# taz.de -- Bertelsmann-Studie zu Kinderarmut: Arbeitslose Mütter, arme Kinder | |
> Sind Frauen nicht erwerbstätig, steigt das Risiko, dass ihre Kinder | |
> verarmen, signifikant. Das betrifft besonders stark Alleinerziehende, | |
> aber auch Frauen in Paarbeziehungen. | |
Bild: Müttern muss der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden, dann sinkt … | |
GÜTERSLOH afp/epd/dpa | Das [1][Armutsrisiko von Kindern] wird einer Studie | |
zufolge maßgeblich davon bestimmt, ob ihre Mütter arbeiten. Das gelte für | |
Alleinerziehende ebenso wie für Paarfamilien mit einem zweiten Verdiener, | |
erklärte die Bertelsmann-Stiftung am Mittwoch unter Berufung auf eine von | |
ihr in Auftrag gegebene [2][Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und | |
Berufsforschung (IAB]). Sie forderte mehr Hilfe für Frauen am Arbeitsmarkt | |
sowie Reformen der staatlichen Zahlungen für Kinder. | |
Demnach wachsen in Familien mit einem Elternteil beinahe alle Kinder (96 | |
Prozent) in dauerhaften oder wiederkehrenden Armutslagen auf, wenn die | |
Mutter nicht arbeitet. Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung der Mutter | |
sinkt der Anteil auf 20 Prozent, wobei weitere 40 Prozent der Kinder | |
weiterhin zumindest zeitweise Armutserfahrungen erleben. | |
Arbeitet die Mutter über einen längeren Zeitraum Vollzeit, werden 16 | |
Prozent der Kinder zeitweise mit Armut konfrontiert. In den meisten Fällen | |
gelingt es aber, diese Erfahrung nicht dauerhaft werden zu lassen. | |
Auch in Paarfamilien steigt das Armutsrisiko für Kinder der Studie zufolge | |
deutlich, wenn Mütter ihre Arbeit verlieren oder aufgeben. Sind diese über | |
einen längeren Zeitraum hinweg nicht erwerbstätig, erleben 32 Prozent | |
dauerhaft oder wiederkehrend Armutslagen, 30 Prozent kurzzeitig. Arbeiten | |
ihre Mütter in Voll- oder Teilzeit oder haben einen Minijob, sind nahezu | |
alle finanziell abgesichert. | |
## „Teilhabegeld“ soll staatliche Leistungen bündeln | |
„Kinderarmut hängt maßgeblich an der Erwerbstätigkeit von Frauen“, erkl�… | |
Stiftungsvorstand Jörg Dräger. „Müttern muss es erleichtert werden, | |
arbeiten zu gehen.“ Zugleich müsse das Unterstützungs- und Hilfesystem für | |
Kinder es auffangen können, wenn die Mütter wegen der Familiensituation | |
nicht erwerbstätig sein könnten. Kinder bräuchten auch „gemeinsame Zeit und | |
Betreuung“. | |
Die Stiftung macht sich unter anderem dafür stark, alle staatlichen | |
Leistungen für Kinder in einem sogenannte Teilhabegeld zu bündeln und | |
dieses in der Höhe stärker auf die Einkommenssituation der Eltern | |
auszurichten. Wohlhabendere Familien sollten weniger bekommen, während | |
ärmere besonders profitieren sollen. „Das vorhandene Geld muss dort | |
ankommen, wo es am meisten gebraucht wird“, betonte Dräger. | |
Die Diakonie in Niedersachsen hat angesichts der Studie die Forderung nach | |
einer eigenen Grundsicherung für Kinder bekräftigt. „Es ist dringend | |
geboten, dass wir wieder über eine Verteilungsgerechtigkeit in unserem Land | |
reden“, sagte Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke am Mittwoch in Hannover | |
dem Evangelischen Pressedienst (epd). | |
Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in | |
Nürnberg. Laut verwendeter Definition liegt eine Armutslage vor, wenn eine | |
Familie mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens | |
auskommen muss oder Hartz IV bezieht. | |
## Kinder von Freizeitaktivitäten ausgeschlossen | |
Die von der Studie verwendeten Armuts- und Armutsrisikodefinitionen sind | |
nicht unumstritten, es gibt auch andere Konzepte. Sie Stiftung verteidigte | |
sie aber. „Armut bedeutet in Deutschland in der Regel nicht, obdachlos oder | |
hungrig zu sein“, betonte sie. Sie äußere sich aber „in materiellen | |
Entbehrungen“ und vor allem „Einschränkungen in der sozialen und | |
kulturellen Teilhabe“. Arme Kinder seien deutlich benachteiligt. Zudem | |
verweist, die Studie auf Vorläuferstudien, die die Erwerbssituation der | |
Mutter als signifikant für die Situation der Kinder herausgestellt haben. | |
Alternative Familienkonzepte scheinen nicht berücksichtigt. | |
Von Kindern und Jugendlichen aus finanziell abgesicherten Haushalten sind | |
mehr als 75 Prozent in Vereinen aktiv. Bei Kindern aus ärmeren Familien | |
sind es nur halb so viele (40 Prozent). Doppelt so viele aus ärmeren | |
Familien als aus finanziell abgesicherten Familien würden nach eigenen | |
Angaben nicht an Freizeitaktivitäten ihrer Wahl teilnehmen können. | |
Grundlage für die Studie „Lebensumstände von Kindern im unteren | |
Einkommensbereich“ ist die repräsentative Längsschnittstudie „Panel | |
Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung“ (PASS), in der seit 2006 jährlich etwa | |
15.000 Menschen ab 15 Jahren befragt wurden. Dafür wurden Informationen von | |
fast 3.200 Kindern über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewertet. | |
27 Jun 2018 | |
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[2] https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/Familie_und_Bi… | |
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