# taz.de -- Amri-Untersuchungsausschuss Berlin: „Die Aktenberge sind riesig“ | |
> In der heutigen Sitzung des Untersuchungsausschusses wird es auch um die | |
> jüngsten Akten-Skandale gehen, sagt Benedikt Lux (Grüne). | |
Bild: 19. Dezember 2016: Bei dem Attentat auf dem Breitscheidplatz kamen 12 Men… | |
taz: Herr Lux, an diesem Freitag tagt der Amri-Untersuchungsausschuss zum | |
12. Mal. Welche Rolle wird der Aktenskandal spielen, der an Ostern bekannt | |
geworden ist? | |
Benedikt Lux: Er wird eine kleine Rolle spielen. Am Ende der Sitzung werden | |
wir das noch mal ansprechen. | |
Was passiert ist, finden Sie demnach nicht mehr skandalös? | |
Der Parlamentspräsident hat inzwischen bestätigt, dass mit den Akten nicht | |
sachgerecht umgegangen wurde. | |
Wie vom Abgeordnetenhaus angefordert, hatte die Senatsverwaltung für Justiz | |
dem Büro des Amri-Untersuchungsschusses Originalakten der | |
Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt. Diese Akten hat die | |
Justizverwaltung dann anders sortiert und mit Aufklebern versehen vom | |
Ausschussbüro zurückbekommen. | |
Dass die Akten umsortiert und neu etikettiert worden sind, hätte nicht | |
stattfinden dürfen. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass Akteninhalte | |
verändert worden sind. Der Verantwortungsbereich muss geklärt werden. Aber | |
ich habe ein Interesse daran, nach vorne zu schauen und die | |
Aufklärungsarbeit fortzusetzen. | |
Hallo? Es handelt sich um Originalakten, die durcheinandergebracht worden | |
sind, nicht um Kopien. | |
Der Vorgang ist sehr unschön, aber er wurde weitestgehend aufgeklärt. Ich | |
gehe davon aus, dass er sich nicht wiederholt. | |
Sah die Aufklärung nicht eher so aus, dass von der CDU versucht wurde, | |
letztlich der Justizverwaltung die Schuld in die Schuhe zu schieben? Die | |
habe dem Ausschuss ein Aktenchaos geliefert, wurde behauptet. | |
Die Justizverwaltung trifft keine Schuld. Sie hat dem | |
Untersuchungsausschuss vertraut und Originalakten ausgehändigt, so wie sie | |
von den Strafvollstreckungsbehörden geführt wurden. Die Justizverwaltung | |
wäre zudem jederzeit bereit gewesen, dem Ausschuss die Methode der | |
staatsanwaltschaftlichen Aktenführung zu erklären. Doch statt nachzufragen, | |
wurden die Originalakten umsortiert. So wurden zentrale Beweismittel | |
verändert. | |
Wer trägt dafür die Verantwortung? | |
Das liegt im Verantwortungsbereich des Ausschussvorsitzenden Burkard | |
Dregger (CDU). An ihn wurden die Unterlagen adressiert. Darüber wird auch | |
zu sprechen sein. | |
Ist Dregger nach dieser Geschichte noch als Vorsitzender tragbar? | |
Es ist an ihm, die Aufklärung in den Mittelpunkt zu stellen. | |
Wenn die Grünen wegen der Akten am Freitag kein Fass mehr aufmachen wollen | |
– was ist bei der Sitzung dann zu erwarten? | |
Ein sehr spannender Zeuge. Beim Staatsschutz war er zu dem Zeitpunkt, als | |
Amri überwacht wurde, Dezernatsleiter für islamistische Gefährder und | |
Terrorismus. Wir wollen wissen, wie der Staatsschutz aufgestellt war, wie | |
die Fussilet-Moschee beobachtet worden ist. Aus solchen Fragen können wir | |
mehr Rückschlüsse ziehen über die strukturellen Mängel und Probleme im | |
Bereich des Staatsschutzes. | |
Aus dem Bericht der polizeiinternen Ermittlungsgruppe „Lupe“ sind erste | |
Ergebnisse durchgesickert. Demzufolge wurde bei der Telefonüberwachung | |
Amris jedes vierte Gespräch nicht ins Deutsche übersetzt. Wie bewerten Sie | |
das? | |
Das ist das Grundproblem zunehmender Überwachung. In der Bundesrepublik | |
werden immer mehr Menschen beobachtet und immer mehr Gesetze beschlossen, | |
die das ermöglichen. Aber die Auswertung funktioniert nicht konsequent. Der | |
Heuhaufen wird immer größer, in dem ich die Stecknadel suche. | |
Was folgt daraus? | |
In den Gesprächen mit den Ermittlern geht es deshalb auch darum, | |
herauszufinden, wie es dazu kommen konnte, dass die angeordnete Observation | |
nicht richtig stattfand – damit sich solche Fehler nicht wiederholen. Es | |
geht darum, angesichts beschränkter Ressourcen vernünftige Prioritäten zu | |
setzen. Diese müssen dann auch konsequent umgesetzt werden. | |
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete unlängst, dass in der Geschäftsstel… | |
des Sonderermittlers Bruno Jost im Hause der Senatsinnenverwaltung auch | |
noch Akten zum Fall Amri gefunden worden sind. Jost hat seinen | |
Abschlussbericht bereits im Oktober 2017 vorgestellt. Der | |
Untersuchungsausschuss hätte die Akten also längst bekommen müssen. | |
Es handelte sich um eine Nachlässigkeit, die inzwischen behoben ist. Die | |
Akten werden nicht unter den Tisch fallen, weil wir noch mindestens zwei | |
Jahre mit der Untersuchung beschäftigt sein werden. Daran kann man auch | |
sehen, wie riesig die Datenmengen und Aktenberge zum Fall Amri sind. Der | |
Untersuchungsausschuss kann sich die Zeit nehmen, gründlich zu untersuchen. | |
Ermittler, die Gefahren beseitigen müssen, haben diese Zeit nicht. | |
Zum Thema Akten gehört auch, dass das Verfahren gegen zwei Polizeibeamte | |
eingestellt worden ist. Sie sollen einen Bericht über Amris Drogengeschäfte | |
manipuliert haben. Was sagen Sie zu der Verfahrenseinstellung? | |
Ich respektiere die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, dass das keine | |
Strafvereitelung war. Die Staatsanwälte haben sehr gründlich ermittelt. Sie | |
haben aber auch klipp und klar gesagt: Was die Polizei gemacht hat, war | |
nicht sauber. In der Sache wird ja jetzt disziplinarrechtlich | |
weiterermittelt. | |
Kann der Untersuchungsausschuss die beiden Beamten nun auch als Zeugen | |
vernehmen? | |
Wir werden es versuchen. Was den Vorwurf der Strafvereitelung betrifft, | |
haben sie ja nichts mehr zu befürchten. Es könnte natürlich sein, dass sie | |
sich in anderen Punkten auf ein Aussageverweigerungsrecht berufen, um sich | |
nicht selbst belasten zu müssen. | |
Was versprechen Sie sich von einer Aussage? | |
Es ist ganz wichtig, die Ermittler an der Basis zu hören, also die Leute, | |
die direkt vor Ort an Amri dran waren. Bislang haben wir vor allem | |
Funktionäre und vorgesetzte Polizistinnen und Polizisten gehört. In | |
Untersuchungsausschüssen ist es oft so, dass die Probleme unten an der | |
Basis abgeladen werden. Dabei gibt es auch viele Führungs- und | |
Organisationsprobleme. Dazu würde ich die beiden Ermittler gern befragen. | |
20 Apr 2018 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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