Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kolumne „Russia Today“: Uhhhh! Eine Schwalbe, aaiih!
> Der von der Fifa zum WM-Song gekürte Titel „Live it up“ ist nicht zu
> retten, so schlecht ist er. Doch es gibt eine viel schönere Symphonie im
> Stadion.
Bild: Singen die schöneren Hymnen bei dieser WM: die Fans
Wer ein WM-Spiel im Stadion besucht, setzt sich massiver Lärmbelästigung
aus. Bis zum Anpiff werden die Zuschauerinnen nicht in Ruhe gelassen. So
laut dröhnt es aus den Boxen, dass man die Takte kaum auseinanderhalten
kann. Meistens ist das gar nicht schlimm.
Den von der Fifa höchstselbst zum offiziellen WM-Song gekürten Titel
[1][„Live it up“ von Nicky Jam] unter relativ talentfreier Mitwirkung eines
gewissen Will Smith kann auch eine gute Tonqualität nicht retten, so
unterirdisch ist er. Die von Hans Zimmer komponierte WM-Hymne hört sich
derart nach Plastik an, dass man beim Hören gar nicht anders kann, als an
die verschmutzten Weltmeere zu denken.
Was immer läuft, wenn die Spieler den Rasen betreten, ist der zur Grölhymne
verkommene [2][Song „Seven Nation Army“] von The White Stripes, bei dem
sogar der ViP-Gast mit der gut gefüllten Sponsorentüte von Visa mitschreit.
Das ist derart ohrenbetäubend ätzend, dass man in diesem Zusammenhang nur
von Körperverletzung sprechen kann.
Doch dann, nach dem Countdown, der dem Anpfiff vorausgeht, beginnt etwas,
dessen Schönheit sich kein Ohr entziehen kann. Es ist die Symphonie des
Fußballs, die angestimmt wird. Die spezielle Atmosphäre eines WM-Spiels mit
vielen Zuschauern, die sich keiner Mannschaft wirklich verpflichtet fühlen,
schafft eine Atmosphäre, bei der das Spielgeschehen akustisch widerspiegelt
wird.
## Am Ende dröhnen die Stadionboxen
Die Zuschauer reagieren auf das Spielgeschehen. Ahhh! Ein Schuss. Ohhh!
Daneben! Ahhhhhhhh! Ein langer Ball. Ah! Ah! Ah! Ah Ah! Eine Passstafette.
Ohhh! Ah! Ein Eckball. Es ist wunderbares Konzert, das die Zuschauer da
geben. Uhhhh! Eine Schwalbe. Aaiih! Ein Foul. Und dann das Crescendo.
Ahhhh! In Block C ist frührer zu sehen, dass da ein Ball gefährlich vors
Tor fliegt. Ahhhh!
Dann kapiert Block D, was da los ist, während Block A und B erst reagieren,
wenn sie die Wiederholung auf der Stadionleinwand sehen. Ahhhh! Und endlich
schreien alle zusammen, dass es eine wahre Freude ist. AAAAHHHH! Das erste
Tor als Schlussakkord im ersten Satz. Es war ein tolles Spiel bis dahin.
Allegro.
Das WM-Publikum ist verschrien bei vielen Kurvenfreunden, vor allem aus der
Ultra-Szene. Wer regelmäßig Ligaspiele besucht weiß, dass gerade die Kurve
besonders stolz auf sich ist, die 90 Minuten lang durchsingt. Wie ätzend!
90 Minuten Stolz, mein Verein, ewige Treue und anderer Quatsch. Und das
Spiel geht dabei völlig unter.
Auch bei der WM geht die Symphonie bisweilen unter. Wenn die mexikanische
Welle durch's Stadion getrieben wird, ist Schluss mit guter Musik. Gut,
dass die La Ola meistens schnell versandet. Dann geht die Symphonie weiter
mit dem zweiten Satz. Das Spiel hat sich beruhigt: Andante. Dann wird es
wieder schneller und macht richtig Spaß: Scherzo. Und wenn das Spiel die
perfekte Dramaturgie hat, gibt's als Schlusssatz noch ein Presto. Dann ist
der Spaß vorbei. Es dröhnt wieder aus den Stadionboxen. Und doch bleibt
manche Symphonie unvergessen.
9 Jul 2018
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=V15BYnSr0P8
[2] https://www.youtube.com/watch?v=6j7huh5Egew
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
WM-taz 2018: Neben dem Platz
Frauen-WM 2019
Nationalhymne
Fußballweltmeisterschaft
Russland
Fußballfans
Frauen-WM 2019
Frauen-WM 2019
WM-taz 2018: Neben dem Platz
Frauen-WM 2019
Frauen-WM 2019
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kolumne Russia Today: Ende des Sommermärchens
Der Sommer und die WM in Russland neigen sich dem Ende zu. Dafür drängt
sich manchem der Gedanke auf: Ist das Land vielleicht doch nicht so schön?
Kolumne Russia Today: Danke, Fifa!
Fährt man eine Stunde mit der Elektritschka, den Vorortzügen Russlands,
erfährt man mehr über das Land, als in einem Reiseführer steht.
Kolumne Russia Today: Journalismus auf Knien
Es ist ein wildes Armfuchteln, Aufspringen, Aufschreien, Außersichsein: Wie
die südamerikansche Presse ganz ehrlich subjektiv berichtet.
Kolumne Russia Today: Kinderarbeit bei der WM
Für die Einlaufeskorte können sich Kinder aus der ganzen Welt bewerben. Mit
feuchten Kinderaugen lassen sich Dinge besonders gut verkaufen.
Kolumne Russia Today: Warum China die WM rettet
Viele halten die chinesischen Fans für wenig wählerisch. Doch ohne sie wäre
die Umsetzung der WM in Russland schwierig geworden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.