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# taz.de -- Familiennachzug von Flüchtlingen: Happy End dank Engagement
> Die schwer kranke Schwester eines Flüchtlingskindes durfte nun doch
> einreisen – aber nicht weil die Behörden einlenkten.
Bild: Eine syrische Familie in Brandenburg
Berlin taz | Von Fällen wie diesem dürfte man in Zukunft noch öfter hören.
Ob andere Geflüchtete aber auch so viel Glück haben wie der 6-jährige
Nasser Al R. und seine 8-jährige Schwester Bessan, ist ungewiss: Dass die
beiden nach Jahren der Trennung nun mit beiden Elternteilen in Berlin
zusammenleben können, verdanken sie nicht dem Einlenken der Behörden,
sondern einer engagierten Berlinerin, die für die Familie bürgt.
Die taz hatte Ende April zuerst [1][über den „Fall Nasser“ berichtet]. Der
syrisch-palästinensische Junge lebt seit mehr als zwei Jahren als
unbegleiteter minderjähriger Flüchtling bei seinem Onkel in Berlin. Seine
Eltern hatten nicht mitfliehen können, weil seine zwei Jahre ältere
Schwester schwer krank ist.
Die Familie kommt aus Jarmuk, dem Palästinenserviertel von Damaskus, das
2012 von Assads Luftwaffe bombardiert wurde und später dem IS in die Hände
fiel. Laut Nassers Onkel sind viele Familienangehörige getötet worden oder
im Gefängnis, der Rest lebe in alle Welt verstreut.
Weil der Junge als Palästinenser schon in Syrien anerkannter UN-Flüchtling
war, habe er in Deutschland volles Asyl bekommen, erklärte die mit dem Fall
befasste Rechtsanwältin Berenice Böhlo im Frühjahr. Damit war der Weg frei
für einen „vereinfachten Familiennachzug“ für die Eltern. Sie bekamen von
der deutschen Botschaft in Libanon Bescheid, dass sie ihre Visa abholen
könnten – für sich, nicht aber für Nassers achtjährige Schwester Bessan.
Zur Begründung erklärte damals das Auswärtige Amt der Anwältin in einem
Schreiben, das der taz vorliegt, für nachreisende Geschwisterkinder gelte
die Vorschrift, „dass in der Regel Lebensunterhalt und Wohnraum bei
Einreise gesichert sein müssen“.
## Jahre der Trennung
Hintergrund ist ein Runderlass des SPD-geführten Auswärtigen Amtes vom März
2017, in dem die Auslandsvertretungen angewiesen werden, Geschwistern von
unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die Asyl bekommen haben, nur
noch dann zeitgleich mit den Eltern nach Deutschland einreisen zu lassen,
wenn das in Deutschland lebende Familienmitglied über eine entsprechend
große Wohnung und ein ausreichendes Einkommen verfügt.
Praktisch bedeutet dies, dass Eltern von unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlingen das Geschwisterkind im Herkunftsland zurücklassen oder sich
aufteilen müssen. In Deutschland angekommen, können die Eltern dann zwar
selbst Asyl beantragen und im Falle des Erfolgs das Geschwisterkind
nachholen. Dies aber kann Jahre der Trennung bedeuten.
Für Flüchtlinge, die kein Asyl, sondern nur subsidiären Schutz bekommen
haben, was bei Syrern seit 2016 fast durchgängig der Fall ist, gilt seit
zwei Jahren nicht einmal mehr dieser auf Eltern, Kinder und Eheleute
beschränkte „vereinfachte“ Familiennachzug. Ab August gilt ein neues
Gesetz, laut dem pro Monat 1.000 Familienangehörige nachgeholt werden
dürfen, aber auch hier keine Geschwister.
Zwar erkennt das Auswärtige Amt in seinem Erlass auch Ausnahmen für
„außergewöhnliche Härtefälle“ an. Die Trennung des Geschwisterkinds von…
Eltern gehört aber explizit nicht dazu und ebenso wenig das Leben in einem
Kriegs- oder Krisengebiet. Auch die Tatsache, dass Nassers Schwester schwer
krank ist – sie leidet nachweislich an tuberöser Sklerose (MRI), einer
Erbkrankheit, die mit Fehlbildungen und Tumoren einhergeht –, hatte das
Auswärtige Amt nicht zum Einlenken gebracht.
Letztlich ermöglicht hat den Nachzug der kompletten Familie daher weder ein
nachsichtiger Beamter noch eine Petition, die nach dem taz-Bericht im
April eine Kölner Leserin bei change.org gestartet hatte und zuletzt über
1.000 Unterschriften bekam. Vielmehr hat die ehemalige Vormundin von Nasser
laut Böhlo eine fünfjährige Verpflichtungserklärung unterzeichnet: Das
bedeutet, sie übernimmt für diesen Zeitraum alle anstehenden Kosten, falls
die Familie sich in Deutschland nicht selbst ernähren kann. Bessan und ihre
Eltern konnten so laut Böhlo am 19. Juli gemeinsam nach Berlin kommen.
Mit einer solchen Verpflichtungserklärung konnten laut Ausländerbehörde
seit 2013 fast 1.200 SyrerInnen nach Berlin geholt werden.
25 Jul 2018
## LINKS
[1] /Kindeswohl-gilt-nicht-fuer-Fluechtlinge/!5499392
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Familienzusammenführungen
Schwerpunkt Flucht
Syrische Flüchtlinge
Familiennachzug
Schwerpunkt Flucht
EU
Familiennachzug
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