# taz.de -- Bilanz der Anti-AfD-Demos in Berlin: „Die Menschen waren wütend�… | |
> Darf „ganz Berlin“ die AfD hassen und ein Bündnis gleichzeitig „Stoppt | |
> den Hass der AfD“ fordern? Klar, sagt Aktivistin Nora Berneis. Denn es | |
> gebe einen echten Unterschied. | |
Bild: „Ganz Berlin hasst die AfD“: Mit Rufen wie diesem wurden Teilnehmer d… | |
taz: Frau Berneis, Ihre Kundgebung gegen die AfD vor dem Reichstag lief | |
unter dem Motto „Stoppt den Hass“. Hat nicht ganz funktioniert, oder? | |
Nora Berneis: Doch. Es waren insgesamt 72.000 Berlinerinnen und Berliner in | |
den Straßen unterwegs – und nur 3.000 bis 5.000 beim AfD-Demozug. Wir waren | |
also mindestens zehn Mal so viele Menschen, die gezeigt haben: Berlin lässt | |
sich nicht vom Hass überzeugen. Im Gegenteil: Berlin bleibt | |
antirassistisch, bunt und vielfältig. | |
Aber tausende Demonstranten haben rund ums Brandenburger Tor skandiert: | |
„Ganz Berlin hasst die AfD!“ Da sind wir doch wieder beim Hass, den Sie mit | |
Ihrer Demo stoppen wollten. | |
Es ist etwas völlig Anderes, Neonazis, Pegida und üblen Rassisten diesen | |
Slogan entgegen zu rufen. | |
Warum? | |
Die AfD hetzt gegen Geflüchtete und Muslime. Das führt dazu, dass Menschen | |
angegriffen werden, dass Moscheen brennen, dass Flüchtlingsunterkünfte | |
attackiert werden. Das ist tatsächlich Hass, der zu Gewalt führt. Es ist | |
geistige Brandstiftung, die Menschen in Gefahr bringt. Slogans wie „Nazis | |
raus“ oder eben „Ganz Berlin hasst die AfD“, durch die die Ablehnung von | |
rassistischer Hetze und rechten Schlägern ausgedrückt werden, sind einfach | |
ein Zeichen der Wut. Und die Menschen waren wütend! Dass sie das auch | |
ausgedrückt haben, war wichtig und richtig. | |
Es steht also nicht im Widerspruch zu Ihrer Aufforderung, den Hass zu | |
stoppen? | |
Nein, ich finde nicht. Rassismus und Gewalt gegen Menschen aufgrund von | |
Hautfarbe, Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung sind eine | |
Bedrohung. Dass Zehntausende sie ausbuhen und anschreien, ist notwendig, um | |
Menschen vor AfD und Rassismus zu schützen. | |
Warum sind denn am Sonntag so viele Menschen zu den Protesten gegen die AfD | |
gekommen? | |
Alle wissen, dass die AfD eine tatsächliche Gefahr darstellt und zunehmend | |
zu einer Partei der Nazis wird – in dem Sinne, dass die Nazis dort den Ton | |
angeben. Zudem gibt es das Gefühl, dass die AfD ein Angriff auf uns alle | |
ist. In erster Linie zwar auf jene, die von dem Rassismus betroffen sind; | |
sie ist aber auch ein Angriff auf ein Leben in Selbstbestimmtheit und ohne | |
Angst in dieser Stadt. Die Menschen wollten zeigen: Wir sind solidarisch, | |
wir stehen zusammen an der Seite von Geflüchteten, Muslimen, von LGBTIQ*, | |
und mit allen, die von der AfD angegriffen werden. | |
Lag es nicht auch am Gefühl schon im Vorfeld, dass an diesem Sonntag mehr | |
Gegendemonstranten als AfDler kommen werden? | |
Klar gab es eine Eigendynamik. Das hat sich gegenseitig begünstigt. | |
Einerseits der bundesweite Aufruf der AfD zum Aufmarsch in Berlin, wobei ja | |
offensichtlich war, wer kommen würde: die rechtesten Mitglieder und | |
Sympathisanten. Andererseits die Tatsache, dass sich mehrere Gegenproteste | |
– insgesamt fünf breite Bündnisse – formiert haben. Die Theater sprechen | |
eine andere Klientel an als die Clubs oder die Refugee-Initiative. Bei | |
„Stoppt den Hass“ hatten wir migrantische und linke Gruppen, aber auch | |
