# taz.de -- Lehrerverband über Quereinsteiger: „Den Geburtenanstieg verpennt… | |
> Der Lehrerverbandsvorsitzende Meidinger beklagt zu viele Quereinsteiger | |
> im Schuldienst. Er fordert einheitliche Standards für ihre Ausbildung. | |
Bild: Neues Schuljahr, neuer Job – Tausende neuer Lehrer haben zuvor eigentli… | |
taz: Herr Meidinger, Sie sagen, 40.000 LehrerInnen fehlen – wie kommen Sie | |
auf diese horrende Zahl? | |
Heinz-Peter Meidinger: Zugegeben, das ist eine Schätzung. Die Ministerien | |
halten sich recht bedeckt, die Zahl der unbesetzte Stellen ist deutlich | |
geringer. Aber wenn man Seiteneinsteiger, Mehrarbeit, Pensionisten oder | |
eine Kürzung der Stundentafel dazurechnet, kommen wir auf bis zu 40.000 | |
Stellen, die nicht durch ordentliche ausgebildete Lehrer besetzt sind. Das | |
sind bei bundesweit 800.000 Lehrkräften bundesweit etwa 2 bis 3 Kollegen in | |
einem 50-köpfigen Kollegium, die fehlen. | |
Klingt nicht so schlimm. | |
Klingt am Schulanfang nicht so dramatisch. Aber wenn eine Lehrkraft dann | |
zusätzlich für längere Zeit ausfällt, oder bei der ersten Grippewelle, gibt | |
es sofort massive Probleme. An den Grundschulen habe ich in 30 Jahren | |
keinen so dramatischen Lehrermangel erlebt. | |
Wer ist schuld – die Kultusministerien, die für Schulen zuständig sind, | |
oder die Unis, die zu wenige LehrerInnen ausbilden? | |
Beide. Zum großen Teil sind die Probleme hausgemacht. Die Ministerien haben | |
den Geburtenanstieg einfach verpennt. Man hätte schon vor etlichen Jahren | |
die Lehrerausbildung massiv ausbauen müssen, stattdessen wurden Plätze | |
abgebaut. Die Hochschulen haben das gern gemacht, da Lehramtsstudiengänge | |
nicht so attraktiv und drittmittelrelevant sind wie andere Studiengänge. | |
Dazu kommt aber auch der so nicht vorhersehbare Zustrom an Flüchtlingen. | |
Ist es richtig, nun vor allem auf QuereinsteigerInnen zu setzen? | |
Daran wird man jetzt nicht vorbeikommen. Problematisch ist es allerdings, | |
wenn der Anteil bei den Neueinstellungen wie in Berlin bei fast 40, an den | |
Grundschulen bei über 70 Prozent liegt. | |
Sind diese neuen KollegInnen für Sie und Ihre Verbandsmitglieder überhaupt | |
vollwertige KollegInnen? Viele haben ja keine pädagogische Ausbildung. | |
Ich habe große Sorge, dass es zu Qualitätseinbußen kommt. Damit Sie mich | |
nicht falsch verstehen, ich habe nichts gegen pädagogisch gut | |
nachqualifizierte Seiteneinsteiger. Die hat es immer gegeben und es ist | |
bewältigbar, wenn es ein oder zwei pro Kollegium gibt. Da finden sich Zeit | |
und Leute für Nachqualifizierung und um sie zu coachen. Aber wenn ein | |
Kollegium zu einem Drittel oder zur Hälfte aus Quereinsteigern besteht, ist | |
das ein massives Problem. | |
Also sind die vielen QuereinsteigerInnen doch ein Problem. | |
Nicht der Seiteneinsteiger an sich ist das Problem, sondern die fehlende | |
Qualifizierung verbunden mit der hohen Anzahl. Hessen hat ja ein besonders | |
fragwürdiges System. Dort werden Quereinsteiger sofort in den Unterricht | |
geschickt und nach einigen Monaten schaut man, wer sich bewährt. Diese | |
Leute kriegen eine Qualifizierung, die anderen dürfen gehen. Dieses System | |
geht auf jeden Fall auf Kosten der Kinder. Keiner von uns möchte von einem | |
Piloten geflogen werden, der Seiteneinsteiger ist, oder von einem Arzt | |
operiert werden, der gerade noch berufsbegleitend Medizin studiert. Aber | |
bei Kindern schaut es gerade so aus, als könnte jeder unterrichten, der | |
halbwegs gut mit ihnen auskommt. In einer Klasse jedem Schüler individuell | |
gerecht zu werden und guten Unterricht zu halten, erfordert doch schon eine | |
andere Qualifikation. | |
Wären einheitliche Kriterien für die Qualifizierung von Seiteneinsteigern | |
sinnvoll? | |
Es gibt von Bundesland zu Bundesland verschiedene Regelungen. Ich bin ein | |
Anhänger des Bildungsföderalismus, aber auch ein Befürworter klarer | |
Standards. Insofern: Ja es braucht einheitliche Standards. | |
Wie viele Nachhilfestunden müssen es denn sein, damit aus der | |
Mathematikerin eine Mathematiklehrerin wird? | |
Eine Woche Crashkurs, wie er in Berlin angeboten wird, ist auf jeden Fall | |
zu wenig. Ideal wäre eine Qualifizierung, die dem Referendariat entspricht | |
– also ein bis anderthalb Jahre. | |
Ab 2026 soll sich der Lehrermangel Prognosen zufolge abschwächen. Ist es | |
klug, Abiturienten von heute zu raten, studiert Lehramt? | |
Ich bin generell vorsichtig mit Prognosen. Mein Rat wäre, jeder, der diesen | |
Beruf als Berufung empfindet, soll ihn ergreifen – und nicht so sehr auf | |
die Lehrerbedarfsprognosen schauen. | |
24 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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