Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne Henningway: Rhönrad, Rudern und Ringen
> Als Schattenmann für Sport in Hessen unterwegs: Henning Harnisch reist
> 18.000 Kilometer und trifft 300 Leute aus dem Sport.
Bild: Kinder beim Schwimmunterricht
In den letzten Monaten war ich sehr viel in Hessen unterwegs. Im Auftrag
der SPD reiste ich dort im Wahlkampf herum, als sogenannter Schattenmann
für Sport und Teilhabe. Das Schattendasein in dem Bundesland, aus dem ich
stamme, endete ohne Happy End für die SPD, Hessen und mich. Nach dreimal
zwei Wochen Hessentour – Hessen rauf und runter, Hessen kreuz und quer,
18.000 Kilometer im Auto unterwegs, die SPD von innen kennengelernt, mehr
als 300 Leute aus dem Sport getroffen, zig Abende die Sportpredigt gehalten
– ging ich hernach für zehn Tage ins Kloster, also nach Hause, um zu
schweigen und zu ruhen. Und um über das Erlebte jenseits der Pleite zu
sinnieren.
Hospitieren heißt laut Duden, „sich als Gast an einer wissenschaftlichen,
pädagogischen, kulturellen, politischen o. ä. Einrichtung aufhalten, um die
innere Struktur derselben, ihre Arbeitsabläufe und fachlichen Probleme
kennenzulernen und berufspraktische Erfahrung zu gewinnen“. Ich habe
hospitiert, wie im Duden beschrieben: Ich war an Universitäten und
Erzieherschulen, an Kindergärten und Schulen; ich war bei kleinen und bei
großen Vereinen, bei Leuchttürmen des Sports, beim Hockey in Limburg, beim
Boxen in Korbach, beim Handball in Melsungen.
Ich habe selber Sport gemacht oder es zumindest ausprobiert: Ringtennis,
Rhönrad, Rudern und Ringen beispielsweise; ich habe Vertreter des
Profisports getroffen (bei allen war ich, bis auf zwei, die wollten mich
nicht reinlassen); ich habe neun Verbände und den Landessportbund besucht
(höre ich mich an wie ein Streber?); und ich traf eine ehemalige Größe des
Sports, die inkognito bleiben wollte, einen Helden meiner Jugend, auf zwei
Cappuccinos. Nur ein Vertreter der Frankfurter Radfahrerinitiative hat
mich, nach einem langen Tag on the road, abends im Café Karin sitzen
lassen. Ansonsten lief alles wie am Schnürchen.
Hospitieren öffnet die Birne und regt den Schädel an. Doch was bleibt
jenseits von hessischen Funklöchern hängen? Mehr als ein Tweet zu sagen
hat. Zwei Anmerkungen und eine Folgerung, mehr gibt diese Kolumne nicht
her. Noch da?
## Keine Probleme – Herausforderungen!
Die erste Anmerkung: Neuerdings sprechen die Leute ja nicht mehr von
Problemen, sondern von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, wenn
mal wieder etwas noch nicht gemacht worden ist. Nach Hessen weiß ich, dass
alle, die im Sport nichts machen wollen, damit es besser und schöner wird,
sagen, wir brauchen eine Vierfelderhalle, dann läuft es, wortwörtlich.
(Vierfelderhalle, das nur am Rande, hört sich übrigens super an, wenn es
südhessisch ausgesprochen wird.)
Anmerkung Nummer zwei: Ein Schwimmtrainer aus Frankfurt erzählte mir, wie
es läuft mit dem Schwimmen in der Stadt. Irgendwann, mitten in seiner
Erzählung rund um Wasserflächen, Lehrbäder und Fehlkonstruktionen –
knifflige Sachen –, fragte er mich, ob ich wüsste, wie viele der
Zehnjährigen hierzulande nicht schwimmen könnten. Ich zuckte mit den
Schultern, zehn Prozent vielleicht? Er schüttelte den Kopf und sagte mit
einer Stimme, die klang, als ob sie die Opfer einer Umweltkatastrophe
beziffern würde: die Hälfte. Die Hälfte? Au Backe!
Nach der Wahl ist vor der Wahl, hier also die schlichte Folgerung aus dem
Gesagten: Alle Kinder, nicht nur die aus der Bürgerschicht, können zur
Einschulung oder spätestens nach der ersten Klasse Schwimmen, Radfahren und
Purzelbaum. Das lernen die Kinder, auch ohne Vierfelderhallen. Muss man nur
wollen. Das ist die Herausforderung. Und die nehme ich mit aus Hessen.
5 Dec 2018
## AUTOREN
Henning Harnisch
## TAGS
Henning Harnisch
Fahrrad
Profisport
Schwimmen
Henning Harnisch
Schwerpunkt Sport trotz Corona
Henning Harnisch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Henningway: Wie ich wahrhaftig Sam Shepard traf
Ex-Basketballnationalspieler Henning Harnisch erzählt, wie er einst naiv
durch die USA reiste. Und beiläufig Musik- und Filmidole kennenlernte.
Kolumne Henningway: Ökonomie im Zeichen des Sports
Kinder- und Jugendsport muss als Teil des Sozialsektors gesehen werden. So
kann Sport aus der Perspektive der Schwächsten gestaltet werden.
Kolumne Henningway: Spieler werden hört niemals auf
Sportspiele versteht man eigentlich nicht. Mit der Zeit bekommt man jedoch
eine Ahnung von richtigen und falschen Entscheidungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.