# taz.de -- Vielfalt im Berliner Wald: Das CO2 einfach im Wald lassen | |
> Für den Umbau vom artenarmen Nadel- zum Mischwald nimmt das Land | |
> Millionen in die Hand. Aus gutem Grund, wie zwei neue Untersuchungen | |
> zeigen. | |
Bild: Grün ist nicht gleich grün: Der Waldmix macht's | |
Die schlechte Nachricht gleich vorweg: Die extreme Trockenheit dieses | |
Sommers hat 300.000 Bäumen in den Berliner Wäldern das Leben gekostet. | |
Allerdings keine ausgewachsenen Exemplare: Es handelt sich durchweg um | |
angepflanzte Jungbäume, deren Wurzeln noch nicht in tiefer liegende | |
Grundwasserschichten vorgedrungen waren – und von oben kam bekanntlich | |
einfach nichts nach. Laut Elmar Lakenberg, Leiter der landeseigenen | |
Forsten, beträgt der wirtschaftliche Schaden rund 220.000 Euro, denn: „Wir | |
müssen die Pflanzung vom letzten Herbst komplett wiederholen.“ | |
Die Berliner Forsten und Umweltstaatssekretär Stefan Tidow hatten am | |
Mittwoch in den Grunewald geladen, um am Rande des zur IGA 2017 angelegten | |
„Waldklimapfades“ [1][zwei neue Studien] vorzustellen. Die zeigen auf, wie | |
groß der Beitrag des Berliner Waldes nicht nur zum Klimaschutz, sondern | |
auch zur Versorgung der BerlinerInnen mit Trinkwasser ist. In diesem | |
Zusammenhang wurde deutlich: Der notwendige Umbau des Waldes kommt voran – | |
das ist die gute Nachricht. | |
Rund 11 Millionen Tonnen Kohlendioxid sind – umgerechnet – in der Biomasse | |
und dem Boden des Berliner Waldes gebunden. Das ist das Ergebnis von | |
Berechnungen, die Joachim Rock vom Thünen-Institut für Waldökosysteme in | |
Eberswalde angestellt hat. Jedes Jahr kommen 335.000 Tonnen CO2 hinzu, die | |
die Wälder der Berliner Forsten, die im Übrigen zu rund 40 Prozent auf | |
Brandenburger Gebiet liegen, der Atmosphäre ersparen. | |
Etwas mehr als die Hälfte davon ist tatsächlich in den Bäumen und dem Humus | |
gespeichert, der sich im Laufe der Zeit aus Blättern und Totholz bildet. | |
Der Rest errechnet sich aus dem „Produktspeicher“ – wenn Holz etwa als | |
Baustoff zur Anwendung kommt – und der sogenannten Substitution: Denn | |
selbst wenn Holz verbrannt wird, gelangt weniger Klimagas in die Luft als | |
bei der Verwendung fossiler Energieträger. Tatsächlich soll auch in den | |
Berliner Kraftwerken künftig ein größerer Biomasseanteil zum Einsatz | |
kommen. Gleichzeitig beteuert Staatssekretär Tidow: „Unser Ziel und | |
Anspruch ist, in Berlin stärker mit Holz zu bauen.“ | |
Aus der anderen Studie zur Wasserversorgung geht hervor, dass fast ein | |
Drittel des Berliner Trinkwassers aus Tiefbrunnen im Wald gewonnen wird – | |
das ist deutlich weniger als die Gewinnung des sogenannten Uferfiltrats in | |
der Nähe von Müggelsee oder Havel, aber immer noch ein bedeutender Anteil. | |
Wie Studienleiter Klaus Möller betonte, hat dabei der Durst der | |
StädterInnen in der Vergangenheit dem Wald durchaus Probleme bereitet: Der | |
Grundwasserspiegel sank in manchen Bereichen um mehrere Meter ab. | |
## Kiefern verdunsten alles | |
Auch darum ist laut Möller das laufende Mischwaldprogramm des Landes so | |
wichtig. Die Kiefer, der mit rund 65 Prozent Flächenanteil immer noch | |
dominante Berliner Waldbaum, verdunstet viel mehr Niederschlagswasser als | |
Laubbäume, nämlich das ganze Jahr über. Unter einer Kiefernpopulation, die | |
einige Jahrzehnte alt ist, sickert praktisch nichts mehr ins Grundwasser, | |
während kahle Eichen, Buchen, Ahorne oder Linden nach dem Laubabwurf das | |
meiste Wasser durchlassen. | |
Für den Umbau vom artenarmen Nadel- zum Mischwald nimmt Berlin laut Tidow | |
schon eine Menge Geld in die Hand: 7 Millionen Euro wurden seit Beginn des | |
Mischwaldprogramms 2012 investiert, jetzt habe man die Mittel noch einmal | |
aufgestockt. Nach Angaben der Senatsumweltverwaltung sind so in den | |
vergangenen Jahren rund 600 Hektar Mischwald mit fast 2 Millionen | |
Laubbäumen entstanden, durch die Förderung von Selbstaussaat und gezielte | |
Anpflanzung. | |
Wie Forsten-Chef Elmar Lakenberg erklärt, ist ein artenreicher Mischwald | |
deutlich robuster gegen Schädlinge und Krankheiten – und: „Er brennt | |
schlechter.“ Die Berliner Forsten stellten Überlegungen an, Saatgut von | |
Bäumen aus Regionen wie Rumänien zu importieren, deren Genetik besser an | |
ein wärmeres Klima angepasst sei. Dabei müsse es sich aber auch um hier | |
heimische Arten handeln. | |
Der gesetzliche Auftrag der Berliner Forsten, den landeseigenen Wald zu | |
pflegen und zu mehren, könnte im Übrigen künftig noch stärker als bisher | |
mit den Wohnungsbauzielen des Senats kollidieren. | |
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher hat vorgeschlagen, | |
Baumfällungen auf potenziellen Bauflächen zu vereinfachen. Dagegen ist es | |
der Job der Forsten, über die Jahre spontan entstandene Waldflächen auf | |
Brachen zu schützen oder nur gegen eine Kompensationszahlung freizugeben. | |
12 Sep 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.berlin.de/senuvk/forsten/aktuelles/index.shtml#studien | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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