# taz.de -- Kolumne Mithulogie: Wir brauchen mehr kritische Museen | |
> In den USA hat ein Lynching-Museum eröffnet – und das funktioniert. | |
> Deutschland täte eines zur Aufarbeitung seiner Kolonialgeschichte gut. | |
Bild: Bronze-Statuen des National Memorial for Peace and Justice zum Gedenken a… | |
Die schlechte Nachricht ist, dass die Suche nach guten Nachrichten ganz | |
schön anstrengend ist. Also, haltet euch ran: Schafft die Ignoranz ab, | |
schafft Raum für Empathie oder erschafft Museen. Genau das passiert gerade | |
in Montgomery, Alabama. Im April eröffnete das Legacy Museum der EJI, im | |
Volksmund: das Lynching-Museum. Echt jetzt? In Militärmuseen wird das | |
Militär kaum hinterfragt, sondern Traumatisierung durch bloßes Darstellen | |
wiederholt. Was kann man da von einem Lynching-Museum erwarten? Dass es den | |
Tausenden schwarzen Menschen, die zwischen 1877 und 1950(!) erhängt, | |
verbrannt und zerstückelt wurden, ihre Menschenwürde zurück gibt, das kann | |
man davon erwarten. | |
So sammelten Freiwillige Erde von den Tatorten und füllten sie in | |
Einmachgläser mit den Namen der Opfer, deren Blut in diesen Boden geflossen | |
ist. Ja, es ist möglich, die Worte Blut und Boden in einem | |
antirassistischen Satz zu verwenden. 800 dieser Gläser stehen jetzt auf | |
meterlangen Regalbrettern, für jeden Landkreis eines. Genauso viele wie | |
Stelen in dem benachbarten Memorial, das ein wenig an das | |
[1][Holocaust-Mahnmal] in Berlin erinnert, nur dass die Stelen nicht aus | |
Beton sind, sondern aus rostigem Stahl, und nicht aus dem Boden wachsen, | |
sondern von Balken über den Köpfen der Besucher*innen baumeln wie die | |
Gelynchten von den Bäumen. | |
Und es funktioniert. Menschen, die jahrzehntelang aus Angst den Mund | |
hielten, erzählen hier die Geschichten ihrer Onkel und Großtanten, Mütter | |
und Urgroßväter. Und ihre weißen Nachbarn, die noch vor 68 Jahren Stullen | |
und Kinder eingepackt und sich zum Picknick mit Mord getroffen hätten, | |
schreiben ihnen Briefe mit Entschuldigungen. | |
Ein solches Museum will ich auch! Und zwar zur Aufarbeitung der deutschen | |
Kolonialgeschichte. Aber wir haben doch eins. Es heißt Deutsches | |
Kolonialmuseum und informiert … oh, bis 1915 darüber, wie man in den | |
Kolonien richtig viel verdiente. Okay, aber dafür haben wir den | |
Herero-Stein in Berlin. Dumm nur, dass darauf der deutschen Besatzer | |
gedacht wird, die beim Völkermord an den Herero den „Heldentod starben“. | |
2009 wurde zumindest noch eine Tafel für die Opfer der „Helden“ angebracht. | |
Allerdings fehlen darauf die Worte Völkermord und Konzentrationslager. | |
Dingdong: Das erste deutsche Konzentrationslager wurde 1907 [2][in | |
Swakopmund, damals Deutsch-Südwestafrika], errichtet. Aber das sollten wir | |
doch wissen, schließlich haben wir eine Swakopmunder Straße in Berlin und | |
Duisburg. | |
Neben den 800 hängenden Stelen warten 800 identische darauf, dass Vertreter | |
der Landkreise sie mit nach Hause nehmen und einen Wahrheits- und | |
Versöhnungsprozess beginnen. Ein bisschen mehr Wahrheit wäre für | |
Deutschland schon ein prima erster Schritt. | |
7 May 2018 | |
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## AUTOREN | |
Mithu Sanyal | |
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