Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Vom Computer-Nerd zum Kräuterkoch: Der Pesto-Hacker
> Der Programmierer Michael Busch hat sich neben seinem Büro eine kleine
> Küche eingerichtet, um Pesto auf Bestellung zu mischen und über das
> Internet zu verkaufen.
Bild: Leidenschaft und Profession verbinden.
Chiliöl, Red Wasabi Erdnüsse, Basilikum und getrocknete Tomaten - eine
Runde durch den Mixer, Olivenöl drüber – fertig. Michael Busch steht in
seiner Pestoküche in einem 60er Jahre Fabrikgebäude am Darmstädter
Hauptbahnhof. Die Abendsonne taucht den Raum in warmes Licht und Busch
bereitet die letzten Bestellungen für den Versand vor.
„Das Tolle an Pesto ist, dass man fast alles zusammenmischen kann“, sagt
er. Wie gut die Mischung wird, hängt vom Geschmack des Kunden ab, denn
Busch hält sich genau an die Zusammenstellung. Wie ein junger Vater, der
seinem Kind den Brei kocht, füllt er das Pesto mit einem Trichter in
Gläschen - mit viel Liebe, aber etwas ungelenk. Bevor er die Gläschen in
Seidenpapier wickelt, probiert er jedes Pesto und bisher, sagt er, habe er
nur eins verschickt, das ihm nicht geschmeckt hat. „Wertig muss es
aussehen“, sagt Busch. Frische Zutaten sind ihm wichtig. Er erzählt von den
besten Darmstädter Gemüsehändlern und von der schwierigen
„Nuss-Vorratsdatenspeicherung“. Innerlich ist er eben doch noch der
Computer-Nerd, dessen Karriere am C64 in der Grundschule begann und über
Physik-Leistungskurs und Informatikstudium in den 1990er Jahren zu IBM
führte.
Das Herz seiner Pestomanufaktur ist ein Webshopsystem, das Michael Busch
selbst programmiert hat. Es erstellt für jeden Auftrag eine Zutatenliste,
Etiketten, den Versandschein und eine Rechnung. Außerdem gibt es eine
Einkaufsliste, mit der Busch vormittags durch die Gemüseläden zieht.
Webshops sind die Konstante in seinem Leben; verkauft werden immer wieder
andere Produkte. Am letzten Freitag startete sein jüngstes Projekt: Beim
Müsli-Mixer können sich jetzt Australier ihr eigenes Müsli mixen und
schicken lassen, so wie das Deutsche seit einer Weile bei mymuesli.de
können.
Angefangen hat alles mit getrockneten Schweineohren. Michael Busch gab
seinen Job bei IBM auf und programmierte einen Webshop für Tierfutter.
Business-to-Business war das Zauberwort, das seinem Unternehmen 1999 die
erste Millionen Startkapital einbrachte. „Damals hingen in Frankfurt im
KingKa-Beachclub zwei Gruppen rum: Die einen hatten ein Schild auf der
Stirn auf dem stand: ‚Habe Geld’, und die anderen brauchten Geld“, erinne…
sich der damalige CTO (Chief of Technical Operations). So einfach ist das
heute nicht mehr und „so tolle Namen wie in dieser alten Dummlaberkiste
braucht heute keiner mehr“, sagt Busch.
New Economy ist Geschichte, aber seine Webshops laufen noch. Wer heutzutage
bei Neckermann einen Kratzbaum für seine Katze bestellt, füttert Buschs
System mit Daten und wird von mypetshop.de beliefert. Mit dem finanziellen
Polster, das er als Administrator und Anteilseigner verschiedener
Shoppingportale verdient hat, konnte sich Michael Busch auch trauen, Mitten
in der Finanzkrise im September 2009 neben seinem Büro eine Küche
einzurichten, um Pesto zu verkaufen. Über, neben und unter seinen Räumen
proben Bands und wer Busch in diesem Umfeld mit Haarnetz und weißer Schürze
durchs Fenster beobachtet, könnte meinen, er mische Drogencocktails.
„Ich koche gerne, aber als kurz vor Weihnachten immer mehr Bestellungen
kamen, konnte ich kein Pesto mehr sehen“, sagt Busch. Professionell
schnibbelt er erst, seitdem [1][www.pestolero.de] online ist und bald will
er die Löffel auch schon wieder aus der Hand geben: Die Produktion soll
eine Chutney-Manufaktur im Bergischen Land übernehmen, damit Busch wieder
mehr Kapazitäten für seine Programme hat. Profitabel ist sein neues Hobby
nämlich noch nicht. Die Einnahmen decken zwar die Ausgaben, seine
Arbeitszeit und die Abschreibungen für die Küche kann er damit aber nur
erwirtschaften, wenn er die Google-Anzeigen wieder bucht, mehr kocht und
verkauft.
Für Pestolero inspiriert wurden Michael Busch und seine Freundin Alexandra
Goebel von einer Frau, deren ungewöhnliche Pestokombinationen in Bio- und
Feinkostläden zu Bestsellern avancierten. Die beiden waren schon Kunden von
chokri- und mymuesli.de und dachten sich: „Die Zusammenstellung kann man
doch auch den Kunden überlassen.“ Der Name war schnell gefunden.
Namen-Finden ist eine von Buschs Lieblingsbeschäftigungen und er hat schon
über hundert Domains reserviert, obwohl sie noch brach liegen und ihn
jährlich über tausend Euro kosten. Als der Name stand, beauftragte Busch
eine befreundete Designerin ein Logo und das Screendesign für die Website
zu entwerfen. Das Layout wurde in Indien programmiert und dann ging es los.
„Gute Ideen muss man verwirklichen“, findet Busch und das Produkt habe ihm
von Anfang an gefallen.
Pestolero-Kunden experimentieren gerne. Scharfe Havaneros und ungewöhnliche
Kräuter wie Dill und Zitronenmelisse werden genommen. Von der Möglichkeit,
Mischungen nachzubestellen, macht, so Busch, kaum jemand Gebrauch und die
fertigen Rezepte aus dem Shop werden auch nicht oft bestellt. In Düsseldorf
hat es schon die ersten Pestopartys gegeben, bei denen Pestolero-Fans sich
trafen um ihre Kreationen zu verkosten.
Zum Schluss wiegt Busch das Glas um zu überprüfen, ob es nicht zu wenig
ist. Dann klebt er noch den Pestolero-Cowboy auf die Verpackung und bringt
die Päckchen zur Post. Morgen wird ein Pestofan Post bekommen und voller
Spannung Nudelwasser aufsetzen. Es ist wie selber kochen, nur muss man
weniger spülen und einkaufen.
20 Jul 2010
## LINKS
[1] http://www.pestolero.de/
## AUTOREN
Thomas Strothjohann
## TAGS
Online-Shopping
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zu Besuch bei einem Gewürz-Start-up: „Grill more, Girls!“
Auf der Suche nach den besten Pfeffersorten reisen die Gründer der
„Spicebar“ um die Welt. Ihre Kunden haben es leichter: Sie bestellen
online.
Rette die Umwelt, zieh in die Großstadt: Das Mini-Impact-Haus
Effektive Nutzung des Raumes: Auf einer Fläche von 29 Quadratmetern in
Frankfurt Sachsenhausen steht ein Passivhaus mit 145 Quadratmetern
Wohnfläche. Die Zukunft der großstädtischen Architektur?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.