Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausstellung „Anonyme Zeichner“ in Berlin: Kunst zum Einheitspre…
> Ob berühmt oder nicht, die Bilder der „anonymen Zeichner“ gibt es zum
> Einheitspreis. Anke Becker über ihre Idee eines egalitären Kunstmarkts
> für alle.
Bild: Jede Zeichnung kostet 200 Euro. Der Künstlername wird erst nach Bezahlun…
Mit ihrer Ausstellung „Anonyme Zeichner“ setzt Anke Becker ein Zeichen
gegen abstruse Entwicklungen auf dem Kunstmarkt. Seit 2006 stellt sie
regelmäßig von ihr ausgewählte Kunstwerke anonym und zum Einheitspreis von
200 Euro aus. Ob prominent oder nicht, erst nach Bezahlung wird enthüllt,
aus wessen Hand die Zeichnung stammt.
taz: Frau Becker, woran denken Sie beim Wort „Kunstmarkt“?
Anke Becker: Ich denke an Ware und Verkauf. Und an ein schwer
einschätzbares System, das von Moden geprägt wird. Dabei „brauchen“ wir
Kunst ja nicht in dem Sinne. Nutzlos ist sie deswegen nicht: Sie bereichert
das Leben, lässt uns nachdenken, oder wir erfreuen uns einfach an ihr.
2006 haben Sie zum ersten Mal „Anonyme Zeichner“ gezeigt. Wie hat sich die
Kunstwelt seitdem entwickelt?
In der Zeit ging es plötzlich damit los, Kunst nicht mehr über Galerien zu
auktionieren, sondern Werke direkt an Auktionshäuser zu geben. Darüber
wurden dann die Preise gemacht. Damit kam ein extremer Hype um einzelne
Namen auf.
Personenhype ist 2018 nicht ohne Social Media zu denken. Welche Rolle
spielen diese Kanäle für die Kunstwelt?
Eine enorme, eine wahnsinnige Rolle. Früher wurde Kunst nur übers
Ausstellen sichtbar – als ich als Künstlerin angefangen habe, waren nicht
mal Webseiten üblich. Heute können sich die Leute online vertausendfachen,
in einer vermeintlich selbstgesteuerten Art. Das kann peinlich sein, bietet
aber auch viele Möglichkeiten. Wir erhalten auf einmal Zeichnungen aus dem
Iran und Indien, in diesem Jahr auch zum ersten Mal vom afrikanischen
Kontinent – ich bezweifle, dass das ohne soziale Medien möglich wäre.
Und wie ist das dann mit der Anonymität?
Das war für uns eine ganz wichtige Frage. Ich dachte anfangs, Facebook als
Inbegriff von Nicht-Anonymsein funktioniert für das Projekt nicht. Dann kam
man nicht mehr drum herum. Und in der Tat hatte das seltsame Effekte: Die
Leute laden über Facebook ihre Freunde zum Event ein, und manche posten
ihre Zeichnung gleich mit, oder verraten sich in der Kommentarspalte. Wie
Menschen mit Anonymität und ihrem Geltungsanspruch umgehen, hat sich über
die Jahre gewandelt. Anfangs war der Einheitspreis das Politikum, heute
wird die Anonymität viel mehr diskutiert.
Was erwartet die Besucher*innen dieses Jahr?
Ein Overload. Erst einmal weiß man nicht, wo man sein Auge festschrauben
soll. Bis man es schafft, sich in all diese Welten zu versenken. Man guckt
eigentlich in 600 Köpfe und versucht, deren Gedanken herauszufinden und zu
begreifen, wie diese Zeichnungen zustande gekommen sind.
Was können Sie uns über die „Anonymen Zeichner“ sagen, die dieses Jahr
ausgestellt sind?
