# taz.de -- Kolumne Henningway: Spieler werden hört niemals auf | |
> Sportspiele versteht man eigentlich nicht. Mit der Zeit bekommt man | |
> jedoch eine Ahnung von richtigen und falschen Entscheidungen. | |
Bild: „Üben, üben, üben“ Henning Harnisch bei einem Spiel gegen die Bask… | |
Auf den Feldern der Sportspiele herrschen andere Regeln als in der | |
Alltagswelt. Alles ist ein wenig direkter und klarer: Es gibt mich, meine | |
Mannschaft und mein und unser Gegenüber. Und hier gibt es Spielregeln, ein | |
Spielniveau und eine Taktik. Die Aneignung von ebendiesen Spielen kommt | |
einer friedlichen Eroberung neuer Räume gleich. Denn die Linien und | |
Umrandungen der Spiele sind immer gleichzeitig auch die Schwellen zu einem | |
anderen (Vorsicht!) Sein. Wenn ich auf das Feld oder das Parkett trete, bin | |
ich im Spiel mit seinen Regeln und bin ich, im Idealfall, irgendwann ein | |
Spieler. | |
In unserer Mannschaft bei Alba Berlin gab es einmal einen Spieler, dem | |
wurde im kleinen Kreis der Spitzname „28 x 15“ („Twentyeighttimesfifteen�… | |
gegeben, weil er sich, wie es schien, vor allem dort, auf ebendiesen 28 mal | |
15 Metern des Basketballparketts, wohlfühlte und, anders als im | |
Alltagsleben, auf diesem Feld brillierte. | |
Der Spieler ist der, der das Spiel draufhat. Aber wann hat man das Spiel | |
drauf? Spiele versteht man langsam. Man lernt dort viel über Entscheidungen | |
und Optionen – wann mache ich was, was ist jetzt wohl richtig? Irgendwann | |
spricht man dann von Spielmachern, Rollen- und Bankspielern, man spricht | |
von Positionen. Einen Traumspieler, der das Ideal des Spiels verkörpert, | |
gibt es trotzdem nicht, genauso wenig, wie es den einen Spieler gibt; am | |
ehesten noch spricht man von Spielertypen. | |
## Spiele verstehen braucht Zeit | |
Spiele zu verstehen braucht Zeit. Wenn einer das Grundsätzliche und ein | |
bisschen mehr verstanden hat, ohne dass er das normalerweise in Worte | |
packen könnte, dann nähert sich dieser dem Spielerdasein. Doch eigentlich | |
müsste man sagen: Spiele versteht man, im rationalen Sinne, gar nicht. Ich | |
verstehe sie vielleicht besser als andere, wenn ich mich mit ihnen | |
vergleiche. In meinem Spieler-Leben hat es sehr lange gebraucht, eigentlich | |
erst zum Ende hin, bis ich wirklich eine Ahnung von richtig und falsch, von | |
richtigen und falschen Entscheidungen im Spiel hatte. | |
Spieler werde ich nicht, indem ich mir ein Trikot überziehe, sondern indem | |
ich mich mit dem Spiel auflade. Vor allem heißt das, wie bei jedem | |
Handwerk: üben, üben, üben. Alle Bewegungen und jede Technik muss ich mir | |
aneignen. Das Ideal besteht in einem Verständnis der Wechselwirkung aus | |
etwas üben (sich aufladen) und dieses dann im Spiel einsetzen (es | |
draufhaben). Erst dann hat es seinen Wert. Es ist die Synthese von Üben und | |
das Geübte im Spiel einsetzen – merken, dass sich dadurch etwas ändert: Ich | |
spiele anders. Ich spiele besser! | |
## Visuelle Vorbilder | |
Spieler wird jemand, indem er sich bei anderen abguckt, wie man spielt. | |
Idealerweise lerne ich durch visuelle Vorbilder. Ich sehe, was diese | |
können, wie sie spielen, wie sie mit anderen – Gegnern und Mitspielern – | |
spielen; ich sehe, welche Techniken und Tricks sie draufhaben. Ich übe das | |
und mache es nach und mache es zu einem nur mir Eigenen. Reine Technik ist | |
wertlos, um die Anwendung von Techniken – darum geht es. | |
Und jede Technik, die in der Anwendung einer Option gleichkommt, hat einen | |
Bruder, der in die andere Richtung führt. Wenn ich mit rechts dribbeln | |
kann, sollte ich das auch mit links können. Spieler sind wie Schauspieler, | |
sie haben das Spielen wie diese drauf. Sie verkörpern Rollen. Und je mehr | |
sie wissen, desto mehr spielen sie wie auf einer Bühne. Ein echter Spieler | |
ist jemand, der etwas personifizieren kann und viele Finten in petto hat. | |
Wie soll mir mein Gegenspieler auch etwas abkaufen, was ich nicht glaubhaft | |
verkörpern kann? | |
Spieler zu werden hört niemals auf. Und ist noch immer kein Schulfach. | |
19 Sep 2018 | |
## AUTOREN | |
Henning Harnisch | |
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