# taz.de -- Nach der Präsidentschaftswahl in Mexiko: Sparen für soziale Zwecke | |
> Mexikos designierter Präsident López Obrador will strukturschwache | |
> Regionen fördern. Die Bevölkerung hat davon vermutlich nur wenig. | |
Bild: Sonderwirtschaftszonen im ländlichen Raum: Ob das den Ärmeren nützt, i… | |
Keine private Krankenversicherung, keine schicken Limousinen und nur noch | |
das halbe Gehalt. Für hochrangige Beamten der mexikanischen Regierung | |
brechen neue Zeiten an. Wenn der designierte Präsident Andrés Manuel López | |
Obrador im Dezember sein Amt antritt, will er radikale Kürzungen im eigenen | |
Budget vornehmen. Nur wenige Tage nach [1][seiner Wahl am 1. Juli] hatte | |
der Politiker der linken Morena-Partei seinen eigenwilligen Austeritätsplan | |
verkündet. Ein 50-Punkte-Programm soll dafür sorgen, dass die Ausgaben der | |
Regierung massiv sinken und der Korruption ein Ende gesetzt wird. So will | |
López Obrador Milliardengelder sparen und damit seine sozialen Vorhaben | |
finanzieren: höhere Mindestrenten, Stipendien für Studenten, neue | |
Arbeitsplätze. | |
Den Anfang machte der Politiker selbst. „Ich werde 108.000 Pesos (knapp | |
4.900 Euro) monatlich verdienen, das sind etwa 40 Prozent des Gehalts, das | |
der amtierende Präsident erhält“, erklärte der angehende Staatschef vor | |
einigen Tagen. Die Hubschrauber und Flugzeuge der Regierung sollen | |
verkauft, Auslandsreisen erheblich reduziert und das Vertrauenspersonal um | |
70 Prozent gesenkt werden. Gutverdiener müssen künftig sparen. „Wir werden | |
die Löhne hoher Amtsträger, die bislang über 1.000.000 Pesos jährlich | |
erhalten, um die Hälfte kürzen“, kündigte der 64-Jährige an. | |
Bei seinen Anhängern kommen die Maßnahmen gut an. Sie klingen nach | |
Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit, und dafür wurde López Obrador gewählt. | |
Viele Mexikaner haben genug von Politikern, die vor allem auf das schnelle | |
Geld aus sind. Dennoch werfen die wirtschaftspolitischen Entwürfe des | |
künftigen Präsidenten einige Fragen auf. So plant er den intensiven Aufbau | |
von Sonderwirtschaftszonen (ZEE) im Süden des Landes. „Wir werden diese | |
Zonen so intensiv unterstützen, wie es nötig ist“, erklärte die | |
Morena-Parteipräsidentin Yeidckol Polevnsky, „das Unternehmertum fordert | |
das schon lange“. | |
Das Projekt wurde unter der noch amtierenden Regierung ins Leben gerufen. | |
Steuerstreichungen und billige Arbeitskräfte sollen Investoren in die | |
armen, agrarisch geprägten Regionen locken und für wirtschaftlichen | |
Aufschwung sorgen. Doch bei vielen Linken und indigenen Gemeinden – der | |
Basis von López Obrador – stoßen die ZEE auf scharfe Kritik. Schon jetzt | |
hätten Megaprojekte das soziale Netz zerstört, die Umwelt vergiftet und | |
soziale Rechte verletzt, kritisiert die im südlichen Bundesstaat Oaxaca | |
ansässige Nichtregierungsorganisation Educa. Mit den ZEE werde diese | |
Verwüstung im Interesse der politischen Elite und des Kapitals fortgesetzt. | |
Educa befürchtet, dass die Projekte über die Köpfe der Indigenen hinweg | |
durchgesetzt werden und zu gewalttätigen Eskalationen zwischen den | |
Gewinnern und den Verlierern der Industrialisierung führen. | |
## Prekäre Löhne für lokale Arbeitskräfte | |
Auch der Wirtschaftsberater Carlos Brown Solá glaubt nicht daran, dass die | |
ZEE eine nachhaltige Entwicklung fördern. Es gehe darum, niedrig | |
qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen. Das werde nicht dafür sorgen, dass | |
