# taz.de -- Schwimmkenntnisse bei Bremer Kindern: Seepferdchen reicht nicht | |
> Um die Schwimmkenntnisse bei Kindern ist es schlecht bestellt: Das zeigen | |
> nicht nur die inzwischen sechs Bremer Badetoten, sondern auch eine | |
> Forsa-Umfrage. | |
Bild: Sieht familienfreundlich aus, hat aber Tücken: die Badestelle beim Café… | |
BREMEN taz | Erst am vergangenen Dienstag ertrank im Werdersee wieder ein | |
Mensch. Nach nunmehr sechs tödlichen Badeunfällen in diesem Jahr in Bremen | |
ist die Diskussion um die Schwimmkenntnisse vor allem von Kindern und | |
Jugendlichen wieder aktuell. | |
Bereits Ende April hatte die Bürgerschaft in einem Beschluss gefordert, den | |
Fokus wieder auf die Schwimmfähigkeit bei Kindern und Jugendlichen zu legen | |
– die ist in den vergangenen Jahren nämlich kontinuierlich zurückgegangen. | |
„Unsere Wahrnehmung ist, dass ein Drittel bis die Hälfte aller Kinder nicht | |
schwimmen kann“, sagt Oliver Paust von der DLRG. „Wir sehen in der | |
täglichen Erfahrung, dass da viele Leute im Wasser sind, die sich mehr | |
schlecht als recht fortbewegen können.“ | |
In Bremen erhalten Kinder in der dritten Klassenstufe Schwimmunterricht. | |
„Für das Schuljahr 2017/18 hatten wir 4.228 Schülerinnen und Schüler, die | |
am Schwimmunterricht teilgenommen haben“, sagt die Sprecherin des | |
Bildungsressorts, Annette Kemp. „Zu Beginn des Unterrichts konnten 49,3 | |
Prozent der Kinder schwimmen, zum Ende waren es 72,3 Prozent.“ | |
Von den über 4.000 SchülerInnen, die am Schwimmunterricht im vergangenen | |
Schuljahr teilgenommen haben, haben jedoch nur knapp über 3.000 Kinder ein | |
Abzeichen wie etwa das Seepferdchen, Bronze, Silber oder Gold erreicht. Und | |
selbst wer immerhin das Seepferdchen errungen hat, kann damit noch lange | |
nicht schwimmen: „Mit dem Seepferdchen ist man beileibe kein sicherer | |
Schwimmer“, sagt Oliver Paust. | |
Er sieht beim Schwimmenlernen vor allem die Eltern in der Pflicht: „Man | |
kann darüber streiten, inwiefern der Schwimmunterricht zum Bildungsauftrag | |
in den Schulen gehört. In der Verantwortung stehen grundsätzlich erst mal | |
die Eltern.“ | |
Die DLRG und die Bremer Bäder bieten dafür Schwimmkurse an. Während nach | |
Auskunft der Bremer Bäder jedes Kind dort einen Platz erhält, gibt es bei | |
der DLRG Wartelisten: „Das liegt aber auch daran, dass wir als | |
eingetragener Verein keine Gewinne erwirtschaften dürfen: So sind wir etwas | |
günstiger als andere“, sagt Oliver Paust. | |
Aber auch außerhalb von Schwimmkursen sollten Eltern ihre Kinder mit Wasser | |
vertraut machen: „Grundsätzlich möchten wir Eltern dazu aufrufen, | |
frühzeitig mit dem Nachwuchs in das Schwimmbad zu gehen und es noch vor dem | |
Schulschwimmen in der dritten Klasse zu einem Schwimmkurs anzumelden“, sagt | |
Laura Schmitt von den Bremer Bädern. „Beim Schulschwimmen sollen bereits | |
vorhandene Kenntnisse verbessert beziehungsweise erweitert werden. Der | |
Alltag zeigt hingegen leider, dass einige Kinder in diesen Momenten | |
Schwimmbäder das erste Mal von innen sehen.“ | |
## Gefährliche Badestelle | |
In Bremen gibt es zumindest eine Badestelle, in der auch geübte Schwimmer | |
schnell in Bedrängnis kommen können: die Weser in Höhe des Café Sand. | |
Starke Strömung, enger Kontakt zur Binnenschifffahrt und das Fehlen einer | |
Badeaufsicht ergeben hier eine gefährliche Mischung. | |
„Wir raten generell davon ab, in Flüssen zu schwimmen“, sagt Oliver Paust. | |
Die DLRG hatte bis Anfang der 1980er-Jahre eine Rettungsstation vor Ort: | |
„Aber weil die Weser damals so verschmutzt war, dass Badeverbote verhängt | |
wurden, waren wir damit überflüssig.“ | |
Die DLRG sei zwar zu Gesprächen darüber bereit, auch am Café Sand wieder | |
die Badeaufsicht zu übernehmen, allerdings müsse die Stadt die Kosten für | |
die nötige Infrastruktur übernehmen. „Und wir müssten Leute anwerben, denn | |
mit der jetzigen Mannschaftstärke haben wir nicht genug Kapazitäten, um | |
dort eine zusätzliche Station zu betreiben.“ | |
## Würde ein Schwimmverbot helfen? | |
Von einem Schwimmverbot hält zumindest der Sprecher des Bau- und | |
Umweltressorts, Jens Tittmann, wenig: „Bis auf ein paar Stellen ist das | |
Schwimmen in der Weser erlaubt – und es gibt in Deutschland ein Recht zur | |
Selbstgefährdung, so komisch es klingt.“ | |
Zur Verbesserung der Schwimmkenntnisse müssen künftig viele Akteure an | |
einem Strang ziehen: Während das Umweltressort nur für die Überwachung der | |
Wasserqualität und die eventuelle Verhängung von Badeverboten zuständig | |
ist, obliegt das Schulschwimmen der Bildungssenatorin. | |
Die Schwimmbäder wiederum unterstehen der Sozial- und Sportsenatorin. Die | |
in Bremen ausgewiesenen Badestellen sind in der Gemeingebrauchsverordnung | |
geregelt, für die das Innenressort zuständig ist. Und ändern könnte man die | |
nur auf Antrag der Bürgerschaft. | |
Jens Tittmann sieht es so: „Letztlich ist das keine Verbots-, sondern eine | |
Vernunfts- und Verantwortungsdebatte.“ | |
10 Aug 2018 | |
## AUTOREN | |
Karolina Meyer-Schilf | |
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