| # taz.de -- Menschenrechte unter Wladimir Putin: Klüger als die Polizei erlaubt | |
| > Russische Behörden verhindern die Transparenz im Strafvollzug. Doch | |
| > Aktivisten schaffen es immer wieder, Belege für Folter zu | |
| > veröffentlichen. | |
| Bild: Musste auch ins Gefängnis: Pussy-Riot-Mitglied Veronika Nikulschin | |
| Unter Russlands BürgerrechtlerInnen herrschte Hoffnung, als im Jahr 2008 | |
| das Gesetz über „Gesellschaftliche Beobachterkommissionen“ (russische | |
| Abkürzung: ONK) in Kraft trat. Gruppen von mindestens zwei Personen, auf | |
| drei Jahre delegiert von Menschenrechtsorganisationen, sollten überall, wo | |
| Leute in Haft saßen, die Bedingungen kontrollieren dürfen – im großen | |
| Arbeitslager ebenso wie in der Isolierzelle auf dem Flughafen. | |
| Geschätzt 800 AktivistInnen gingen in die Haftanstalten, um dort die | |
| Bedingungen zu prüfen. Doch die Enttäuschung folgte bald. Swetlana | |
| Gannuschkina, Leiterin des Netzwerks „Migration und Recht“ und Trägerin des | |
| Alternativen Nobelpreises, erinnert sich: „Ihre Reisen finanzierten sie | |
| persönlich oder unternahmen sie auf Kosten von | |
| Nichtregierungsorganisationen – manchmal über Tausende von Kilometern. Aber | |
| man behinderte die Mitglieder der Beobachterkommissionen, wie es nur ging, | |
| verhinderte ihren Kontakt mit den Verurteilten, ließ sie die Spuren von | |
| Folterungen nicht fotografieren.“ | |
| Doch oft schafften es die AktivistInnen trotz dieser Hindernisse, Belege | |
| für Misshandlungen zu veröffentlichen. Von Hunderten von Fotos, Interviews, | |
| Kopien von Dokumenten und Bankauszügen stellten sie viele ins Internet und | |
| lieferten so einen Eindruck vom Strafvollzugssystem im ganzen Land. Ein | |
| besonders engagiertes ONK-Mitglied aus einem mittelrussischen Wahlkreis | |
| möchte seinen Namen nicht gedruckt sehen, dafür aber seine Bilanz: | |
| „In den Lagern des Föderalen Dienstes für Strafvollzug (FSIN) kann man | |
| umbringen, wen man will, weil die Staatsanwaltschaft es deckt. Dort | |
| vernichten Russlands Machthaber ihre Bürger. Der Unterschied zwischen den | |
| Straflagern im heutigen Russland und den Konzentrationslagern im | |
| faschistischen Deutschland ist für mich nur graduell. Ich kenne etwa | |
| vierzig Fälle von Menschen, die während der Folter auf Polizeirevieren, in | |
| Straflagern oder Untersuchungsgefängnissen starben; weitere rund hundert, | |
| in denen sie danach schwer behindert blieben.“ | |
| In die jüngsten Beobachterkommissionen lässt man kaum mehr engagierte | |
| MenschenrechtlerInnen. Stattdessen rücken nun Generäle nach, | |
| Geheimdienstler und in einem Fall sogar der Exchef des für seine | |
| Foltermethoden berüchtigten Moskauer Untersuchungsgefängnisses Butyrka. | |
| Seit 2016 kommt es zu physischen Attacken auf ehemalige ONK-Mitglieder, | |
| andere werden aufgrund von gefälschten Beweisen vor Gericht angeklagt. | |
| Ihnen drohen genau die Haftbedingungen, die sie bekämpften. | |
| 22 Aug 2018 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Kerneck | |
| ## TAGS | |
| Russland Heute | |
| Russland | |
| Gefängnis | |
| Menschenrechte | |
| Folter | |
| Russland | |
| Russland | |
| WM-taz 2018: Neben dem Platz | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| In Russland inhaftierter Oleg Senzow: Gnadengesuch eiskalt abgelehnt | |
| Die Mutter des ukrainischen Filmemachers Oleg Senzow versucht vergeblich, | |
| ihren Sohn frei zu bekommen. Der ist weiter im Hungerstreik. | |
| Menschenrechte unter Wladimir Putin: Geschacher im Gulag | |
| In Russland zahlen die Familien von Häftlingen dafür, dass die | |
| Gefängniswärter ihre Verwandten am Leben lassen. Und sie weniger foltern. | |
| Russland, Fußball-WM und Repression: Hier das Stadion, dort die Strafkolonie | |
| Russland ist im WM-Fieber, die Fans sind begeistert. Doch hinter den | |
| glänzenden Fassaden geht die Repression gegen Andersdenkende weiter. |