Gewerkschaften, SPD, Grüne und die Linkspartei mit dabei. | |
Macht es generell Sinn, wenn nicht mehr viele Gruppen zu einem einzelnen | |
Protest mit dann 20.000 Teilnehmern aufrufen, sondern viele zu vielen | |
verschiedenen Protesten mit dann je 1.000 oder 3.000 oder 8.000 | |
Teilnehmern? Dass man den Teilnehmern also unterschiedliche Angebote macht? | |
Das kommt auf die Situation an. In dieser Lage war es total angebracht, | |
verschiedene Demonstrationen zu machen. Einerseits wegen der Routen: Die | |
Glänzenden standen am Ende auf der einen Seite des Brandenburger Tors, der | |
Rave kam aus der anderen Richtung; von der Wiese vorm Reichstag kamen noch | |
mehr Leute. Wir haben die AfD umzingelt. Das war cool und wichtig. Eine | |
große Demo hingegen wäre nur aus einer Richtung gekommen. Andererseits hat | |
die Vielfalt der Proteste diese noch spannender gemacht. Viele Leute sind | |
von einem zum anderen gelaufen und haben sich das angeschaut, weil es sie | |
interessiert hat. Und schließlich geht es bei einem antirassistischen | |
Projekt gegen die AfD ja gerade darum, Vielfalt zu zeigen und zu | |
symbolisieren: Diese Stadt, das sind wir alle. | |
In den vergangenen Jahren schwankten die Zahlen der Demoteilnehmer bei | |
Protesten gegen die „Merkel muss weg“-Demo oder auch die AfD in Berlin | |
stark. Bisweilen waren mehr Rechte auf der Straße. Wie kann aus dem Erfolg | |
am Sonntag etwas Dauerhaftes werden? Die nächste AfD-Demo kommt ja | |
bestimmt. | |
Da bin ich mir nicht so sicher. Die AfD hat sich richtig beeilt, ihr | |
Programm durchzuziehen; sie war total schnell mit den Reden durch. Und ich | |
glaube nicht, dass es ihnen richtig Spaß gemacht hat. Die Nazis und | |
Rassisten wurden die ganze Zeit ausgebuht, selbst am Hauptbahnhof bei der | |
Abreise noch. Und auch innerhalb der AfD wird es noch eine Nachbereitung | |
geben: Eingeladen hatte die ganze Partei, dominiert wurde der Zug dann aber | |
von Höcke und seinen Anhängern. Da wird es weitere Konflikte über die | |
Ausrichtung geben. | |
Noch mal zurück zu meiner Frage: Kann sich aus dem Protest etwas | |
Dauerhaftes entwickeln? | |
Im Vorfeld gab es eine total gute Zusammenarbeit zwischen „Stoppt den | |
Hass“, den „Vielen“, We'll stay United, den Clubs und der Wasserdemo. Die… | |
Kontakte werden wir auf jeden Fall wieder aufnehmen, wenn der nächste große | |
Protest ansteht. Das ist klar. | |
Aber wird es denn zum Beispiel eine Auswertung geben? | |
Natürlich treffen wir uns diese Woche zur Auswertung. Und viele Menschen, | |
die am Sonntag auf der Straße waren, haben gemerkt: Wenn wir uns | |
organisieren, wenn wir Teil dieser Proteste werden, dann können wir was | |
erreichen. Und ich denke, dass sich jetzt mehr Leute überlegen, wie und wo | |
sie etwas gegen die AfD und Rassismus machen können. Wir laden alle ein, | |
bei „Aufstehen gegen Rassismus“ mitzumachen; wir haben in Berlin fünf | |
Kiezgruppen, wo man aktiv werden kann. Denn klar ist: Das war ein Erfolg am | |
Sonntag, aber die AfD wird so schnell nicht verschwinden. Wir müssen weiter | |
machen! Wir brauchen weiterhin klare politische Positionierungen von | |
Parteien, Gewerkschaften, aber auch von Theatern und Clubs. Und wir | |
brauchen noch mehr Aktivistinnen und Aktivisten, um den Aufstieg der AfD | |
tatsächlich zu stoppen. | |
28 May 2018 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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