Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rücktritt von Ralf Stegner: Der Anti-Habeck zieht die Reißleine
> Der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef Ralf Stegner kommt seiner
> Abwahl zuvor und verzichtet auf eine erneute Kandidatur. Er will sich
> mehr in Berlin engagieren.
Bild: Der Ex und seine voraussichtliche Nachfolgerin: Ralf Stegner und Serpil M…
HAMBURG taz | Schon der morgendliche Post ließ aufhorchen. Wie jeden Tag zu
früher Stunde schickte der schleswig-holsteinische SPD-Landeschef am
Montagmorgen, Punkt 6.52 Uhr, seine täglichen „Grüße aus Bordesholm“ an …
Facebook-Gemeinde und versah sie mit seinem täglichen Musiktipp, den er
schon öfter als Tagesdeutung genutzt hatte. Diesmal sollten es The Clash
sein mit dem Titel „Should I stay or should I go?“
Acht Stunden später erklärte Ralf Stegner, er werde im kommenden März nicht
erneut als Landesvorsitzender der schleswig-holsteinischen SPD antreten.
Zwölf Jahre hatte Stegner, der auch Chef der SPD-Landtagsfraktion ist, das
Amt dann inne.
In der persönlichen Erklärung zu seinem Rücktritt betont Stegner, die
Entscheidung, nicht erneut für den Landesvorsitz zu kandidieren, sei ihm
„nicht leicht gefallen“, doch wolle er „keineswegs in den politischen
Ruhestand gehen“. Stattdessen wolle er als stellvertretender
Bundesvorsitzender die bundesweite Erneuerung der SPD stärker vorantreiben.
Während im Berliner Willy-Brandt-Haus die Kampfansage des ausgewiesenen
Parteilinken mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde, machte sich in der
Kieler SPD-Zentrale – nachdem ein paar pflichtschuldige Abschiedsworte
formuliert waren – Erleichterung breit. Erleichterung darüber, dass der
omnipräsente Parteichef die Zeichen der Zeit verstanden hat und nun aus
Eigeninitiative seinen Stuhl räumt, an dessen Beinen die Genossen schon
lange sägten.
Denn Stegner ist in der SPD, und nicht nur hier, seit Langem höchst
umstritten. Stegner ist alles andere als ein Sympath, dem die Herzen
potenzieller WählerInnen zufliegen. Er gilt seiner Partei als „der Mann,
mit dem man keine Wahlen gewinnt“, weil er das Sauertöpfische, das seine
Aura stets umgibt, nie abstreifen konnte. Der 58-Jährige gilt als der
einzige deutsche Politiker, der seine Mundwinkel noch tiefer hängen lassen
kann als die amtierende Kanzlerin.
Was immer Stegner mitzuteilen hat: Es kommt stets mit oberlehrerhafter
Attitüde daher, schneidend und undiplomatisch. Und trotz hoher
Medienpräsenz versteht es der gebürtige Pfälzer bis heute nicht, mit der
Kamera zu flirten – sein stechender Blick droht eher das Objektiv zu
zerstören. Mit diesem Auftreten galt Stegner in den vergangenen Jahren in
Schleswig-Holstein als Antithese zur grünen Charmeoffensive von Robert
Habeck, der in den letzten Jahren im nördlichsten Bundesland und darüber
hinaus zum Polit-Popstar aufstieg.
Schlimmer aber als Stegners Imageproblem ist für die Genossen, dass Stegner
in der schleswig-holsteinischen SPD von oben durchregierte und sich selbst
auch nach derben Wahlschlappen nie ernsthaft infrage stellte. Als die
schleswig-holsteinische SPD im Mai 2017 die Landtagswahl in den Sand
setzte, war Stegner in der SPD der Erste, der den Spitzenkandidaten Torsten
Albig öffentlich demontierte und der Einzige, der der Auffassung war, die
Niederlage habe mit ihm selbst rein gar nichts zu tun.
## Die Zeichen der Zeit
Spätestens seit der Kommunalwahl, bei der die SPD um 6,5Prozentpunkte auf
23,3 Prozent abrutschte, wird an dem Rückzug Stegners gearbeitet. So
forderte Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD), die Neuwahl zum
Landesvorstand im kommenden Jahr vorzuziehen und für eine „personelle
Erneuerung“ zu nutzen. „Es wäre der letzte Dienst, den er unserer Partei
erweisen kann, wenn er endlich zurückträte“, ätzte Ex-Innenminister Andreas
Breitner nach dem Wahldesaster in Richtung des Genossen. Stegner führe die
Nord-SPD „wie eine Ich-AG, die einzig und allein seinem Machterhalt“ dient.
Als mit der stellvertretenden Fraktionschefin [1][Serpil Midyatli] am 25.
August eine Gegenkandidatin ihren Hut in den Ring warf, war klar, dass sich
der Parteichef kaum würde halten können. Stegner verwarf seine Ankündigung,
sich erst im Oktober zu einer erneuten Kandidatur zu äußern, und zog die
Reißleine. Der Politologe ist Machtpolitiker genug, die Zeichen der Zeit zu
erkennen. Statt abgewählt zu werden, sicherte er Midyatli seine
Unterstützung zu und lobte sie über den grünen Klee.
Am Tag nach seiner Verzichtserklärung versah der SPD-Mann seine
Facebook-Grüße aus Bordesholm mit dem Musikclip „Herz über Kopf“. In dem
Song von Joris heißt es: „Und immer wenn es Zeit wird zu gehen, vergess
ich, was mal war, und bleibe stehen. Das Herz sagt: bleib, der Kopf
schreit: geh.“
Ralf Stegner hat diesmal auf seinen Kopf gehört.
6 Sep 2018
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5530077&s=Carini/
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Ralf Stegner
SPD Schleswig-Holstein
SPD
SPD
Ralf Stegner
SPD Schleswig-Holstein
Linke Sammlungsbewegung
SPD
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neue SPD-Landeschefin über ihre Pläne: „Mehr Teamwork, mehr Debatten“
Serpil Midyatli, erste Frau und Muslima als Landesvorsitzende der SPD in
Schleswig-Holstein, möchte verstärkt Kompetenzen zusammenbringen.
Linker Sozialdemokrat Ralf Stegner: Der Unvollendete
Ralf Stegner tritt als Vorsitzender der SPD Schleswig-Holstein ab.
Fraktionschef im Landtag und Bundes-Parteivize wird er bleiben.
Wechsel bei der Nord-SPD: Sie lacht noch mehr als Ralf Stegner
Die deutsch-türkische SPD-Politikerin Serpil Midyatli will in
Schleswig-Holstein den bisherigen SPD-Landeschef Ralf Stegner beerben. Wer
ist die Frau?
Linke Sammlungbewegung vor dem Start: Aufstehen – und dann?
Am Dienstag stellt Sahra Wagenknecht ihre Bewegung „Aufstehen“ vor. Was
will die Gruppe? Und wer macht mit?
Streit um Asyl in der Großen Koalition: SPD kündigt eigenen Masterplan an
Die SPD hat ein eigenes Konzept zum Umgang mit Asyl und Migration
angekündigt. Man könne sich weder auf Innenminister Seehofer noch auf die
Union verlassen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.