# taz.de -- Brexit-Abkommen mit der EU: Alle sind gegen Theresa May | |
> Großbritanniens EU-Befürworter und -Gegner gehen in die entscheidende | |
> politische Schlacht. Beide Lager lehnen die Brexit-Linie der | |
> Premierministerin ab. | |
Bild: In einer Sache sind sich beide Lager einig: Theresa Mays Brexit-Plan ist … | |
LONDON taz | Der Druck steigt. Kein Tag vergeht in Großbritannien ohne neue | |
Schlagzeilen über die umstrittene Brexit-Politik von Theresa Mays | |
konservativer Regierung. Entscheidend werden die Jahresparteitage Labours | |
kommende Woche und der Konservativen in der Woche danach. Denn um für ein | |
Abkommen mit der EU den Segen des Parlaments zu erhalten, braucht May eine | |
parteiübergreifende Mehrheit. Der Kampf um die Stimmen wird nicht nur im | |
Westminster-Palast ausgetragen, sondern inzwischen auch auf den Straßen, wo | |
sich neue Kampagnen formiert haben. | |
Auf der Seite des [1][„harten Brexit“] steht an erster Stelle „Leave Means | |
Leave“. Ihr gegenüber trommeln die Brexit-Gegner von „People’s Vote“ s… | |
Monaten für ihre [2][Idee einer zweiten Volksabstimmung], die den Brexit | |
kippen soll. | |
„Leave Means Leave“ wollte sich eigentlich schon vor zwei Wochen der | |
Öffentlichkeit präsentieren. Der Termin wurde kurzfristig storniert mit der | |
Begründung: „Es ist noch nicht alles fertig organisiert.“ Geplant ist | |
derzeit ein Auftakt am kommenden Samstag in Bolton, im Nordwesten Englands, | |
wo die Brexit-Stimme stark war. | |
Nigel Farage, der ehemalige Ukip-Parteiführer soll dann mit dabei sein. Er | |
ist Kodirektor von „Leave Means Leave“, zusammen mit John Longworth, | |
Ex-Generaldirektor der britischen Handelskammer, und Unternehmer Richard | |
Tice, der einst hinter Farages Referendumskampagne stand. Farage erklärte | |
in der Zeitung Daily Telegraph, er kehre zurück, „damit das Land seine | |
eigenen Gesetze machen kann und Verantwortung für seine Zukunft trägt“. | |
## Nur eine Frau auf der Unterstützerliste | |
Dem Anschein nach ist „Leave Means Leave“ derzeit hauptsächlich ein weißer | |
Männerklub, mit vielen bekannten Gesichtern vom rechten Flügel der | |
Konservativen. Es befindet sich nur eine einzige Frau auf der | |
Unterstützerliste im Internet. | |
Da muss es gelegen gekommen sein, dass Kate Hoey – die Brexit-überzeugte | |
Labour-Abgeordnete für den Südlondoner Wahlkreis Vauxhall – sich als Stütze | |
von „Leave Means Leave“ zum Wort meldete: „Ich bin nicht Mitglied der | |
Kampagne selber, werde aber bei öffentlichen Veranstaltungen mithelfen“, | |
teilte Hoey der taz mit. „Das Referendum ist hinter uns. Es kann nicht | |
sein, dass es auf einmal nicht mehr das ist, wofür die Mehrheit des Landes | |
wählte. Auf alle Fälle ist es nicht das, was Theresa May nun vorschlägt“, | |
meint sie. | |
Mays „aufgeweichter Brexit“ sei nicht einmal für Nordirland richtig, | |
insistiert Hoey, die selbst aus Nordirland stammt und für eine klare | |
Trennung von der EU plädiert: „Die Freizügigkeit wird bleiben, Iren beider | |
Seiten können auch ohne die EU in Großbritannien arbeiten, und der Rest | |
kann technologisch gelöst werden“, versichert sie. Deshalb will sie nun | |
durch das Land touren. Denn: „Wir haben die etablierten Kräfte gegen den | |
Brexit unterschätzt.“ | |
Die Labour-Politikerin meint damit Geldgeber von „People’s Vote“. Julian | |
Dunkerton, Gründer der Kleidermarke Superdry, schenkte der neuesten | |
Anti-Brexit-Kampagne eine Million Pfund. Multimillionär George Soros | |
unterstützt mit 400.000 Pfund „Best for Britain“, die mit „People’s Vo… | |
zusammenarbeitet. Da derzeit kein Referendum ansteht, gibt es für solche | |
Spenden keine Obergrenzen. | |
## Sie wollen ein neues Brexit-Referendum | |
Bedeuten solche Großspenden vor einem möglichen neuen Referendum kein | |
unfaires Spiel? „Nein!“, beteuert „People’s-Vote“-Sprecher Barney Sch… | |
im Hauptquartier im Londoner Millbank Tower. Im karierten Hemd mit Jeans | |
sagt der 28-Jährige: „Wir wehren uns gegen Anklagen der Brexitlobby, dass | |
wir vom Geld einer Elite gesteuert werden. Viele unserer Gelder kommen von | |
