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# taz.de -- Kroatien vor dem WM-Finale: Ruhm, mal ohne Mord und Totschlag
> Die kroatischen Schachbrettmuster könnten vielleicht endlich auch mit
> Party assoziiert werden. Und nicht nur mit Ultranationalismus.
Bild: Aufregung im Parlament: Regierungschef Andrej Plenkovic mit Kollegen im S…
Es gab mal Zeiten, da konnte man kroatische Luft in Dosen kaufen. Das war
ernst gemeint. Das war in den 1990er Jahren, als nicht Touristen, sondern
UN-Soldaten an den Stränden Kroatiens lagen, während die Kroaten ihren
blutjungen Staat von serbischen und anderen Minderheiten reinigten und
dabei eine Blutspur hinterließen.
Die Dosen mit nichts drin, die den fanatischen Nationalismus unfreiwillig
zu einer Lachnummer degradierten, waren selbstverständlich
schachbrettgemustert. So schachbrettgemustert wie das [1][Oberteil der
Staatspräsidentin Kolinda Grabar Kitarovic], das sie in der Moskauer
Umkleidekabine nach dem Viertelfinalsieg trug und das Halstuch, das sie auf
dem Nato-Gipfel vor dem Halbfinale stolz präsentierte.
Dass spätestens seit Mittwochabend der Ausnahmezustand herrscht, ist
logisch. Nachrichtenportale meldeten am Donnerstag früh, dass sie bis zum
Finale nicht mehr über Probleme im Land berichten werden. Sämtliche
Regierungsmitglieder tauchten nach [2][dem Halbfinalsieg gegen England] in
Schachbretttrikots auf.
Zum ersten Mal betritt dieser kleine Staat nun mit dem Finaleinzug eine
Weltbühne, ohne dass es vorher Mord und Totschlag gab. Bis heute werden die
in Den Haag als Kriegsverbrecher verurteilten kroatischen Generäle als
Helden gefeiert. Die Blutspur der neunziger Jahre gilt auch unter der
aktuellen Regierung bis heute als notwendige Verteidigungslinie.
Das eine sind Rechtsradikale, die gibt es überall und sind im kroatischen
Schachbrettwettbewerb daran zu erkennen, dass ihr Brett in der linken
oberen Ecke mit einem weißen Feld beginnt. Natürlich hört man die in diesen
Tagen faschistische Lieder von faschistischen Liedermachern singen.
## Auch eine zivilbürgerliche Schicht
Aber das wird in Frankreich nicht ganz anders sein. Wobei die natürlich im
Vorteil sind, weil ihre Nationalhymne nun mal schon was älter ist und zwar
auch recht martialisch, aber eben auch schwer republikanisch ist, während
die Kroaten in „unserer schönen Heimat“ hängen bleiben.
Selbstverständlich gibt es auch in Kroatien eine zivilbürgerliche Schicht,
die mit diesem Fanatismus nichts anfangen kann und ihren Mini-Staat am
liebsten noch weiter minimieren würden, indem sie sich vom Süden des
Landes, der traditionell ärmer und fanatischer ist, loslösen.
Auf meiner Flixbusreise am Freitag Richtung Kroatien unterhalten sich auf
der Raststätte in Österreich Vito und Valentin im Schachbrett-Trikot mit
einem Reisenden aus Südafrika. Alle drei sind sich einig: „Apartheid is
shit. Croatia will win“. Und sofort kommen alle restlichen Kroaten auf dem
großen Parkplatz zu der kleinen Gruppe und jeder beschwört den anderen,
dass Kroatien den „schönsten und besten Fußball der Welt“ spielt.
Kroatien ist Weltklasse! „Svjetski!“ wie es die Patrioten in Kroatien nicht
nur so gern über ihren Fußball, sondern auch zu ihrem Schinken, ihrem Wein,
ihrem Meer und ihrer Luft sagen. Sogar einige Nachbarn aus dem ehemaligen
Jugoslawien sieht man in großen Karos. Selbst ich bin spontan nach Kroatien
gefahren und werde mir so eine Schachbrettmütze aufsetzen.
Warum soll nicht gelingen, was in Deutschland auch gelang: Die Aneignung
der Nationalflagge zu Partyzwecken. Ein Mal Schachbrettfeier ohne Mord und
Totschlag. Und wenn es so kommt, kauf ich auch meine erste Dose kroatische
Luft.
14 Jul 2018
## LINKS
[1] /Kroatiens-Praesidentin-und-die-WM/!5516213
[2] /Viertelfinale-Russland--Kroatien/!5519393
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Finale WM 2018
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WM-taz 2018: Neben dem Platz
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Fußball
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