| # taz.de -- Podiumsdiskussion zu Israel-Boykott: Die unbeliebte Synagoge | |
| > Auf der Ruhrtriennale wurde über die „Freiheit der Kunst“ diskutiert. | |
| > Doch blieb ein Dialog mit Unterstützern der BDS-Bewegung weitgehend aus. | |
| Bild: Das hochkarätig besetzte Podium in der Bochumer Turbinenhalle | |
| Der britische Comedyautor David Schneider erzählte letztens auf Twitter | |
| einen Witz. Ein schiffbrüchiger Jude wird von einer einsamen Insel | |
| gerettet. Seine Retter sind verwundert. Er hat ein Haus und zwei Synagogen | |
| gebaut. „Warum zwei Synagogen?“, fragen sie. Er antwortet: „In der einen | |
| bete ich, in der anderen will ich auf keinen Fall gesehen werden.“ | |
| Schneider zeigt damit die Haltung vieler diasporischer Juden gegenüber | |
| Israel. Für die einen ist der Staat ein Zufluchtsort, andere kritisieren | |
| seinen „Zionismus“ und unterstützen zum Teil die BDS-Bewegung („Boycott, | |
| Divestment and Sanctions“), die einen ökonomischen und kulturellen Boykott | |
| Israels verfolgt. | |
| Am Samstag bei der Ruhrtriennale in Bochum war aber klar, welche die | |
| unbeliebte Synagoge war: die, in der die Kritiker des BDS beten. Seit | |
| Wochen stehen das Theaterfestival und seine Intendantin Stefanie Carp in | |
| der Kritik, weil sie die schottische Band Young Fathers, die ebenfalls den | |
| BDS unterstützt, erst ein-, dann aus-, dann wieder eingeladen hatte. | |
| Schließlich sagte die Band den Auftritt ab. | |
| Stattdessen organisierte die Ruhrtriennale am gleichen Tag eine | |
| Podiumsdiskussion über die „Freiheit der Kunst“. Auf dem Podium saß Carp | |
| gemeinsam mit der NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, Michael | |
| Vesper von den Freunden der Ruhrtriennale, dem Musiker Schorsch Kamerun, | |
| der Tanz-Dramaturgin und BDS-Unterstützerin Hildegard de Vuyst sowie dem | |
| Musiker Elliott Sharp. Sharp war lange Teil der „Radical Jewish Culture“ | |
| des Free-Jazz-Musikers John Zorn, mittlerweile hat er öffentlich damit | |
| gebrochen und unterstützt ebenfalls den Boykott. Jüdische Kritiker des BDS | |
| waren in der Jahrhunderthalle also zum Zuschauen verdammt. | |
| Draußen vor der Halle war das anders. Etwa zwei Dutzend BDS-Unterstützer | |
| standen über 200 Demonstranten gegenüber, die „keinen Platz für kulturellen | |
| Antisemitismus“ forderten. Auf dem Podium war der antisemitische Charakter | |
| der BDS-Bewegung aber nicht das dominante Thema. Stattdessen drehte es sich | |
| erst mal darum, ob BDS-Unterstützer denn per se antisemitisch seien – was | |
| eine andere Frage ist. Für die Young Fathers gelte das nicht, waren sich | |
| etwa Ruhrtriennale-Chefin Carp und der Hamburger Musiker Schorsch Kamerun | |
| einig. Letzterer fand jedoch, dass Künstler solche Konflikte lieber in der | |
| Kunst thematisieren sollten, anstatt nur politisch Position zu beziehen. | |
| Dominant waren jedoch identitätspolitische Argumente – egal, ob für oder | |
| gegen den BDS. „Wir Deutschen können nicht die Bilder unserer Väter und | |
| Großväter aus der Vergangenheit herausnehmen, die Schilder mit ‚Kauft nicht | |
| bei Juden‘ aufgehängt haben“, sagte Michael Vesper. „Muss man als Deutsc… | |
| eine Ausnahme in der internationalen Beurteilung des ungesetzlichen | |
| Verhaltens von Israel sein?“, fragte Hildegard de Vuyst zurück. Elliott | |
| Sharp führte dagegen seine Mutter, eine Holocaustüberlebende, als Beispiel | |
| an. Ein in den USA geplantes Gesetz könne eventuell bald dafür sorgen, dass | |
| sie sich strafbar macht, wenn sie BDS unterstützt, so Sharp: „Soll ich sie | |
| dann bei der Polizei anschwärzen?“ | |
| ## Der Dialog blieb weitesgehend aus | |
| Schlauer war dagegen Moderator Norbert Lammert. Er thematisierte einen | |
| Widerspruch in der BDS-Ideologie: Warum die Bewegung nur Israel boykottiere | |
| und nicht etwa auch andere Länder, in denen Menschenrechte verletzt würden, | |
| fragte er Hildegard de Vuyst. Die drückte sich um eine Antwort herum. | |
| „Juden wollen auch reden“, rief eine Frau mit russischem Akzent aus dem | |
| Publikum dazwischen: „Sie bringen uns nicht zum Schweigen.“ | |
| Auf dieses Stichwort hatte de Vuyst gewartet. Sie übergab das Mikrofon an | |
| Udi Aloni, einen jüdisch-israelischen BDS-Aktivisten. Er setzte zu einem | |
| fünfminütigen Redeschwall an, sprach von „fünf Millionen Palästinenser oh… | |
| Menschenrechte“ in Israel und beschuldigte zum Schluss die BDS-Kritiker, | |
| ihm vorzuschreiben, was es bedeute, ein Jude zu sein. Lammert durchschaute | |
| die Schimäre: „Niemand hier am Podium hat Ihnen gesagt, wie sie sich | |
| verhalten sollen.“ | |
| Es war der Tiefpunkt eines Nachmittags, an dem ein Dialog über weite | |
| Strecken ausblieb und durch das Verlesen von Positionen ersetzt wurde. | |
| Freuen dürften sich darüber zuerst die BDS-Aktivisten. Sie kamen durch die | |
| Debatte, ohne eine einzige an sie gerichtete Frage wirklich beantwortet zu | |
| haben. | |
| 19 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Werthschulte | |
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