# taz.de -- Veranstalter über kosmopolitisches Kino: „Neue Welterfahrung wir… | |
> „Grenzüberschreitendes Kino“ ist das Thema des Bremer Internationalen | |
> Symposiums. Organisator Winfried Pauleit über interkulturelle Filme und | |
> neue Technik. | |
Bild: Vom Akteur zum Regisseur: Blick auf Melilla in „Les Sauteurs – those … | |
taz: Herr Pauleit, für das Bremer Internationale Symposium zum Film haben | |
Sie mit „Grenzüberschreitendes Kino“ ein hoch aktuelles Thema gewählt. Ist | |
das ein Schritt in eine neue Richtung, weg vom Akademischen? | |
Winfried Pauleit: Das wird häufig so wahrgenommen, denn das Thema ist | |
überall und hat mit großen Veränderungen in der Gesellschaft zu tun. Aber | |
für mich ist das gar nicht so besonders. Unser Thema von 2016 „Kino und | |
Kindheit“ halte ich auch für gesellschaftlich sehr relevant. Nur gab es zu | |
der Zeit, als wir das gemacht haben, keinen spektakulären | |
Kindheits-Diskurs. | |
Wer überschreitet denn die Grenzen – Regisseure oder Protagonisten? | |
Im besten Fall beide. Wir zeigen mit „Les Sauteurs – Those who jump“ ein | |
gutes Beispiel für diese neue Art von Kino. Das ist ein Projekt von zwei | |
dänischen Journalisten, die in die spanische Enklave Melilla gefahren sind, | |
um zu zeigen, wie die Flüchtlinge dort in den Wäldern hinter den | |
Grenzzäunen leben. Einem von ihnen haben sie eine Digitalkamera gegeben und | |
der hat dann seinen Alltag, aber auch seine eigene Grenzüberschreitung | |
gefilmt. Der Film wird jetzt so vermarktet, dass sowohl die beiden | |
Journalisten als auch der Flüchtling Abu Bakar Sidibé als Regisseure | |
gelten. Sidibé ist inzwischen anerkannter Asylbewerber in Berlin. Er kommt | |
nach Bremen, um über seinen Film zu reden. | |
Ist das denn etwas grundsätzlich Neues im Kino? | |
Nein, das sind filmische Methoden, die sich durch die Technik immer mehr | |
verfeinert haben. Aber letztlich gab es solche Verfahren schon seit den | |
20er- und 30er-Jahren. Da hat man beispielsweise in Hollywood versucht, die | |
damaligen Gangstermilieus zu porträtieren. Da sind die Filmteams | |
reingegangen und haben versucht, diese Filme aus der Perspektive der | |
Beteiligten zu machen. Die Überlegung dazu war vor allem ökonomisch, denn | |
diese Leute waren ja alle Migranten, und die gingen natürlich auch „for a | |
nickel and a dime“ ins Kino. Das war ein Publikum, das man bedienen wollte. | |
Da hat man dann die Hauptrollen mit Einwanderern besetzt und die sprachen | |
mit einem Akzent. | |
Was ist „kosmopolitisches Kino“? | |
Ein Indiz für die Entwicklung eines kosmopolitischen Kinos ist, dass bei | |
einigen Festivals wie der Berlinale inzwischen Filme nicht mehr nationalen | |
Kinematografien zugeordnet werden. Das war ja bisher die übliche Verortung: | |
Nach dem Titel kommen das Herkunftsland, Herstellungsjahr, Regisseur und | |
Darsteller. Aber weil Filme heute häufig aus vielen Produktionsländern | |
kommen, werden jetzt nur noch die Sprachen aufgeführt, die in den Filmen | |
gesprochen werden. Da wird eine Kategorie gesprengt und das ist ein Symptom | |
dafür, dass sich da grundsätzlich was ändert. Und diese Spur wollen wir | |
verfolgen: Die Philosophie des Symposiums ist es, Ästhetik, Politik und | |
Gesellschaft zusammenzubringen. | |
Sind das auch andere Filme? | |
International wird von einem transnationalen Kino gesprochen. Die Idee | |
dahinter ist, dass in den Filmen viel von Migration, sozialen Problemen und | |
einer neuen Weltgesellschaft erzählt wird, aber das hat auch eine | |
ästhetische Dimension, und die kriegen wir noch nicht richtig in den Blick. | |
Ein Beispiel: Früher hat man immer Filme eins zu eins synchronisiert oder | |
untertitelt. Aber beim modernen Weltkino wird damit gearbeitet, dass | |
Dialoge, wenn sie etwa in dem chinesischen Film „The World“ auf Russisch | |
gehalten werden, für uns als Zuschauer nicht übersetzt werden, damit wir | |
wie die Protagonisten nicht immer verstehen können, was andere sagen. Da | |
wird unsere neue Welterfahrung ganz konkret. | |
Camilla Fojas spricht über Wanderarbeiter zwischen Mexiko und den USA, am | |
Beispiel des Science-Fiction-Films „Sleep Dealer“. Warum ? | |
Sie hat die These, dass die Filme über die Grenze zwischen den USA und | |
Mexiko ein neues Genre sind, das sich vom Western ausgehend bis zum | |
Polizeifilm hin entwickelt hat. Und angesichts der Politik von Trump wendet | |
sie sich jetzt dem Science-Fiction-Film zu. Einerseits werden die | |
Wanderarbeiter in den USA gebraucht, andererseits will man sie draußen | |
halten. So schafft man Bürger zweiter Klasse. Und das wirft Fragen auf, die | |
man im Science-Fiction-Kino sehr gut bearbeiten kann. | |
Warum zeigen Sie als Vorfilm dazu den Stummfilm „Ramona“ aus dem Jahr 1910 | |
? | |
Weil er im Grunde schon von der gleichen Problematik erzählt: Er spielt | |
auch an der US-mexikanischen Grenze, es herrschten damals schon die gleiche | |
Einwanderungsproblematik und die gleichen Muster der Stigmatisierung der | |
Einwanderer. Das gibt einen schönen Kontrapunkt. | |
26 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Wilfried Hippen | |
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