Die gut zweitausend Zeichnungen, die uns geschickt wurden, kamen aus 38
Ländern. So eine Zahl freut mich – mehr Statistiken habe ich allerdings
nicht, ganz ehrlich. Ich habe aber das Gefühl, in dieser Ausstellung finden
viele „Outsider“ Platz, und das meine ich positiv. Es gibt etwa Zeichnungen
aus Psychiatrien: Für solche Institutionen ist das ein tolles Projekt, weil
keine Rolle mehr spielt, dass eine Arbeit von einer Person mit Downsyndrom
stammt. Eine andere Sammeleinsendung haben wir von einer Schule hier in
Neukölln bekommen. Und wenn Kinderzeichnungen verkauft werden, ist das
natürlich der Hammer.
Erst nach Verkauf einer Zeichnung wird enthüllt, wer sie geschaffen hat.
Genau – und erst, wenn bezahlt wurde, kommt die Zeichnung von der Wand. Wir
hatten nämlich schon Situationen, da wurde ein Werk zurückgegeben, weil
doch kein berühmter Name erwischt wurde.
Lernen sich Künstler*innen und Käufer*innen kennen?
Auf den Eröffnungen passiert das häufig. Manche gehen dann auch ins Atelier
und kaufen weiter ein, zum normalen Preis. Generell erfahren sowohl die
Käufer, von wem ihr Werk stammt, als auch die Künstler, wer gekauft hat.
Einmal führte eine Zeichnung aus unserem Online-Archiv eine Künstlerin, die
sich mit China beschäftigte, und einen Mann zueinander, der Buddhist war:
Er hat die Arbeit gesehen, und dann war da so viel, was die beiden
verbunden hat.
Ertappen Sie sich nie dabei, mehr Profit aus dem Projekt schlagen zu
wollen?
Dass ich während des Projekts nicht an anderen Sachen arbeiten muss, ist
alles, was ich will. Ich kriege auch oft Rat von Leuten, die das Projekt
toll finden, und dann sagen, man könnte noch dieses machen und jenes. Aber
ich fürchte, ich kann das einfach nicht so gut. Die Idee von Sponsoren hat
mir auch noch nie gefallen. Das ist nicht meine Motivation und deshalb gebe
ich in die Richtung nicht unbedingt Gas.
Erstmals erstellen die Künstler*innen der Ausstellung neben Zeichnungen
auch eigene Texte. Was hat es damit auf sich?
Das ist ein Herzenswunsch, den ich schon lange hege. Als Künstlerin
beschäftige ich mich viel mit Text. Die Ausstellung selbst ist zwar sehr
leise – wenn man darin steht, wird einem gefühlt aber ins Ohr geflüstert.
Die Worte, die dann im Raum hängen, wollte ich behandeln. Deshalb habe ich
jeden Künstler und jede Künstlerin eingeladen, eine andere Zeichnung zu
beschreiben. Und ich wurde geflutet. Da kamen poetische Texte, auch spröde,
auch witzige. Das alles wird jetzt zu einem A5-Abreißblock editiert: unten
kommt der Text hin, die Fläche darüber bleibt frei. Da wäre dann Platz für
eine neue Zeichnung.
13 Jul 2018
## AUTOREN
Natalia Bronny
## TAGS
Kunstmarkt
Kunstausstellung
Kunst
zeitgenössische Kunst
zeitgenössische Kunst
## ARTIKEL ZUM THEMA
Erfahrungsräume in der Kunst: Die Kunst und die Spektakel-Industrie
Die Selbstwahrnehmung steht im Fokus der Ausstellung „Welt ohne Außen“: Man
kann sich auf Turnmatten wälzen und grünen Tee schlürfen.
Kuratorin über Louise Bourgeois: „Anziehend und unheimlich zugleich“
Als eine Pionierin der Installationskunst passt Louise Bourgeois gut in den
Schinkel Pavillon, meint die künstlerische Leiterin Nina Pohl.
Zeitgenössische Fotokunst aus China: Die neuen Blumen des Bösen
Die Ausstellung „Life and Dreams“ in der Walther Collection bei Neu-Ulm
zeigt: In der chinesischen Kunst gibt es noch immer kritische Positionen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.