# taz.de -- Asyl in Österreich: Schwul genug für die Behörde? | |
> Mehrfach haben Behörden in Österreich Asylbewerber abgelehnt, weil ihnen | |
> deren Homosexualität als Fluchtgrund nicht glaubwürdig erschien. | |
Bild: Zu aufgesetzt, zu dezent oder ausgleichend glaubwürdig homosexuell – s… | |
Wien taz | Österreichs Asylbehörden haben ein Problem mit Schwulen. Ob | |
Asylwerber sie von ihrer Homosexualität als Fluchtgrund überzeugen können, | |
gleicht einem Lotteriespiel. So wurde eben der [1][Fall eines 27-jährigen | |
Irakers] bekannt, dessen Asylantrag in Graz mit der Begründung abgelehnt | |
wurde „dass Sie sich erst ab den konkreten Fragen zu Ihrer Homosexualität | |
fortwährend steigernd, eines stereotypischen, jedenfalls überzogenen | |
'mädchenhaften’ Verhaltens (Mimik, Gestik) eines 'sexuell anders | |
Orientierten’ bedient haben“. Auf die Behörde habe das „lediglich gespie… | |
aufgesetzt und nicht authentisch“ gewirkt. | |
Vergangene Woche war die Geschichte eines schwulen Afghanen durch sämtliche | |
Medien gegeistert. Ein Beamter in Wiener Neustadt hatte seinen Antrag | |
abgewiesen: „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur | |
annähernd darauf hingedeutet, dass Sie homosexuell sein könnten“, so die | |
[2][Begründung von Oberrevident Ceka]. | |
Also was jetzt? Jeder Beamte hat seine persönlichen Vorstellungen, wie Gays | |
sich verhalten sollen. Nach Bedarf wirkt einer eben zu wenig oder zu heftig | |
schwul. „Wir glauben, dieses Vorgehen hat System“, meint [3][Joe | |
Niedermayer], Vorsitzender des Vereins RosaLila Pantherinnen in Graz. | |
Firas, der „zu mädchenhafte“ Iraker, ist seit acht Monaten bei den Rosalila | |
PantherInnen als ehrenamtlicher Berater tätig ist. In dieser Funktion habe | |
er auch eine Broschüre zum Thema “Coming Out“ ins Arabische übersetzt. | |
Außerdem habe er bei einschlägigen Veranstaltungen, wie dem Grazer | |
Tuntenball und dem CSD Parkfest mitgewirkt, heißt es auf der Homepage des | |
Vereins. Sein Wissen über diverse Onlineplattformen der LGBTIQA-Community | |
sowie eine detaillierte Aufzählung sämtlicher Grazer und Wiener | |
Szenelokale, in denen er regelmäßig verkehrt, scheint die Asylbehörde | |
genausowenig beeindruckt zu haben, wie die Lebensgefahr, in der Schwule im | |
Irak selbst in der eigenen Familie schweben. | |
## Anerkennungsquote bei Afghanen sinkt | |
Der Asylanwalt Georg Bürstmayr [4][sieht in einem Tweet] ein | |
grundsätzliches Problem: „Der eine #Asyl-Bescheid, für den Österreich | |
gerade international durch den Kakao gezogen wird, lässt sich ja leicht | |
verspotten. Dahinter verbergen sich aber: – hunderte ähnliche Bescheide und | |
– eine katastrophale Grundhaltung“. | |
Kein Lebensbereich ist in Österreich in den vergangenen 20 Jahren so oft | |
reformiert und verschärft worden, wie das Asyl- und Fremdenwesen. Da | |
spielte es wenig Rolle, ob der zuständige Innenminister der ÖVP oder der | |
SPÖ angehörte. „Das gehört zu den Fingerübungen eines Innenministers, alle | |
zwei Jahre ein schärferes Asylgesetz vorweisen zu können“, sagt Bürstmayr. | |
Seit aber Herbert Kickl von der FPÖ das Amt übernommen hat, werde das | |
„besonders deutlich kommuniziert“. | |
Das wirke sich auch auf die Beamten aus, die schon bisher zu negativen | |
Entscheiden tendiert hätten: „Häufiger als früher findet man in den | |
Bescheiden höchstpersönliche Vorhaltungen über Charakterzüge der | |
Asylwerber“. Oberrevident Ceka aus Wiener Neustadt, der übrigens vor | |
einigen Monaten von der Asylbehörde abgezogen worden ist, sei da nur „die | |
Spitze des Eisbergs“. | |
Derartige persönliche Vorhalte seien für Österreichs Verwaltung und Justiz | |
äußerst untypisch, sagt der Asylanwalt: „Nach 1945 hat man sich geeinigt, | |
betont sachlich zu argumentieren“, denn nach den Erfahrungen während des | |
Nationalsozialismus solle eine Verfahrenspartei nie wieder öffentlich | |
gedemütigt werden. | |
Vor allem bei Afghanen sei die Anerkennungsquote in letzter Zeit spürbar | |
gesunken, „obwohl sich die Lage in Afghanistan nachweislich verschlechtert | |
hat“, wie Bürstmayr ergänzt. Asylbeamte hätten ihm signalisiert, dass sie | |
unter Druck stünden. Für ihn sendet die Regierung ein doppeltes Signal aus: | |
einerseits an die eigene Klientel, die schon im Wahlkampf mit dem Schlager | |
„Grenzen dicht“ bedient wurde. Ganz bewusst würden da auch Forderungen | |
erhoben, die europarechtlich nicht halten werden, etwa nach | |
„Anlandezentren“ in Nordafrika. Andererseits gehe es um ein Signal an | |
potentielle Asylwerber im Ausland: „Seht her, in Österreich habt ihr keine | |
Chance“. | |
24 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://kurier.at/chronik/oesterreich/kein-asyl-iraker-praesentierte-sich-z… | |
[2] /!5528496/ | |
[3] https://www.homo.at/absurde-asylablehnungen-von-homosexuellen-auch-in-graz/ | |
[4] https://twitter.com/buerstmayr/status/1029743862317821958 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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