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# taz.de -- Ausländer-Quote in Kieler Kleingärten: Rabatten den Deutschen
> In Kiel droht der größte Kleingartenverein mit einem Aufnahmestopp für
> Migrant*innen. Politiker erwägen, die Regeln der Pachtvergabe zu ändern.
Bild: Alles hat seine Ordnung: Kleingärtner*innen mit Migrationshintergrund hi…
HAMBURG taz | Axel Zabe ärgert sich: „Die wollten nicht mit einem reden.“
Und beschwert sich weiter: „Der Stadtrat und die Politik hat sich zu wenig
interessiert.“ Darum habe er sein Papier an die Kieler Nachrichten (KN)
gegeben. Und die titelten vergangene Woche mitten im Sommerloch
„Kleingärtner klagen über Zuwanderer“. Zabe wurde zitiert mit den Worten
„ein Teil der Mitglieder mit ausländischen Wurzeln hält sich nicht an die
Regeln und verdrängt alteingessene Kleingärtner aus ihren Parzellen.“ Er
kündigte an „in bestimmten Anlagen keine Ausländer mehr aufzunehmen“.
Und nun sei die Aufregung riesengroß, sagt er. Zabe ist seit einem Jahr
Vorsitzender des Kieler Kleingartenvereines von 1897, mit rund 2.500 Gärten
der größte unter den insgesamt 26 Vereinen mit rund 10.000 Gärten in der
Fördestadt. „Ich bin aufgefordert, darauf zu achten, die Gesetze
einzuhalten“, sagt der pensionierte Betriebsleiter einer Bäckerei. Für
Kleingärten gebe es Vorschriften von Stadt, Land und Bund. Zum Beispiel sei
Kleintierhaltung verboten. Auch das Grillen am offenen Feuer und Schächten
von Tieren sei nicht erlaubt. Und ein Gartenhaus darf nur 24 Quadratmeter
groß sein, „die bauen Häuser bis zu 100 Quadratmeter“.
Insgesamt liege der Migrantenanteil unter den Pächtern bei 30 bis 40
Prozent. Er komme mit vielen gut aus. „Es geht um die, die immer mehr
werden. Die Moscheen aufbauen.“ Zabe will das nun steuern. Die Kleingärten
befinden sich in über 50 verschiedenen Anlagen. „Wo der Anteil über 60
Prozent liegt, werden wir keine Ausländer mehr aufnehmen“, sagt Zabe. „Die
werden dahin verteilt, wo der Anteil nicht so hoch ist“.
## Kreisverband distanziert sich
Der Kieler Kreisverband der Kleingärtner distanzierte sich von Zabe. „Wir
wehren uns vehement gegen solche rassistischen Vorwürfe“, sagte
Rechnungsführer Klaus Petersen in einem Artikel der KN. Und die
Linke-Politikerin Monika Kulas spricht von rassistischen Äußerungen, die
ein Schlag ins Gesicht für alle Kleingärtner seien. „Herr Zabe muss sich
ernsthaft entschuldigen und seine Ankündigung zurücknehmen oder
zurücktreten.“ Sollte er seine Ankündigung wahr machen, müsse die Stadt die
Gärten direkt vergeben.
Der Vorgang alarmierte auch Samiah El Samadoni, die Leiterin der
Antidiskriminierungsstelle von Schleswig-Holstein. Eine Benachteiligung
wegen ethnischer Herkunft bei der Zuteilung der Pachtverträge sei
integrationsfeindlich. „So ein Aufnahmestopp ist eine Diskriminierung und
kann unter Umständen ein Verstoß gegen das Allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz sein.“ Bei Schwierigkeiten im Miteinander seien
Gespräche wichtig. Verstöße gegen die Gartenordnung sollten nach
bestehenden Rechtsgrundlagen verfolgt werden, „und zwar unabhängig von der
Herkunft“.
## Rathaus-Regierung will Aufnahme-Stopp verhindern
Auch die Kieler Rathaus-Regierung aus SPD, Grünen und FDP warnt vor einer
übertriebenen Darstellung der Problematik, die „populistischen
Alltagsrassismus“ schürt. „Wir werden den Herrn nach der Urlaubsphase
einladen und klären, was an den Vorwürfen dran ist“, sagt der Grüne
Ratsherr Arne Stenger. „Dass dort Tiere geschächtet werden, kann ich mir
nicht vorstellen.“ An dem Kleingarten-Thema sei man schon länger dran,
ergänzt Andre Wilkens (SPD). „Auf den verpachteten städtischen Flächen
müssen die Werte der Stadt, Weltoffenheit und Toleranz gelten“, sagt er.
Deshalb sei so ein Aufnahmestopp für Ausländer „nicht durchhaltbar“.
Doch statt einer Kündigung des Generalmietvertrages, der gleich alle 26
Vereine treffen würde, setze man eher erst mal auf Gespräche. Auch für eine
„integrationsfördernde Sozialarbeit vor Ort in den Kleingärten“ will die
Rathaus-Regierung sich einsetzen.
Zu überlegen wäre, ob man das Eintreiben der Pacht und Überwachen von
Regeln den Vereinen abnimmt und auf die Stadt überträgt, sagt Arne Stenger.
So könnte man „Konfliktpotential“ herausnehmen. Generell stünden im Land
Kleingärten leer, da sei die Vergabe der Gärten an Kieler*innen mit
Migrationshintergrund auch eine Chance. Dabei müssten alle ein neues
Miteinander lernen, dass sich „vielleicht vom Vereinsleben der
Vergangenheit unterscheidet“.
„Der Einsatz von Sprachmittlern wären ein guter Versuch“, sagt Axel Zabe.
Die Finanzierung von Übersetzern könne sein ehrenamtlich arbeitender Verein
nicht leisten. Er hoffe, Unterstützung zu bekommen, für den kommenden
Mittwoch hätten sich schon Vertreter der Stadt und des Landes für eine
Begehung der Anlage Kronshagen angekündigt. Zabe sieht sich zu Unrecht in
die brauen Ecke gestellt. „Die AFD will uns die Türen einrennen. Aber da
haben wir kein Interesse dran“.
## Gartenvereine kommunizieren nicht fehlerfrei
Für Cebel Küçükkaraca, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde
Schleswig-Holstein, liegt es an der aktuellen politischen Stimmungslage,
dass sich Mitglieder eines Gartenvereins solche Aussagen erlauben. „Gewisse
Gruppen suchen stets einen Grund, öffentlich schlecht über Zuwanderer zu
reden“, sagt er. Er habe selber einen Kleingarten gehabt und einige
Probleme innerhalb von Gartenvereinen beobachten können. „Dies liegt auch
daran, dass die Gartenvereine in ihrer Kommunikation nicht immer fehlerfrei
sind“, sagt der promovierte Naturwissenschaftler. „Aus Unwissenheit machen
viele Deutsche wie Nichtdeutsche leider nicht immer alles nach Vorschrift –
sie schließen Wasser an der falschen Stelle an oder bauen etwas zu groß.“
„Der Kleingartenverein hätte uns als Türkische Gemeinde auch ansprechen
können und wir wären selbstverständlich bereit gewesen, in verschiedenen
Sprachen zu vermitteln“, fährt Küçükkaraca fort. Das sei aber nicht
passiert. Stattdessen wende man sich an die Öffentlichkeit. „Es wäre
taktvoller, wenn alle mehr miteinander reden würden, um die bereits
vorhandenen Regeln besser umzusetzen und zum friedlichen Miteinander
beizutragen.“
23 Jul 2018
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Kleingarten
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Schwerpunkt Rassismus
Kiel
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Stadtnatur
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