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# taz.de -- Kommentar Wahlen in der Türkei: Das Spiel ist noch nicht entschied…
> Erdogan hat die Wahlen vorgezogen. Möglichst schnell will er sich alle
> Vollmachten sichern. Die Opposition hat scheinbar keine Chance – oder
> doch?
Bild: Wie's dem Herrscher gefällt; Erdogan will bald allein auf weiter Flur st…
So etwas nennt man [1][eine Überrumpelungsstrategie]: Monatelang hat der
türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bestritten, dass die
Präsidentschaftswahl vorgezogen werden könnte und plötzlich, wie aus dem
Nichts, kommt die Entscheidung: Wir ziehen die Wahlen vor. Nicht nur um ein
Jahr, sondern gleich um eineinhalb Jahre. Damit bleiben der Opposition
jetzt gerade einmal zwei Monate, um zu versuchen, Erdoğan zu stürzen.
Denn tatsächlich geht es in der Türkei nicht um irgendeine
Präsidentschafts- und Parlamentswahl. Sondern darum, die im April letzten
Jahres durchgepeitschte Verfassungsänderung, die dem Präsidenten alle
Vollmacht gibt und das Parlament zur leeren Hülle degradiert, endgültig in
Kraft zu setzen. Der nächste Präsident wird ein Diktator auf Zeit. Zwar
regiert Erdoğan schon jetzt, als hätte er alle Vollmachten, doch das geht
nur, weil seit nunmehr knapp zwei Jahren in der Türkei der Ausnahmezustand
herrscht, der denn auch gestern gleich noch einmal bis zu den Wahlen
verlängert wurde.
Hat die Opposition in dieser Situation noch eine Chance? Erdoğan hat alles
dafür getan, dass dies nicht der Fall ist. Er hat den Zeitpunkt zu seinen
Gunsten bestimmt, er [2][kontrolliert die Medien] und er setzt sämtliche
staatlichen Ressourcen für seinen Wahlkampf ein, auch wenn das eigentlich
nicht erlaubt ist.
Um die Opposition steht es dagegen auf den ersten Blick sehr schlecht. Die
wichtigsten Leute der kurdisch-linken HDP sitzen im Gefängnis, die neu
gegründete rechtskonservative IYI Partei ist organisatorisch noch nicht so
weit und wird vielleicht sogar aus formalen Gründen ausgeschlossen, und die
sozialdemokratisch-kemalistische CHP hat keinen Kandidaten, der gegen
Erdoğan bestehen könnte. Kemal Kilicdaroglu, der Parteichef, ist nicht der
Mann, der die Massen begeistert.
## Reine Intellektuellen-Debatte
Es gibt viele Stimmen, die sagen, angesichts der unfairen Umstände solle
man die Wahl lieber boykottieren, als in Erdoğans Theater mit zu spielen
und ihm dadurch noch eine scheinbare Legitimität zu verleihen. Das ist aber
eine reine Intellektuellen-Debatte, die meisten Türken werden zur Wahl
gehen. Für die Opposition gibt es deshalb nur eine kleine Chance: Sie muss
sich jetzt, trotz aller Gegensätze, auf einen gemeinsamen Kandidaten
verständigen, einen Kandidaten, der mit dem Auftrag startet, das
Präsidialsystem wieder abzuschaffen. Ein Anliegen immerhin, dass die
gesamte Opposition eint.
Das Motto muss sein: Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie. Die
türkische Geschichte ist voller Überraschungen, noch hat Erdoğan nicht
gewonnen.
19 Apr 2018
## LINKS
[1] /Neuwahlen-in-der-Tuerkei/!5497090
[2] /Monopolisierung-tuerkischer-Medien/!5499682
## AUTOREN
Wolf Wittenfeld
## TAGS
Schwerpunkt Türkei
Recep Tayyip Erdoğan
Präsidialsystem
Opposition in der Türkei
Verfassungsänderung
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Präsidentschaftswahl in der Türkei
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CHP
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