner | |
spielen und ihr Spiel darauf ausrichten. [1][Sollte Zweiteres eintreten, | |
der Salto rückwärts im deutschen Nationalmannschaftsfußball wäre perfekt.] | |
Als Löw 2006 sein Amt angetreten ist, meinte er, man müsse sich von den | |
deutschen Tugenden verabschieden und einfach mehr Fußball spielen. Jetzt | |
wird wieder in die Hände gespuckt und der deutschen Tugendtradition | |
gehuldigt. Es war ja eine Art Staatsauftrag, die Löw in das Spiel eins nach | |
der WM mitgenommen hat: man sollte den Spielern in jeder Szene ansehen, | |
dass sie stolz darauf sind, den Adler auf der Brust zu tragen. Damit waren | |
nach Spielende alle zufrieden. | |
Selbst die [2][vereinzelten Pfiffe für den Mitte der zweiten Hälfte | |
eingewechselten Ilkay Gündogan,] den man hoffentlich zum letzten Mal | |
verdächtigt hat, er fühle sich nicht deutsch genug, waren gegen Ende des | |
Spiels verstummt. „Auf geht’s Deutschland, schieß ein Tor!“, schallte es | |
durch das Stadion des FC Bayern. Das Fan-Schlager-Revival auf den Rängen | |
war die angemessene Reaktion auf die Wiedergeburt des deutschen | |
Vorstopperfußballs. 14 Mal haben die deutschen ihre französischen Gegner | |
gefoult. Ist es das, worauf Joachim Löw aufbauen will? Wir werden sehen. | |
7 Sep 2018 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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