# taz.de -- Bremer Varietétheater GOP: Mit Kleid, ohne Knochen | |
> Fünf Jahre nach der Eröffnung hat sich das Varietétheater GOP fest | |
> etabliert. Seine Show „Freaks“ vermeidet Voyeurismus und setzt | |
> stattdessen auf Artistik. | |
Bild: Das Stück „Freaks“ überzeugt trotz einiger Peinlichkeiten mit Artis… | |
BREMEN taz | Das Bezaubernde und das Peinliche liegen ja oft nah | |
beieinander, gerade im Varietétheater, und erst recht, wenn es um „Freaks“ | |
gehen soll. Da werden Erinnerungen an dunkle Zeiten dieser Kunst wach, in | |
denen im Zeichen von Kolonialismus und Imperialismus das scheinbar Normale | |
gefeiert und auf sogenannten „Abnormitätenschauen“ Kapital aus „lebenden | |
Kuriositäten“ geschlagen wurde. Egal, ob es siamesische Zwillinge, | |
Kleinwüchsige, indigene Menschen oder solche mit Fehlbildungen waren – sie | |
wurden ausgestellt und hemmungslos beglotzt. | |
Natürlich entgeht die Show [1][„Freaks“] im Bremer GOP-Theater dieser | |
Gefahr, gleichzeitig kann es sich dieser Referenz aber nicht ganz | |
entziehen. Die „Frau mit Bart“, die früher als „Affenfrau“ vermarktet | |
worden wäre, darf hier also nicht fehlen, und sei auch – hihi! – als Mann | |
im Kleid, der das heteronormative Weltbild festigt. | |
Ansonsten verzichtet die Show aber auf derlei Peinlichkeiten, sieht man | |
vielleicht von dem Clown ab, der durch die Show führt und vor zotigen | |
Witzen und einer gewissen Verächtlichmachung des Publikums nicht ganz | |
zurückschreckt. | |
Zugleich aber glänzt das Varieté im GOP hier einmal mehr durch | |
atemberaubende und faszinierende Artistik auf allerhöchstem Niveau und | |
KünstlerInnen, die aus der ganzen Welt kommen. Daran hat man sich hier zwar | |
mittlerweile gewöhnt, selbstverständlich aber ist es nicht. | |
[2][Knapp fünf Jahre ist es her, dass das GOP in der Überseestadt ein | |
Theater eröffnete], gleich neben einem Hotel, mit dem es gedeihlich | |
zusammen arbeitet. Ihren Sitz hat die Varietékette in Hannover, | |
mittlerweile gehören sieben Theater zum Betrieb, bald werden es acht sein – | |
Hamburg kommt als neuer Standort dazu. Und so kommt „Freaks“ auch frisch | |
aus Münster, wo das Ensemble insgesamt 78 Shows ablieferte, acht pro Woche. | |
In Bremen, wo GOP vier Millionen Euro investierte, arbeiten nach wie vor | |
100 Leute für das Theater, erwartet wurden 100.000 BesucherInnen im Jahr. | |
Nun kommen im Durchschnitt sogar 120.000 Gäste pro Jahr, sagt Christine | |
Sollmann, stellvertretende Direktorin des Bremer Hauses. Die | |
durchschnittliche Auslastung liege bei rund 80 Prozent. | |
Zum Vergleich: In der letzten Spielzeit kamen rund 180.000 BesucherInnen | |
ins das Theater am Goetheplatz. In der ersten Spielzeit des amtierenden | |
Intendanten Michael Börgerding vor sechs Jahren waren es noch 156.000. Und | |
das auf Boulevardtheater spezialisierte Packhaustheater im Schnoor kam bei | |
einer Auslastung von knapp 73 Prozent und knapp 500 Vorstellungen nach | |
eigenen Angaben auf rund 65.000 BesucherInnen. Die abgelaufene Saison war | |
die „wirtschaftlich erfolgreichste“, seit er vor 16 Jahren in Bremen | |
angefangen habe, sagt der Theatermacher Knut Schakinnis, der auch das | |
benachbarte Theaterschiff bespielt. | |
„Unser Kernpublikum kommt aus Bremen und umzu“, sagt Sollmann. Altersmäßig | |
sei das Publikum „sehr durchmischt“, zudem gebe es viele Stammgäste, die | |
mehrfach im Jahr kämen. Seinen Geburtstag will das GOP aber erst zur | |
kommenden Show „Backstage“ so richtig feiern, die ab 29. August auf der | |
Bühne zeigen soll, wie das Leben dahinter so ist. | |
Natürlich werden hier im Varieté keine richtigen Geschichten erzählt, dafür | |
ist das Ganze dann doch zu sehr Zirkus, zu szenisch arrangiert. Bei | |
„Freaks“ finden sich dabei Figuren, die auch an das klassische Varieté | |
erinnern, aber einen vor allem staunen lassen und eben einfach gut | |
unterhalten. | |
Eine „Frau ohne Knochen“ gehört dazu, in diesem Fall die Neuseeländerin | |
Bronwen Pattison. Oder die Schwertschluckerin Missa Blue – klar, das hat | |
man anderswo schon mal gesehen, wahrscheinlich im Video, aber es ist eben | |
doch viel beeindruckender, wenn es live geschieht. | |
Und sollten Sie jetzt an eine der Supertalent-Shows denken, die das | |
Privatfernsehen hervorgebracht hat: Einer der beeindruckenden Acts des | |
zweistündigen Abends, das ukrainische Sport-Akrobaten-Duo Vladimir & | |
Vladimir, ist mit seinen lebensgefährlichen Handstandtricks mal in einer | |
amerikanischen Supertalentshow groß rausgekommen. | |
3 Aug 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=qxqfqPi1J1g | |
[2] /Archiv-Suche/!5059013&s=GOP/ | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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