# taz.de -- Vor dem Spiel Argentinien – Kroatien: Ein Star und zehn Statisten | |
> Argentinien trifft auf Kroatien. Es spielen zwei Teams, die viel können. | |
> Zuletzt zeigte das nur Kroatien, bei Argentinien drehte sich alles um | |
> Messi. | |
Bild: Argentinische Fans bitten: Allmächtiger steh uns bei | |
Fußball ist Vielfalt. Die meisten Mannschaftssportarten kennen einen | |
idealen Körper, sie haben eine Norm. Die kann man zwar durchbrechen, aber | |
das ist dann eben bemerkenswert außergewöhnlich. Nirgendwo aber ist die | |
Norm so breit wie im Fußball; es ist Platz für den großen Langen, den | |
schmalen Schlaks, den kleinen Wusel. Für alle gibt es eine Position. Selbst | |
ein Garrincha, das eine Bein, zum X gebogen, sechs Zentimeter kürzer als | |
das andere, das sich o-haft wölbte, gehörte zu den Weltbesten aller Zeiten. | |
Keine andere Sportart bringt solche Biografien hervor. | |
Sowohl Kroatien als auch Argentinien haben diese schwer fassbare Breite in | |
der Mannschaft, eine wunderschöne Vielfalt an Talenten. Argentinien: Lionel | |
Messi natürlich, dazu der gleichermaßen elegante wie kantige Javier | |
Mascherano, Ángel Di María, der selbst im Vollsprint die Eleganz eines | |
Opernballs ausstrahlt, der fuchsige Gonzalo Higuaín, Kun Agüero, den man | |
immer nur wie aus dem Augenwinkel sieht, und der aber doch – nur durch | |
einen Moment! – immer im Zentrum des Geschehens ist. Wie | |
Schwarzenegger-Filme im Grunde zwei Stunden Brimborium sind, um einen | |
trockenen Einzeiler abzusetzen, so sieht Agüero dieses Spiel. | |
Und Kroatien! Diese ungelenke Vollholzschrankwand Mario Mandžukić vorne | |
drin, die Wühlmaus Luka Modrić, Ivan Perišić, dessen Schüsse eine Arroganz | |
ausstrahlen, die deswegen rührend ist, weil sie so oft danebengehen, Ante | |
Rebić, dem, wo andere ein Herz haben, ein Viertakter eingebaut wurde. Und | |
Andrej Kramarić, der, wenn gar nichts geht, aus 25 Metern ein Ding | |
raushaut, dass einem die Haare vom Kopf stehen vor Gänsehaut. | |
Es kommt natürlich nicht nur darauf an, diese Mittel zur Verfügung zu | |
haben, man muss sie auch nutzen. Das ergibt dann Mannschaften, die man | |
„unberechenbar“ nennt: dass sie, wenn eines nicht funktioniert, eben das | |
andere versuchen; und dann noch was anderes, und noch was, bis es passt. | |
Elf Pläne müsst ihr sein, für jede Herausforderung einer. | |
Beide Mannschaften haben das im ersten Spiel nur eingeschränkt gezeigt. | |
Kroatien hat ein bisschen Hilfe gebraucht, ein unglückliches Eigentor und | |
einen dämlichen Elfmeter, [1][um Nigeria niederzuringen]. Ideen waren da, | |
allein es fehlte die letzte Überzeugung, außer bei einem, Ante Rebić war es | |
diesmal – und das hat gereicht. | |
## Laufwege und Laubfrösche | |
Bei Argentinien allerdings [2][hat es nicht gereicht]. Da war vor allem | |
eines: Messi. Um die zehn Abschlüsse hatte er am Ende, und zehn | |
Steigbügelhalter standen um ihn herum. All diese famosen Fußballer stellten | |
sich in seinen Schatten, als seien seine Laufwege eine Autobahn und sie | |
selbst Laubfrösche. | |
Wahrscheinlich, dass das so bleiben wird. Jorge Sampaoli, Argentiniens | |
WM-Trainer, hat in Interviews quasi ausschließlich über Messi gesprochen. | |
Dass er den weltbesten Spieler trainieren dürfe, dass der Fußball Messi | |
einen WM-Titel schulde, dass überhaupt sich alles nur um den kleinen | |
Zauberer drehe. | |
Dabei ist es eine Schande, dass man all die anderen nicht sehen konnte, nur | |
weil der Trainer eine Messi-Obsession entwickelt hat. Mario Kempes sagte | |
vor dem WM, Argentinien habe Stürmer für einen Eintopf; dann ist Messi | |
aktuell das Salz, das das Essen verhagelt. Was ihn zum Strahlen bringen | |
soll, bedeutet für die anderen zehn, konform zu werden. | |
Ihm selbst will das auch nicht schmecken. 2016 trat er mal kurzfristig | |
zurück: der Erwartungsdruck, er war zu hoch. Doch statt ihm den Druck zu | |
nehmen, hat Sampaoli noch einen draufgesetzt. „Messi“, sagte er, „wird ei… | |
Waffe an den Kopf gehalten, die Weltmeisterschaft heißt. Und wenn er die WM | |
nicht gewinnt, wird ihn die Waffe umbringen.“ Da hat wohl einer den Schuss | |
noch nicht gehört. | |
21 Jun 2018 | |
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## AUTOREN | |
Frederic Valin | |
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