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# taz.de -- Senioren in Russland: Putin korrigiert Rentenreform
> Nach Protesten macht der Präsident Zugeständnisse beim
> Renteneintrittsalter für Frauen. Vielen Unzufriedenen reicht das nicht.
Bild: „Putin, geh in Rente!“ Proteste gegen die Rentenreform am 18. Juli 20…
Kiew taz | In einer Fernsehrede hat Russlands Präsident Wladimir Putin am
Mittwoch persönlich die Verantwortung für die umstrittene Rentenreform
übernommen. Die Reform sei notwendig, müsse jedoch in einigen Punkten
abgemildert werden, so der Tenor der Rede. In den 90er-Jahren sei ein
demografisches Loch in Russland entstanden, das vergleichbar mit der
demografischen Krise der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg sei. Die
Rentenreform sei aber auch notwendig, weil die Rentenzahlungen ansteigen
würden, um tausend Rubel pro Jahr, so der Präsident.
Pünktlich zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft am 16. Juni hatte die
Regierung einen Gesetzesvorschlag im Parlament eingebracht, der eine
Erhöhung des Rentenalters bei Männern von 60 auf 65 Jahre und bei Frauen
von 55 Jahren auf 63 Jahre vorsieht. 2028 soll die Übergangszeit
abgeschlossen und die Reform vollständig in Kraft sein.
Dies hatte unmittelbar nach der WM landesweit zu zahlreichen Protesten
geführt. Erstmals hatten sich auch die Kommunistische Partei, die
Liberaldemokratische Partei und die Partei Gerechtes Russland gegen die
Rentenreform ausgesprochen, die sich bisher im Parlament weitgehend loyal
zur Regierung verhalten hatten.
In seiner Rede schlug Putin am Mittwoch einige Änderungen vor, mit denen er
Kritikern der Reform den Wind aus den Segeln nehmen will. Die wichtigste
Abmilderung sieht vor, dass Frauen bereits mit 60 Jahren in Rente gehen
können. Damit würde sich das Renteneintrittsalter für sie nur um fünf Jahre
erhöhen.
## Mehr Fortbildung
Mütter von drei Kindern sollen mit 57 Jahren, Mütter von vier Kindern mit
56 Jahren und Mütter von fünf Kindern und mehr mit 50 Jahren in Rente gehen
dürfen. Arbeitgeber sollen administrativ und strafrechtlich zur
Verantwortung gezogen werden, wenn sie Angestellte und Arbeiter im
Vorrentenalter entlassen.
Außerdem sollen die Arbeitslosenhilfe für Personen im Vorrentenalter um das
Doppelte erhöht sowie Angebote im Fortbildungsbereich erweitert werden.
Niemand zweifelt daran, dass das Parlament die „Vorschläge“ umsetzen wird.
Wer sich das russische Staatsfernsehen Rossija 24 ansieht, gewinnt den
Eindruck, Putin habe mit seiner Abmilderung seine Kritiker versöhnt. Immer
wieder kommt die Putin-nahe Partei der Rentner zu Wort, die Putin für sein
Verständnis lobt. Putin habe in seiner jüngsten Erklärung die Forderungen
der Partei der Rentner weitgehend übernommen. Seine jüngste Rede habe
gezeigt, dass der Präsident auf die Meinung der alten Generation höre.
Wer sich jedoch in den russischen sozialen Netzwerken umtut, spürt wenig
Loyalität gegenüber den Rentenplänen. „Wie soll ich meinem Freund nur
beibringen, dass Putin wünscht, ich solle mehrere Kinder bekommen?“,
beklagt sich Alexandrina auf Twitter.
## Ab ins Gefängnis
Die Rentenreform sei der Versuch, sich eines Teiles der Bevölkerung zu
entledigen, schreibt ein Mann namens Wladislaw Schukowskij im Netzwerk
ok.ru.
Der Fotograf Nikolaj Sternin aus der sibirischen Provinzstadt Angarsk, der
in der Vergangenheit kaum politische Statements gepostet hatte, fordert
seine Leser auf, die Forderung „Wählt keine Vertreter von Putins Partei
Einiges Russland in Parlamente“ in den sozialen Netzwerken zu teilen. Ein
Larion Kuminskij fordert auf Facebook, die Verantwortlichen der
Rentenreform ins Gefängnis zu sperren, „wegen Genozids“.
„Lasst euch nicht beirren“, schreibt ein User aus Irkutsk auf Facebook.
„Putin ist nicht Russland. Putin ist das System von Oligarchen und
korrupten Bürokraten. Das ist ein System, in dem das Volk völlig
bedeutungslos ist.“
30 Aug 2018
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Wladimir Putin
Einiges Russland
Russland
Rentenreform
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Rentner
Russland
Frauen-WM 2019
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