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# taz.de -- Zu Besuch bei einem Gewürz-Start-up: „Grill more, Girls!“
> Auf der Suche nach den besten Pfeffersorten reisen die Gründer der
> „Spicebar“ um die Welt. Ihre Kunden haben es leichter: Sie bestellen
> online.
Bild: Schade, dass es kein Geruchsinternet gibt: Kai Dräger im Lager von Spice…
Schon unten am Fahrstuhl kann man es riechen: Curry. Pfeffer. Nelken.
Vielleicht auch eine Prise Kardamon? Dabei muss man zu Spicebar noch bis
in den vierten Stock hochfahren, das Start-up sitzt in einem schmucklosen
80er-Jahre-Verwaltungsbau, gelegen auf dem ehemaligen Borsig-Werksgelände
in Berlin.
Oben rattert eine elektrische Pfeffermühle, gleich neben dem Großraumbüro
werden die Pakete für die Kunden versandfertig gemacht, in einem kleinen
Labor machen zwei Mitarbeiter die Gewürzmischungen fertig. Rund 25 Menschen
arbeiten für das Start-up, das Kai Dräger und Patrick Hahnel im Jahr 2015
gegründet haben.
Am Anfang stand ein Indonesientrip. Von der Insel Sumatra hatte Patrick
Hahnel Andalimanpfeffer mitgebracht. „Der hatte eine ganz eigene Schärfe,
die mit einer tollen zitronigen Note harmonierte“, sagt Dräger,
„unglaublich! So etwas hatten wir noch nie geschmeckt.“ Die beiden wollten
mehr. Erst importierten sie den Pfeffer für den Eigenbedarf, dann
versorgten sie den Freundes- und Bekanntenkreis mit – und aus der
gemeinsamen Leidenschaft für unbekannte Aromen wurde eine Geschäftsidee.
Zwei Bedingungen gaben sich die Gründer vor: Die Gewürze in ihrem
Onlineshop sollen biologisch angebaut sein. Und die Produzenten sollen fair
bezahlt und behandelt werden. Hahnel und Dräger begannen, weltweit und
intensiv nach Biogewürzen zu forschen.
## Aufbauhilfe beim Biolandbau
Sie besuchten Gewürzbauern und Kooperativen in Thailand, Nepal, Kambodscha
oder Indien, leisteten Überzeugungsarbeit und Aufbauhilfe: „In vielen
Ländern ist eine Bionorm nicht selbstverständlich. Für die kleinen Bauern
ist die Zertifizierung zudem sehr aufwendig.“ Nicht alle Gewürze im
Sortiment tragen das Biosiegel. „Manche Pflanzen wie der Andalimanpfeffer
wachsen nur wild“, sagt Dräger. „Die kann man leider nicht zertifizieren
lassen.“
Aktuell hat Spicebar rund 200 verschiedene Salze und Kräuter, Samen, Saaten
und Chilis im Angebot, darunter allein 25 Pfeffersorten. Siebzig Prozent
ihrer Ware importieren Hahnel und Dräger aus über 40 Ursprungsländern, von
Griechenland bis Mexiko, von Tschechien bis China. Sogar direkt vor ihrer
Haustür wurden die beiden Gewürzjäger fündig: In mehreren Berliner
Gärtnereien wachsen die Zutaten für das „Berliner Chili“.
Obwohl andere Biogewürz-Onlineshops wie Picantum oder Zauber der Gewürze
früher am Markt waren, wurde Spicebar schnell bekannt und beliebt in der
Foodszene. Das Start-up präsentiert sich genussorientiert und mit einer
klaren Website, weniger esoterisch und verstaubt.
Über Blogs, Bewertungsportale und Social-Media-Posts sprachen sich die
Originalität und die hohe Qualität des Spicebar-Sortiments schnell herum –
da macht es auch nichts, dass die Preise etwas höher liegen. Heute findet
man die Spicebar-Döschen bei der Bio Company oder im Berliner KaDeWe, der
meiste Umsatz aber läuft über den Onlineshop.
## Das Mass-Customization-Prinzip
Dort können sich Kunden auch selbst Gewürzmischungen herstellen: Erst
werden die Zutaten in den virtuellen Mixer gelegt, danach kann mittels
Schiebereglern das Finetuning der Anteilsverhältnisse erfolgen. „Mass
Customization“ nennt sich das Prinzip, es hat schon andere
Lebensmittel-Start-ups groß gemacht – das bekannteste in Deutschland ist
wohl mymuesli.com. Manche dieser Kunden-Eigenkompositionen, etwa das
Määäh-Gewürz für Lammgerichte oder „Grill more, Girls!“ haben es bei
Spicebar sogar ins Sortiment geschafft.
Für weniger geschmackskreative Menschen bietet Spicebar auch
vorgefertigte Mixturen an, vom Madras Curry über Mr. Nicepepper bis zur
Rauchigen Drecksau für den deftigen Grillabend. „Die Sau war eigentlich
nur ein Arbeitstitel“, sagt Dräger und lacht, „aber er hat so perfekt
gepasst.“ Zusammengestellt werden die Mischungen im eigenen Labor, wo alle
Gewürze unter strengen hygienischen Bedingungen und milligrammgenau
abgefüllt werden. Regelmäßig trifft sich das Team, um gemeinsam zu kochen
und neue Aromen auszuprobieren.
Spicebar garantiert seinen Lieferanten, deren gesamte Bioernte abzunehmen.
Um die großen Mengen zu verarbeiten wurde mit Spice United eine
Schwesterfirma gegründet, die den Großhandel und Restaurants beliefert.
Rund 100 Tonnen Gewürze sind 2018 schon durch die gemeinsamen Lagerräume
gelaufen, 2017 waren es insgesamt 40 Tonnen.
Nach wie vor sind Kai Dräger und Patrick Hahnel für Spicebar häufig auf
Reisen, vor allem nach Asien und Lateinamerika. Der Kontakt und die
Kontrolle vor Ort seien wichtig, um den Bauern und Manufakturen eine
nachhaltige Lebensgrundlage zu bieten. In Zusammenarbeit mit
Projektentwicklern und NGOs vor Ort hilft Spicebar auch finanziell beim
Aufbau von Infrastruktur, etwa einer mobilen Trocknungsanlage im Urwald von
Kambodscha.
Nicht immer einfach ist auch die aufwendige Biozertifizierung, die stets
zuerst im Produktionsland erfolgen muss. „Manchmal kommen wir in Regionen,
wo es kein Kartenmaterial über die zu genehmigenden Anbauflächen gibt. Das
kartografieren wir dann selbst mit dem GPS-Tracker“, sagt Dräger. Das
kostet Zeit, dazu kommt, dass jede Verwaltung auf der Welt anders arbeitet:
„In Kambodscha, wo unser Kampotpfeffer angebaut wird, hatte das Zertifikat
am Ende 180 Seiten“, sagt Dräger. „Aber der Aufwand hat sich gelohnt.“
4 Aug 2018
## AUTOREN
Michael Pöppl
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