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# taz.de -- Weltnichtrauchertag? Ode ans Rauchen: Sagenhaft unvernünftig
> Die Zigarette ist das perfekte Accessoire: RaucherInnen im Film und auf
> Fotos wirken elegant und stilvoll. Zeit, sich endlich das Rauchen
> anzugewöhnen.
Bild: Man würde so gerne, wenn man denn könnte
Vor zwei Tagen habe ich wieder versucht, endlich und ein für allemal mit
dem Rauchen zu beginnen. Etwa zwei bis drei Mal jährlich bemühe ich mich um
eine anständige Nikotinsucht, dieses Mal mit erschnorrten Zigaretten von
meiner Kollegin beim Feierabend-Wein.
Ich bin 33 Jahre alt, seit einem Jahrzehnt scheitere ich trotz großer
Sehnsucht nach einer Kippe in der Hand am konsequenten Rauchen. Leider geht
es mir wie dem jungen Herrn Lehmann in Sven Regeners Roman „Neue Vahr Süd“,
der einen ähnlichen Zigaretten-Fail erlebt: „Er hatte schon wieder den
ganzen Abend nicht richtig ans Rauchen gedacht, und langsam begann er sich
zu fragen, wie das die anderen bloß immer hinkriegten.“
Warum überhaupt jemand so doof ist, nach seinen Teenager-Jahren noch mit
dem Rauchen anfangen zu wollen? Ganz einfach: Das Rauchen ist einfach die
stilvollste Art, sich zugrunde zu richten. Ich neige nicht zur Askese – und
kein anderes Laster hat so eine schnoddrige Eleganz.
Muss ich zur Erläuterung wirklich bei französischen Filmen anfangen?
Zeigen, was für tolle Bilder rauchender Frauen es gibt – etwa Otto Dix’
Porträt der Journalistin Sylvia von Harden? Ihnen die wunderschönen
Smalltalk-Episoden aus Jim Jarmuschs „Coffee and Cigarettes“ vorspielen?
Gemütlich die Luft verpesten – und dabei gut aussehen
Vielleicht sollte ich einfach ein Video von meiner ältesten Freundin
machen, wie sie sich beim Rauchausatmen gleichzeitig ihre wilden Locken aus
dem Gesicht pustet – das macht sie so charmant, dass sich Menschen noch
Jahre später nach nur einmaliger Begegnung schwärmerisch an diese Geste
erinnern.
Und das ganze schöne Zubehör! Zigarettenspitzen wirken natürlich arg
kapriziös, aber verhindern gelbe Finger. Kürzlich wollte ich zur Förderung
meines Rauchvorhabens sogar ein hinreißendes Art-déco-Raucherset in schwarz
und altrosa erwerben. Auch reizt mich derzeit die Online-Kleinanzeige
„Schöner alter Porzellan Rauchverzehrer Herr & Frau Mecki Vintage 1940er
1950er!“, für den ich gerne den zu verzehrenden Qualm herstellen möchte.
Die Zigarette ist ja schon das perfekte Accessoire, gerade weil sie so
sagenhaft unvernünftig ist. Mein Erwachsenenleben ist schon voll genug mit
Zahnarzt-Prophylaxe-Terminen, Müsli und Finanzamt-Gedöns. Zur Abwechslung
hätte ich ganz gerne mal eine Pause von allem, was der pflichtbewusste,
verantwortungsvolle Mensch so wollen soll.
Überdies neide ich den sozialen Aspekt dieser verschworenen, weil gemeinsam
dem Wetter ausgelieferten Paffer-Gemeinde: Wie sie immer vor der taz
stehen, oft frierend, aber immer quatschend, sich verbrüdernd, gemütlich
die Luft verpestend! Ich mutmaße, dass dort nicht nur der saftigste Tratsch
weitergegeben, sondern auch die besten Intrigen gesponnen werden.
Danke, ihr Raucher!
Sicher: Sie machen leider nicht nur sich selbst, sondern auch anderen das
Leben schwer. Niemand kann sich ohne Rauchwerk in eine Raucherecke gesellen
– wer nicht selbst daran beteiligt ist, die Luft nach allen Regeln der
Kunst vollzudampfen, erträgt den Gestank schlichtweg nicht.
Aber genau genommen haben NichtraucherInnen wie ich doch auch eh schon
gewonnen: Die Gefahren sind doch längst bekannt. Wo bitte darf denn noch in
aller Ruhe gepafft werden? Ich muss schon abends eine ganze Weile in
Berliner Kneipen rumhängen, um mich am nächsten Tag mal wieder über den
Muff beschweren zu können.
Dabei hat das Rauchen auch für alle anderen einen kleinen Vorteil: die
Pausen-Frequenz. Noch nie musste ich beispielsweise bei Seminaren oder
Fortbildungen wegen akuter Bocklosigkeit um eine Pause bitten – das
erledigen die Raucher schon irgendwann. An diesem Weltnichtrauchertag danke
ich also allen Nikotinsüchtigen für die bescherten Auszeiten. Ich rauche
dann später eine auf euch.
31 May 2018
## AUTOREN
Eva Oer
## TAGS
Rauchen
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Zigaretten
Nichtrauchen
E-Zigaretten
Schockbilder
Rauchen
Stadtpark
Schwerpunkt Deniz Yücel
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