# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Erklärbär auf Abwegen | |
> DFB-Chef Reinhard Grindel verwahrt sich gegen den Vorwurf des Rassismus. | |
> Es geht jetzt um alles, seinen Posten, auf dem er eine Fehlbesetzung ist. | |
Bild: Kann sich DFB-Chef Reinhard Grindel noch halten? | |
Kann man verstehen: Reinhard Grindel möchte kein Rassist sein. Das hat er | |
jetzt nach einer Phase des Nachdenkens auch niedergeschrieben: „Für mich | |
persönlich weise ich dies entschieden zurück.“ Er, der DFB-Chef, stehe für | |
Werte. Und nur wegen dieser Werte habe er das Foto von Mesut Özil mit dem | |
türkischen Staatspräsidenten Erdogan „kritisch hinterfragt“. Grindel: „… | |
bedauere es sehr, dass dies für rassistische Parolen missbraucht wurde.“ | |
Ihm gehe es letztlich um „United by football“ – was auch immer das im | |
konkreten Fall heißen möge. | |
Grindel ist auf eigentlich kuriose Weise ins Funktionärsfußballtum hinein | |
gerutscht. Seine ersten Kontakte zum DFB hatte er 2006. In seinem Wahlkreis | |
Rotenburg war die Nationalmannschaft von Trinidad und Tobago abgestiegen. | |
Der CDU-Mann soll sich rührend, sozusagen mit antirassistischem Impetus um | |
„die Trinibagos“, wie sie von den Niedersachsen genannt wurden, gekümmert | |
haben. Bei dieser Gelegenheit lernte Grindel das DFB-Präsidiumsmitglied | |
Karl Rothmund kennen und es kam, wie es kommen musste: Der frühere ZDF-Mann | |
und spätere Bundestagsabgeordnete wurde Präsident des Fußballbundes. | |
In seiner Antrittsrede versprach er einen „neuen DFB“, aber das war in etwa | |
so aussagekräftig wie die Hohlformel „United by football“. Der DFB ist ein | |
Moloch, ein Muster an Intransparenz und Geschaftlhuberei. Die Arbeit der | |
Kommunikationsabteilung spottet nicht selten jeder Beschreibung, und wenn | |
der Autor dieser Zeilen von Grindel in der Vergangenheit auch nur die | |
kleinste Wortspende haben wollte, wandte sich der Funktionär brüsk ab und | |
murmelte: „Für ihre Zeitung nicht.“ | |
Das mag nur eine Petitesse sein, aber sie zeigt doch, wie unsouverän der | |
Mann mit Leuten umspringt, die nicht unbedingt seiner Agenda folgen. Man | |
kann sich wunderbar ausmalen, wie er Özil im Erdogan-Aufklärungsgespräch | |
übers Maul gefahren ist und ihm im Stil des großen Erklärbären die | |
weltpolitische Lage im Allgemeinen sowie die Rolle eines Nationalspielers | |
im Konkreten erläutert hat. | |
## Von oben herab abgekanzelt | |
Da muss sich der scheue Mesut sicherlich vorgekommen sein wie der dumme | |
Junge beim Nachsitzen. [1][Grindels Art, Leute von oben herab abzukanzeln, | |
hat es Özil relativ leicht gemacht], ihn in der Causa Erdo-Foto mit dem | |
Universalvorwurf Rassismus zu belegen und damit auch von der | |
Eigenverantwortlichkeit des nun ehemaligen Nationalspielers abzulenken. | |
Was Mesut Özil auf jeden Fall geschafft hat: Grindel steht jetzt am | |
Pranger. Der Druck auf ihn steigt täglich, Erklärung hin oder her. Selbst | |
innerhalb des DFB, berichtetet die Süddeutsche Zeitung, [2][werden Stimmen | |
laut, die den 56-Jährigen nicht für den besten aller Präsidenten halten]. | |
Sie machen das neben der vergurkten Özil-Geschichte vor allem an zwei | |
Dingen fest. | |
Zum einen war die Vertragsverlängerung mit Bundestrainer Jogi Löw im | |
Vorfeld der WM unnötig und überstürzt. Löw, der ohnehin bis 2020 an den DFB | |
gebunden war, unterschrieb nun bis 2022, und Grindel begründete seinen | |
Schritt intern damit, dass der Doppelweltmeistertrainer Löw nach der WM in | |
Russland bestimmt von einem Großverein weggekauft werde. Das ist sehr | |
lustig, denn Löw blieb leider einmaliger Weltmeistertrainer, und obendrein | |
legt er keinen Wert auf stressige Jobs beim FC Arsenal London oder Paris | |
St. Germain. | |
Zu allem Übel scheint Reinhard Grindel auch noch die Bewerbung des | |
Verbandes für die EM 2024 zu gefährden, weil er auch in den Auslagen der | |
Uefa und Fifa wie ein Elefant im Porzellanladen herumfuhrwerken soll. Er | |
trägt seine eigene Wichtigkeit wie eine Monstranz vor sich her und verliert | |
bei diesem Kraftakt offensichtlich gern mal den Überblick. Davon könnte | |
interessanterweise just Recep Tayyip Erdogan profitieren, denn die Türkei | |
konkurriert mit Deutschland um die Ausrichtung der EM 2024. Özils | |
Breitseite gegen den DFB wurde von der türkischen Regierung süffisant unter | |
„Kampf dem Faschismus“ rubriziert. | |
Faschist, Rassist, Tölpel – Reinhard Grindel muss in diesen Tagen der Kopf | |
ganz schön schwirren. Aber er hat ja noch seine Werte. | |
26 Jul 2018 | |
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[1] /Fussballspieler-Mesut-Oezil/!5519636 | |
[2] https://www.sueddeutsche.de/sport/dfb-reinhard-grindel-kritik-1.4069819 | |
## AUTOREN | |
Markus Völker | |
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