# taz.de -- Posse im Kleingarten: Migranten dürfen weiter gärtnern | |
> Eine Kleingartenkolonie in Norderstedt gibt sich eine Migrantenquote. Es | |
> habe "Probleme" mit den Eingewanderten gegeben. Nun wird zurückgerudert. | |
Bild: Kein Hort der berühmten deutschen Schrebergärtnergastfreundschaft. | |
NORDERSTEDT taz | Man könnte meinen, die Welt stehe still in dieser | |
Kleingartenkolonie auf dem flachen Land Schleswig-Holsteins. Ein Hahn | |
kräht, sonst ist niemand zu sehen oder zu hören. Das täuscht. Hier tut sich | |
was: Der Kleingärtnerverein Harksheide am Rande von Norderstedt hat sich | |
dafür ausgesprochen, nur noch maximal 12,6 Prozent Migranten aufzunehmen. | |
73 Kleingärten befinden sich in der Kolonie. Drum herum Stacheldraht, | |
nebenan die hiesige Ortsgruppe des Vereins für Deutsche Schäferhunde. | |
Eine Migrantenquote also. Weil es immer wieder Probleme mit Migranten | |
gegeben habe, sollten künftig nur 9 Kleingärten an diese vermietet werden, | |
derzeit sind es laut Vorstand 12. Erst ging ein Aufschrei durch die Stadt, | |
dann durch die Medien, schließlich durch Kreis-, Landes- und Bundesverbände | |
der Kleingärtner. Am Donnerstagabend dann rudert der Verein zurück: Es | |
werde keine Quote geben, sie sei ein Fehler, man habe sich bei den | |
Migranten entschuldigt. Also alles wieder gut? | |
"Nein", sagt Vorstandsmitglied Rainer M. Rohde am Telefon. Mittlerweile | |
sehe er die Quote zwar kritisch, "aber dieser ganze Presserummel, der Druck | |
durch die Stadt hat uns weit zurückgeworfen". Die hatte nämlich gedroht, | |
die Pachtverträge für die Kolonie aufzulösen, wenn der Verein sich nicht | |
ausdrücklich von dem unglückseligen Quotenbeschluss distanziere. | |
## Fast alle stimmten für die Quote | |
Es war der 30. Oktober, als während eines Vereinstreffens Stimmzettel | |
ausgeteilt wurden. Mit drei Kästchen zum Ankreuzen: Sollte es in der | |
Kolonie künftig 27 Prozent Migranten geben wie im benachbarten Hamburg? | |
19,6 Prozent, dem Bundesdurchschnitt entsprechend? Oder lieber nur 12,6 | |
Prozent wie in Schleswig-Holstein? 59 von 70 Anwesenden sprachen sich für | |
eine Quotenregelung aus, 41 davon für die strengste. Nur 11 Mitglieder | |
stimmten dagegen, von denen einer das schriftliche Protokoll an den | |
Bürgermeister gab. Auch der taz liegt es vor. | |
Es sei kein Beschluss an diesem Abend gefällt worden, sagt | |
Vorstandsmitglied Rohde, man habe sich lediglich ein "Stimmungsbild" machen | |
wollen. Vor allem die russischstämmigen Mieter würden immer wieder zu laut | |
und zu lange feiern, Vereinstreffen würden sie meiden, kein Ehrenamt wie | |
das des Gerätewarts annehmen - und "Guten Tag" sagen auch nicht. | |
## Ausländerfeindlichkeit passt nicht nach Norderstedt | |
"Mir ist klar, dass eine formelle Distanzierung nichts in den Köpfen | |
ändert", sagt Stadtsprecher Hauke Borchardt. Dennoch sei der Beschluss | |
wichtig gewesen. "Ich bin erschrocken über diese latente | |
Ausländerfeindlichkeit. Da müssen wir ran. Das passt nicht nach | |
Norderstedt." | |
Dabei hatten sie ja schon versucht, die Migranten zu integrieren, sagt | |
Rohde. Eine Bocciabahn wollten sie bauen, einen großen Backofen kaufen, in | |
dem sie auch Spanferkel braten können. Doch für die Finanzierung kam keine | |
Mehrheit zustande. "Die Migranten hier isolieren sich", sagt Rohde. "Warum | |
muss ich jemanden lieb haben, der mich nicht lieb hat?" Unter Zwang | |
funktioniere keine Integration, sagt er und merkt nicht, wie ambivalent | |
sein Satz gerade war. | |
16 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Emilia Smechowski | |
Emilia Smechowski | |
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