die Menschen sich fortbilden. „Firmenbesitzer, die von auswärts kommen, | |
werden viel verdienen, während die lokalen Arbeitskräfte prekäre Löhne | |
erhalten“, befürchtet Solá. Auf jeden Fall werden die ZEE-Pläne mit López | |
Obradors Versprechen kollidieren, die Rechte der indigenen Bevölkerung zu | |
respektieren. | |
Der künftige Präsident setzt auch in anderen Regionen verstärkt auf private | |
Investoren. Entlang der Grenze zu den USA soll ein 30 Kilometer breiter | |
Streifen entstehen, in dem die Steuern gesenkt und an die Abgaben in den | |
angrenzenden US-Bundesstaaten angepasst werden. López Obrador erhofft sich | |
damit einen Schub für die technologische und produktive Entwicklung, | |
sprich: für die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Das wird der letzte Vorhang | |
sein, um Arbeiter auf unserem Territorium festzuhalten“, schrieb er in | |
einem Brief an US-Präsident Donald Trump. | |
Kaum gewählt, setzte sich der Morena-Politiker mit seinem künftigen | |
Kollegen aus dem Norden in Verbindung. Auch Trump behandelt den Mexikaner, | |
als wäre dieser bereits im Amt. So trafen hochrangige Vertreter der | |
US-Regierung bei ihrem letzten Besuch in Mexiko neben dem amtierenden | |
Staatschef Enrique Peña Nieto auch Minister des künftigen Kabinetts. Eine | |
enge Beziehung würde ihn „sehr glücklich“ machen, ließ der US-Präsident | |
wissen. Man darf ihm das glauben. López Obrador will die ländliche | |
Entwicklung fördern, damit niemand mehr in die USA migrieren muss. Und er | |
will die Löhne deutlich anheben. Beide Ziele sind im Interesse Trumps. | |
## Uneindeutige Worte aus dem Norden | |
Doch mit Blick auf die Neuverhandlung des Freihandelsvertrags zwischen den | |
USA, Kanada und Mexiko (Nafta) äußert sich der US-Präsident weiterhin nicht | |
eindeutig. Trump und López Obrador drängen zwar auf eine baldige Einigung, | |
Trump verband seinen Willen aber mit einer Drohung. Entweder man einige | |
sich schnell, oder er müsse einen grundlegend anderen Weg einschlagen, | |
schrieb er seinem mexikanischen Amtskollegen. „Zweiteres erscheint mir zwar | |
nicht wünschenswert, aber für die USA und ihre Steuerzahler wäre es | |
wesentlich nutzbringender.“ | |
Was Trump mit diesem Satz genau meinte, bleibt sein Geheimnis. Für Mexiko | |
ist der Rüpel aus dem Norden jedenfalls weiterhin ein unberechenbarer | |
Partner. Zugleich ist das Land aber wirtschaftlich von den USA abhängig. 80 | |
Prozent aller Exporte gehen über den Rio Bravo. López Obrador will diese | |
Abhängigkeit reduzieren. So will er die Erdölförderung und -verarbeitung | |
stärken, damit Mexiko keinen Treibstoff mehr aus den USA kaufen muss. Die | |
sechs existierenden Raffinerien sollen auf Vordermann gebracht und | |
mindestens eine neue Anlage gebaut werden. Massive Erhöhungen des Benzin- | |
und Strompreises, wie sie die Bürger in den letzten Jahren hinnehmen | |
mussten, werde es nicht mehr geben, verspricht López Obrador. | |
Optimistisch gibt er sich auch mit Blick auf das Bruttosozialprodukt: „Wir | |
erwarten, dass es um vier Prozent jährlich steigt, doppelt so viel wie in | |
der neoliberalen Periode.“ Der Internationale Währungsfonds ist da | |
zurückhaltender. Er hat die Mexiko-Prognose für 2019 nach der Wahl von | |
López Obrador von 3 auf 2,7 Prozent Wirtschaftswachstum nach unten | |
korrigiert. | |
2 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
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