# taz.de -- Kritik an Fake von Journalistenmord: Armer Herr Steinmeier | |
> Der in der Ukraine vom Geheimdienst vorgetäuschte Babtschenko-Mord | |
> untergräbt die Glaubwürdigkeit der Behörden. Die sehen das aber nicht so. | |
Bild: Ob das so eine gute Idee war? | |
KIEW taz | Während ukrainische Politiker und Behörden den | |
Inlandsgeheimdienst SBU für die Aktion mit dem russischen Journalisten | |
Arkadi Babtschenko loben, findet sich in den sozialen Netzwerken kaum ein | |
lobendes Wort für den SBU. Der Kreml-Kritiker Babtschenko war am Dienstag | |
erst zum [1][Todesopfer] eines mutmaßlich russischen Attentates erklärt | |
worden, um dann am Mittwoch der Presse [2][quicklebendig] präsentiert zu | |
werden. | |
„Ich bedanke mich beim SBU für die glänzende Operation, mit der sie das | |
Leben des russischen Journalisten Arkadi Babtschenko gerettet hat“, | |
schreibt Präsident Poroschenko auf Facebok. „Die ukrainischen | |
Rechtsschutzorgane werden von Tag zu Tag stärker in ihrer Gegenwehr gegen | |
die russische Aggression.“ Zugleich kündigte Poroschenko einen 24-stündigen | |
Personenschutz für Babtschenko an. | |
Auch der nationalistische Abgeordnete Igor Mossijtschuk gratulierte SBU und | |
Bundespolizei. Die Generalstaatsanwaltschaft sah sich veranlasst, noch | |
einmal den Sinn der Operation zu erklären. So war der als Killer | |
angeheuerte Mann offensichtlich mit den ukrainischen Behörden vorab in | |
Kontakt getreten. Mit dem fingierten Mord wollte der SBU den Auftraggeber | |
zur Kontaktaufnahme mit dem Killer zwingen und ihm eine Liste von 30 | |
Todeskandidaten entlocken. | |
„Mir tut vor allem Herr Steinmeier leid“, schreibt ein German Glebovitsch | |
auf Facebook. „Der hatte alles geglaubt. Doch mit diesem Vorfall dürfte der | |
Vertrauenskredit von Steinmeier für die Ukraine wohl aufgebraucht sein“, so | |
Glebovitsch. Er spielte auf eine Rede Steinmeiers in Kiew an, in der dieser | |
den „brutalen Mord“ an Babtschenko verurteilt hatte. Viel zu viele | |
Fake-Shows habe man schon von Ministern serviert bekommen, so Glebovitsch. | |
„Es hat fast den Anschein, als sind die meisten ihrer pathetischen | |
Äußerungen einfach nur Lügen.“ | |
Einer Olga Rosumenko, die stolz erklärt „unsere Geheimdienstler sind klasse | |
Leute“ erwidert eine Zrazhevska Nina auf Facebook: „Was ist denn so klasse | |
an diesen Jungs? Dass sie die ganze Welt an der Nase herumgeführt haben? | |
Und wer wird jetzt noch glauben, dass tatsächlich ein Mord geplant war?“ | |
## Ein Bier und ein Schlag ins Gesicht | |
„Arkadi, du Dummkopf, du sollst 100 Jahre leben. Und ab heute trinke ich | |
Bier nur noch auf deine Kosten – für all meine Tränen“, schreibt Roman | |
Zimbaljuk, Korrespondent der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian in | |
Moskau in einem Tweet. „Irgendjemand bekommt heute einen heftigen Schlag in | |
sein Gesicht“, kommentierte wenig wohlwollend die Gründerin des | |
Internetportals Zaborona.com die Nachricht von der Auferstehung ihres | |
Kollegen. | |
In der Tageszeitung KP erklärt der Politologe Alexej Jakubin, dass die | |
Weltgemeinschaft diese Aktion nicht „superpositiv“ aufnehmen werde. Das sei | |
ein Versuch von Generalstaatsanwalt Luzenko und SBU-Chef Grizak gewesen, | |
ihren Stellenwert in der Machtelite nach oben zu treiben. „Doch wir haben | |
gesehen, wie leicht es für die Geheimdienste ist, die öffentliche Meinung | |
zu manipulieren, sogar dann, wenn es um Leben und Tod geht.“ Letztlich | |
könne dieses „grausame Spiel“ zu einem Vertrauensverlust führen. | |
Ein Konstantin Narimanidse ärgert sich über die mangelnde Empathie des | |
Geheimdienstes für all diejenigen, die bei der Nachricht vom Tod des | |
Journalisten getrauert hatten. Niemand habe sich die Mühe gemacht, sich bei | |
den Millionen Menschen für das ihnen zugefügte seelische Leid zu | |
entschuldigen. | |
Arkadi Babtschenko, so scheint es, wird indes nicht von Selbstzweifeln | |
geplagt. „Gott, bin ich froh, dass ich nicht mehr Zielscheibe bin“, | |
schreibt er auf Facebook. „Ich gehe, lächle, es ist gut. Ich bin | |
zufriiiiiiiieden.“ Doch lange werde dieser entspannte Zustand nicht | |
anhalten, schreibt er weiter. Irgendwann in einigen Monaten werde ihm wohl | |
wieder ein Mordversuch drohen, meint er. Fragt sich nur, ob man es dann | |
noch glauben wird. | |
31 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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