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# taz.de -- Dokumentarfilm über Maria Callas: Liebesbriefe an Aristoteles
> Das Debüt des französischen Fotografen Tom Volf ist in seiner radikalen
> Subjektivität eine gelungene Hommage an die legendäre Opernsängerin.
Bild: Maria Callas mit Visconti im Teatro alla Scala
Im Jahr 2013 geschah es, dass ein junger französischer Fotograf, der bis
dahin mit der Welt der Oper rein gar nichts zu tun hatte, erstmals Maria
Callas singen hörte und Feuer fing. Tom Volf versenkte sich auf YouTube in
alle Mitschnitte, derer er habhaft werden konnte. Dann begann er eigene
Recherchen anzustellen und so ganz allmählich ein Callas-Archiv anzulegen.
Er suchte Ferruccio und Bruna auf, die beiden Hausangestellten der
Sängerin, die sie treu durch 25 Jahre ihres Lebens begleitet hatten, und
führte lange Gespräche mit ihnen. Und obwohl sie gar nicht selbst darin
auftreten, ist diesen zweien auch der Film gewidmet, den Volf schließlich
kunstvoll aus dem gewaltigen Materialhaufen herausdestillierte, der ihm
vorlag.
„Maria by Callas“ erzählt das Leben der Sängerin ausschließlich in ihren
eigenen Worten. Der Film verzichtet – abgesehen von Reporterfragen und
Zeitungsschlagzeilen – vollständig auf Wortbeiträge dritter Personen.
Einzig und allein Maria Callas spricht – in zahlreichen Filmausschnitten,
aber auch in Briefen, die im Original von Fanny Ardant und in der deutschen
Fassung von Eva Mattes gelesen werden. Erklärtermaßen soll Volfs Film auch
posthume Wiedergutmachung für die zu ihren Lebzeiten nicht immer
freundliche Behandlung der Callas durch die Medien sein.
In manchen Filmschnipseln sieht man sie, die Paparazzi, denen zum Beispiel
auf irgendeinem Flughafen erlaubt worden ist, die Sängerin gleich nach der
Landung am Flugzeug abzufangen und ihr dreiste Fragen zu ihrem Privatleben
zu stellen. Auch unschöne Schlagzeilen bekommt man zu lesen, die es zum
Beispiel gab, nachdem Maria Callas eine Opernvorstellung in Rom nach dem
ersten Akt abgebrochen hatte, da ihr aufgrund einer Bronchitis die Stimme
versagte (zum Skandal wurde das, weil der italienische Staatspräsident
unter den Zuschauern war). Oder solche, die den Blätterwald zum Rauschen
brachten, als der Intendant der New Yorker Met einen Vertrag platzen ließ,
weil die Callas mit seinen Konditionen nicht einverstanden war.
Volfs Film stellt sich nicht nur unbedingt hinter Maria Callas, er ist
durch seine radikal subjektive Perspektive gleichsam die Callas.
Allerdings: Wer ist „die Callas“? Und wer „Maria“? So fragt der Journal…
David Frost gleich zu Beginn des Films in einem TV-Interview, das Maria
Callas ihm 1970 gab und das nie zuvor veröffentlicht wurde. Dieses Gespräch
– das Band wurde Tom Volf exklusiv von Callas’ Sekretär Ferruccio
anvertraut – ist ein großer Glücksfall für Volfs Dokumentation. Denn darin
wird tatsächlich mehr von jenem „Maria“-Anteil sichtbar als in jedem
anderen hier mitzuerlebenden ihrer öffentlichen Auftritte. Nur dezent
geschminkt und leger – für ihre Verhältnisse – gekleidet, sitzt die
Sängerin in einem schmucklosen Fernsehstudio und beantwortet entspannt auch
sehr private Fragen.
Wie einen Kommentar auf die öffentliche Persona, die Maria Callas sonst so
perfekt zu geben weiß, hat Tom Volf das Frost-Interview in kurzen
Ausschnitten und regelmäßigen Abständen in seinen Film montiert. Ein
weiterer gelungener Coup war es, den Schatz an Briefen zu heben, die Maria
Callas schrieb: an Elvira de Hidalgo zum Beispiel, ihre einstige
Gesangslehrerin aus der Studienzeit in Athen; an Grace Kelly, mit der sie
befreundet war; und nicht zuletzt zu Herzen gehende Liebesbriefe an den
griechischen Milliardär Aristoteles Onassis, für den die Sängerin sich von
ihrem Mann trennte. Onassis aber heiratete nach neun Jahren nicht Maria
Callas, sondern Jackie Kennedy. Bei Mark Frost im Fernsehstudio sitzt
schließlich eine durch viele Krisen gegangene Maria und erklärt gelassen,
ihre Beziehung zu Onassis sei zwar gescheitert, aber dafür sei nunmehr ihre
Freundschaft ein Erfolg.
So berührend ihre Gefühle in den privaten Briefen zum Ausdruck kommen, so
souverän verstand es deren Verfasserin, in der Öffentlichkeit private
Affekte sorgsam hinter topgestylter Divenfassade zu verbergen. Nur auf der
Bühne flossen beide Seiten zusammen: überragende Technik mit maximaler
Hingabe, große Darstellungskunst mit mitreißender emotionaler
Authentizität. Tom Volf hat etliche Arien in seinen Film integriert – klug
thematisch ausgewählt und ungeschnitten vom ersten bis zum letzten Ton.
Dafür muss man ihm dankbar sein – und der Ton- und Filmtechnik des 20.
Jahrhunderts dafür, dass uns Nachgeborenen die große Kunst dieser
Ausnahmemusikerin in konservierter Form erhalten geblieben ist.
Eines ist Tom Volfs Film übrigens nicht: eine um Objektivität bemühte
Dokumentation, die gewillt wäre, auch Licht in die eher dunklen Ecken des
Lebens zu werfen. Alles, worüber Maria Callas nicht öffentlich hätte reden
wollen, bleibt ungesagt. Und das ist nicht weniger als ihr gutes Recht.
16 May 2018
## AUTOREN
Katharina Granzin
## TAGS
Oper
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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