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# taz.de -- 25 Jahre Schaubude Berlin: Wenn Dinge zu Schauspielern werden
> Das Puppen-, Objekt- und Figurentheater Schaubude feiert 25. Geburtstag.
> Es ist mit jährlich 300 Vorstellungen für Kinder und Erwachsene eines der
> interessantesten seiner Art.
Bild: Mitwirkende des Jubiläumskonzerts der Schaubude
Eine Frau sitzt auf einer kleinen Bühne und versucht verzweifelt, den
Ausgang aus ihrem recht dehnbaren Pullover zu finden. Sie kämpft mit den
vier Löchern, die jeder Pulli bekanntlich hat, als wären es zehn.
Nach und nach kommen immer mehr Löcher ins Spiel: Löcher in Socken, Löcher
in Dosen, Löcher im Sieb. Am Ende schneidet die Frau kreisrunde schwarze
Löcher ins weiße Papier hinter sich, und plötzlich schiebt sich von der
anderen Seite ein Schlauch zu ihr durch eines der Löcher. Es pupst. Die
Dreijährigen vor der Bühne kreischen vor Angstlust.
## Sind Löcher immer rund?
Nach dem Stück „Schlupf“ im Puppen-, Objekt- und Figurentheater Schaubude,
das letzten Herbst eine Woche lang dort auf dem Programm stand, wird eifrig
diskutiert. Kleine Kinder streiten bei Kakao und Saft mit ihren Eltern über
ebenso philosophische wie seltsame Fragen: Was ist überhaupt ein Loch? Was
verbirgt sich hinter Löchern? Warum sind Löcher manchmal so tückisch? Und
müssen Löcher eigentlich immer rund sein?
Das städtische Theater Schaubude in der Greifswalder Straße in Prenzlauer
Berg, eines der renommiertesten seiner Art, feiert nächste Woche seinen 25.
Geburtstag. Vor der Wende befand sich im Haus die zentrale Spielstätte des
staatlichen Puppentheaters der DDR – und aus dieser Tradition schöpft die
Schaubude bis heute.
Dazu muss man wissen: Das Puppentheater in der DDR hatte nach sowjetischem
Vorbild wohl auch aufgrund seiner pädagogischen Wirkung im ganzen Land
feste staatliche Spielstätten mit umfangreichen Ensembles und großen
Werkstätten. Auch die Ausbildung zum Puppenspieler war vielseitiger als im
Westen. Die Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ bietet bis heute
einen acht Semester langen Diplomstudiengang für zeitgenössische
Puppenspielkunst an. Dort werden nach wie vor angehende PuppenspielerInnen,
SchauspielerInnen, PerformerInnen, Comedians, RegisseurInnen, AutorInnen,
FestivalmacherInnen, DozentInnen, und AusstatterInnen in diesem Bereich
ausgebildet.
„Tatsächlich arbeiten wir im Rahmen unserer Nachwuchsförderung wie eh und
je mit der Schauspielschule Ernst Busch zusammen und bieten Studierenden
und AbsolventInnen oft ihre erste Bühne“, sagt der künstlerische Leiter der
Schaubude, Tim Sandweg. Er gestaltet das Haus seit der Spielzeit 2015/16.
## Ein Laboratorium
Doch das Theater, das übrigens eine reine Gastspielbühne ist, also über
kein eigenes Ensemble verfügt, hat sich natürlich auch weiterentwickelt. Es
bietet inzwischen mit mehr als 300 Vorstellungen und bis zu 19.000
ZuschauerInnen im Jahr weit mehr als Puppentheater für Kinder, versteht
sich eher als Anlaufstelle für freie Gruppen, als Hort, als Laboratorium.
Denn das Objekttheater, so Sandweg, hat sich aus der bildenden Kunst
entwickelt. Es versucht intensiver als alle anderen Theaterformen, immer
neue Wege zu finden, eine Geschichte zu erzählen. Es spielt mit stummen
Materialien und Gegenständen, die als lebendige Spielpartner auf der Bühne
eingesetzt werden. Meist schlagen auf diesem Weg ziemlich erstaunliche
Ideen Funken.
Bereits Sandwegs Vorgängerin Silvia Brendenal, die das Theater von 1997 bis
2015 leitete, interessierte sich sehr für das Objekttheater, das Ende der
Neunziger in Deutschland noch eher stiefmütterlich behandelt wurde, aber
heute auch dank der Schaubude zum Status quo gehört. Nach und nach
etablierte Brendenal in der Schaubude auch Puppen-, Objekt- und
Figurentheater für Erwachsene. Am Anfang lag der Erwachsenenspielplan bei
nur ungefähr 12 Prozent Auslastung, heute sind es dagegen 85.
Insofern liegt es nahe, dass die Schaubude trotz tollen und erfolgreichen
Kinderprogramms ihren Geburtstag jetzt an fünf Abenden mit einem
Jubiläumskonzert der Dinge feiert, das eher für Erwachsene gedacht ist.
Präsentiert wird ein Parcours mit drei Arbeiten zwischen Objekttheater,
Klangkunst und Installation, zwei davon stammen vom katalanischen Dichter,
Grafiker, Theater- und Filmemacher Joan Brossa (1919–1988), der sich viel
mit dem Spanischen Bürgerkrieg befasst hat.
Aber auch ohne diesen Hintergrund wird es Spaß machen, zu sehen und zu
hören, wie da Schreibmaschinen selbst tippen und Papierberge atmen. Gut
möglich, dass man sich auch als Erwachsener wird fragen dürfen: Könnten
Löcher eigentlich auch Musik machen?
14 May 2018
## AUTOREN
Susanne Messmer
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Puppentheater
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