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# taz.de -- Weinfeste zu jeder Jahreszeit: Pfälzer Feierbiester
> In der Südpfalz leben Deutschlands beste Genießer – die ersten Weinfeste
> starten dort bereits im Januar, wenn es noch bitter kalt ist.
Bild: Weinberge im Süden der Pfalz
Christian Brendel würde sich auch im Hipster-Berlin gut machen. Mit Bart,
Hoodie und Mütze auf dem Kopf käme er in jeder Szenekneipe gut an. Doch
Brendel kommt vom Dorf. Er ist Winzer im pfälzischen Pleisweiler.
Jungwinzer genauer gesagt. Unter dem Label „Junge Südpfalz“ vermarktet er
sich mit einigen Kollegen aus der Region.
Vor einigen Jahren hat er den elterlichen Betrieb übernommen und aus dem
Genossenschaftsbetrieb eine eigene Marke gemacht. Weil es dabei nicht nur
auf den Inhalt ankommt, sondern auch auf dessen Präsentation, hat er neue
Etiketten designen lassen. Damit folgt Brendel einem Trend, denn der
bewusste Weintrinker sucht heutzutage die Geschichte hinter dem Produkt und
will am liebsten „seinen Winzer“ persönlich kennen.
„Die vielen Kleinvermarkter hier in der Region sorgen dafür, dass die
Qualität steigt“, so Brendel. Konkurrenz belebt also auch in der Pfalz das
Geschäft. Auf das Niveau seines Weins angesprochen, bleibt der 34-Jährige
bescheiden. „Mit den Großen können wir nicht über den Preis konkurrieren,
da müssen wir mit Leistung überzeugen“, sagt er. Und mit neuen Ideen.
Während man in anderen Regionen noch den Weihnachtsbaum abschmückt, steht
in der Südpfalz schon das erste Weinfest im Veranstaltungskalender. Ende
Januar feiert Nußdorf das „Erlebnis in Rot“.
Die Winzer aus dem Ort bieten dann an Verkaufsständen entlang eines knapp
drei Kilometer langen Rundwegs durch die Weinberge ihre besten Rotweine aus
dem Vorjahr an. Der Jahreszeit entsprechend kann man sich aber auch mit
Glühwein und Schmankerln aus der pfälzischen Küche wärmen.
Weinfeste gibt es in der Südpfalz natürlich auch dann, wenn man sie
eigentlich erwartet – zum Beispiel das „Erlebnis in Weiß“ Ende Mai, erne…
in Nußdorf. Dann wird nicht nur, wie der Name vermuten lässt, der Gaumen
mit Weißwein verwöhnt. Auch das Auge bekommt etwas geboten, mit Kunst am
Wegesrand. Im Sommer und Herbst feiert dann ein Dorf nach dem anderen sein
Weinfest.
## Handkees und Saumagen
Die wenigen Orte, die keinen Wein haben oder denen ein einziges Fest im
Jahr nicht reicht, finden andere und weitere kulinarische Gründe zum
Feiern. Bad Dürkheim lädt im September zum Wurstmarkt, Lustadt hat sich dem
Handkees verschrieben – dort kredenzt man neben dem Käse auch
Hochprozentiges. In Kallstadt huldigt man der Leibspeise des ehemaligen
Bundeskanzlers Helmut Kohl. Bei der Saumagenkerwe Ende August kommen
Freunde rustikaler Gaumenfreuden auf ihre Kosten.
Praktischerweise heißt der Wein aus der Spitzenlage des Ortes ebenfalls
„Kallstadter Saumagen“, sodass man den Saumagen auf dem Teller gleich mit
dem aus dem Glas hinunterspülen kann. Ohnehin scheint Kallstadt ein Ort mit
Affinität zur großen Politik zu sein. Hier kam nämlich 1869 Frederick Trump
zur Welt, der Großvater des Rüpels aus dem Weißen Haus. Das passt, denn
„Brulljesmacher“, Sprücheklopfer, nannten die Leute aus den Nachbardörfern
die Kallstädter schon lange, bevor Trump zum Präsidenten gewählt wurde.
## Süßes selbstgemacht
In der Manufaktur Rebmann in Bad Bergzabern steht man dagegen nicht aufs
Grobe – im Gegenteil, wer hierher kommt darf Süßes erwarten. Markus
Koppenhöfer hat sich ganz der Praline verschrieben. Für den jungen
Chocolatier sind Sahne und Kakao die Hauptwerkstoffe. Von den
unterschiedlichen Kakaosorten schwärmt er als spräche er von einer Frau.
Süß und intensiv die eine, etwas herber aber voller Tiefgang die andere.
Wer sich von Koppenhöfers Begeisterung anstecken lassen will, der kann sich
von ihm zum Hobbychocolatier ausbilden lassen. Nach zwei Stunden Rühren und
Gießen geht man dann mit einer selbstgemachten Tafel Schokolade und je nach
Jahreszeit mit einem Osterhasen oder Weihnachtsmann aus eigener Produktion
nach Hause. Die exotischeren Produkte, Spargelschokolade beispielsweise,
produziert aber nur der Meister selbst.
Um die einheimischen Köche zu Höchstleistungen anzuspornen, ruft man jedes
Jahr einen Wettbewerb aus. Bei „So schmeckt dir Südpfalz“ sind die
Restaurantchefs aufgefordert, eine bestimmte lokale Zutat in den
Mittelpunkt ihres Schaffens zu stellen und ein vielfältiges Dreigängemenü
zu zaubern. Da sich die Südpfalz auch als „Gemüsegarten Deutschlands“
bezeichnet, wird der Wettbewerb noch sehr lange fortgeführt werden können,
ohne dass es zu Wiederholungen in der Aufgabenstellung kommt.
Essen und Trinken hält bekanntermaßen Leib und Seele zusammen, und schon
allein deswegen wäre die Pfalz ein perfektes Reiseziel. Dort wo die
klimatischen Voraussetzungen für den Weinbau gut sind, sind sie es meist
auch für Wanderer und Radfahrer. Wie es sich für eine Weinregion gehört,
führen viele der ausgewiesenen Wege an Weinbergen vorbei oder gar durch sie
hindurch. Und einmal im Jahr findet sogar ein „WeinWanderWochenende“ statt.
Bei so vielen Angeboten muss sich, wer in der Sommerhochsaison kommt, mit
der Buchung sputen. Wein ist zwar genug da, die Hotelzimmer aber werden
knapp. Wer lieber auf die Nebensaison ausweicht, hat damit kein Problem –
und das letzte Weinfest des Jahres, der Birkweiler Weinwinter, findet
ohnehin erst Mitte Dezember statt.
21 Jul 2018
## AUTOREN
Rasso Knoller
## TAGS
Wein
Helmut Kohl
Donald Trump
Fliege
Lebensmittelwirtschaft
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