kleinen Einzelspenden.“ Andererseits dementiert er nicht, Spenden von | |
multinationalen Konzernen erhalten zu haben. | |
Statt über Geld spricht Scholes lieber über die Kampagne. „Keiner im Land, | |
weder Remain noch Brexit-Unterstützer*Innen, befürworteten den Vorschlag, | |
den May als ihren besten Plan bezeichnete“, behauptet er. Er meint [3][das | |
Brexit-Konzept], das May bei einer Kabinettsklausur im Juli auf ihrem | |
Landsitz Chequers durchdrückte und das die Minister Boris Johnson und David | |
Davis zum Rücktritt veranlasste. | |
„Die EU hat bereits klargestellt, dass einige der Vorschläge vollkommen | |
unakzeptabel seien,“ sagt er. Mit dieser Botschaft geht „People’s Vote“… | |
unter die Leute. „Damit wollen wir erreichen, dass die Wähler ihre | |
Parlamentsabgeordneten unter Druck setzen. Andere Teams von uns versuchen | |
parallel, Politiker*innen direkt zu überreden.“ | |
Das Ziel: Das Parlament soll ein neues Brexit-Referendum ansetzen. Das mag | |
nicht gerade leicht sein, ist aber auch nicht unmöglich. Immerhin hat | |
„People’s Vote“ bekannte Gesichter hinter sich: Schauspieler und | |
Kabarettisten, Fußballkommentator Gary Lineker, Politiker aller Parteien. | |
## Beide Seiten greifen May frontal an | |
Sie meinen, die Stimmung im Land habe sich gedreht. Mit dem gespendeten | |
Geld, sagt Scholes, „wurden bisher vor allem solide unabhänige | |
Meinungsumfragen gemacht. So konnten wir feststellen, dass die | |
Unterstützung für Brexit um acht Punkte zurückgegangen ist.“ Er meint: „… | |
bin mir sicher, dass niemand für unsicherere Arbeitsplätze oder eine | |
schrumpfende Wirtschaft wählte. Eine weitere Wahl, oder ein Referendum mit | |
präzisen Optionen, ist in aller Interesse und demokratisch.“ Favorisiert | |
wird ein Referendum mit drei Optionen: ein harter Brexit, [4][der von | |
Theresa May verhandelte Plan] oder ein Verbleib in der EU. | |
Die Brexit-Befürworter wollen demgegenüber das Referendum von 2016 voll | |
umgesetzt wissen: also ein Brexit ohne Vereinbarung mit der EU Ende März | |
2019. „Wir wollen Handel nach den Regeln der Welthandelsorganisation | |
betreiben können“, gibt Longworth als Ziel von „Leave Means Leave“ an. | |
Ein solcher Austritt wäre aus Sicht von „People’s Vote“ eine reine | |
Katastrophe. Aber sonst sind sich beide Kampagnen ähnlicher, als es | |
scheint. Wie „People’s Vote“ setzt Leave Means Leave auf Lobbyarbeit im | |
Parlament und öffentliche Aufklärung. Beide sprechen von Lügen der anderen | |
und beteuern zugleich, dass sie die Ansichten der Gegenseite ernst nähmen. | |
Und: Beide Seiten greifen May frontal an. „Die Pläne von Theresa Mays | |
Regierung sind extrem schlecht“, moniert John Longworth. Scholes bezeichnet | |
den Plan der Regierung als „etwas, das niemanden glücklich machen kann“. | |
## Parteipolitische Arbeit | |
„People’s Vote“ konzentriert sich nun ganz auf den Labour-Parteitag näch… | |
Woche: Die Partei soll sich hinter ein zweites Referendum stellen. Das tat | |
vergangene Woche schon der Gewerkschaftsdachverband TUC. „Diese Arbeit wird | |
aber nicht von uns selber getan, sondern von Anhängern von uns in der | |
Labour-Partei, denn diese kennen die Partei in- und auswendig“, verrät | |
Scholes. Immerhin hat Labour inzwischen erklärt, dass sie im Parlament | |
gegen Mays Plan stimmen würde. | |
Longworth sieht die Arbeit von „Leave Means Leave“ ebenfalls | |
parteipolitisch. An der konservativen Basis werden Mays Pläne mehrheitlich | |
abgelehnt, um den Abgeordneten Jacob Rees-Mogg herum agiert der | |
Arbeitskreis „European Research Group“ mit rund 60 Abgeordneten für einen | |
harten Brexit. „Wenn sich die Konservativen nicht eindeutig auf unsere | |
Seite stellen“, prophezeit Longworth, „könnte es die Partei zerstören.“ | |
18 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] /Gespraeche-ohne-Einigung/!5527594 | |
[2] /Debatte-Brexit/!5520875 | |
[3] /Britischer-EU-Austritt/!5518513 | |
[4] /Grossbritanniens-Austritt-aus-der-EU/!5518020 | |
## AUTOREN | |
Daniel Zylbersztajn | |
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